Änderung vor Haftantritt
Innenministerium: Wahllose Geschlechtsänderung nicht möglich
Mehrere Behörden prüfen derzeit mögliche strafrechtliche Konsequenzen in dem Fall. Gesetzliche Änderungen sind aus Sicht der Regierung und eines Rechtsexperten nicht nötig, denn die derzeitigen Vorgaben würden die willkürliche Änderungen des Geschlechts ausschließen. Eine gesetzliche Klarstellung fordert die FPÖ.
Geschlechtseintragsänderung vor Haftantritt
In dem Fall, über den die "Krone" zuerst berichtet hatte, hat ein Mann kurz vor dem Antritt einer dreimonatigen Haftstrafe seinen Geschlechtseintrag ändern lassen. Ziel der Aktion war laut Walter P., der seitdem als Waltraud P. auftritt, die Haft im Frauengefängnis zu verbüßen.
Die Änderung erfolgte nach Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens. Kurz nach der Änderung erhielt Waltraud P. nach eigenen Angaben ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), in dem ihr ein früherer Pensionsantritt mit 61 Jahren statt wie zuvor mit 65 Jahren als Mann in Aussicht gestellt wurde.
Innenministerium: Wahllose Geschlechtsänderung nicht möglich
Laut Innenministerium ist es in Österreich nicht möglich, "wahllos sein Geschlecht zu ändern". Das Ministerium hat in dem Fall den Magistrat der Stadt Wien beauftragt, das psychiatrische Gutachten zu überprüfen, das zur Änderung des Geschlechtseintrags geführt hat.
Aufgrund der Aussagen von Waltraud P. gegenüber der "Krone" könne "nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten und damit um einen strafrechtlichen Tatbestand handelt". Das Bundeskriminalamt hat Ermittlungen wegen des Verdachts des Sozialleistungsbetrugs eingeleitet.
Auch die ehemalige Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi (vormals Grüne) hat Strafanzeige eingebracht. Sie erklärte gegenüber dem Kurier: "Nach allem, was öffentlich an Informationen verfügbar ist, liegt im konkreten Fall der Verdacht auf Betrug und Urkundenfälschung nahe."
Video: Von Walter zu Waltraud
Experte sieht wirksame Kontrollmechanismen
Rechtsexperte Helmut Graupner sieht in den laufenden Ermittlungen den Beleg dafür, dass der österreichische Rechtsstaat über wirksame Kontrollmechanismen verfügt: "Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister beurkundet das rechtliche Geschlecht, legt es aber nicht fest."
Die Unrichtigkeit könne bewiesen werden und müsse von Behörden und dem Gericht festgestellt werden. Denn das rechtliche Geschlecht begründe sich auf dem "tatsächlich sozial gelebten Geschlecht", so der Anwalt gegenüber der APA. Er bezweifle aufgrund Aussagen von Waltraud P., dass die Person das weibliche Geschlecht lebt. Außerdem müsse überprüft werden, ob der begutachtende Psychiater fahrlässig oder vorsätzlich das Gutachten ausgestellt und sich damit ebenfalls strafbar gemacht habe.
Die PVA betont, dass jeweils zum Pensionsstichtag immer zu prüfen sei, ob der Versicherungsfall tatsächlich eingetreten ist und alle Voraussetzungen - auch die tatsächliche Geschlechtsidentität - erfüllt sind. Sollte es Zweifel geben, kann ein anderes Regelpensionsalter angewendet werden. Diese Vorgehensweise entspreche der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte.
Auch das SPÖ-geführte Sozialministerium erklärte auf APA-Anfrage dazu: "In Fällen, in denen Zweifel an der maßgeblichen Einordnung bestehen, erfolgt eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung." Eine Änderung des Geschlechts hänge rechtlich demnach nicht allein vom persönlichen Zugehörigkeitsempfinden ab, sondern bedürfe einer Gesamtbetrachtung des individuellen Sachverhalts. Aus Sicht des Sozialministeriums brauche es dahingehend keine Gesetzesänderung.
Das ebenfalls SPÖ-geführte Justizministerium hält die bestehenden Regelungen bezüglich der Unterbringung von Verurteilten auch für ausreichend. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: "Die Unterbringung von Strafgefangenen ist immer eine Einzelfallentscheidung, die unter Abwägung aller Umstände individuell getroffen wird." Die Vollzugsbehörden seien verpflichtet, für eine Unterbringung zu sorgen, "die den Schutz der Rechte aller Insassen und Insassinnen gleichermaßen im Blick hat."
FPÖ fordert gesetzliche Klarstellung
Politisch sorgt der Fall vor allem bei der FPÖ für Empörung. Die Freiheitlichen fordern eine sofortige gesetzliche Klarstellung. Dagegen sehen die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ auf Nachfrage keinen Handlungsbedarf. "Es braucht keine neuen Gesetze, sondern akribische Überprüfungen, ob Geschlechtsumwandlungen ausschließlich den Zweck verfolgen, sich in anderen Bereichen widerrechtlich Vorteile zu verschaffen", hieß es von der Volkspartei unter Verweis auf die Ermittlungen.
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Die mitregierenden NEOS kündigten indes an, man werde prüfen, ob es bei den Verfahren und Regelungen Nachschärfungen brauche, um "derartigen Missbrauch künftig zu verhindern". Die Grünen erklärten: "Im konkreten Fall handelt es sich offensichtlich um einen Missbrauch. Dieser gehört natürlich geahndet - die Behörden sind aufgerufen, entsprechende Schritte zu setzen."
Für eine Änderung des Geschlechtseintrags ist laut geltender Rechtslage eine Stellungnahme eines Psychiaters oder einer Psychologin erforderlich. Diese Fachperson muss bestätigen, dass ein "Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht besteht und dieses aller Voraussicht nach weitgehend irreversibel ist" sowie, dass "eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zum Ausdruck kommt." Eine geschlechtsangleichende Operation ist laut Verwaltungsgerichtshof (VwGH) seit 2009 keine Voraussetzung.
Zusammenfassung
- Ein Mann änderte kurz vor Antritt einer dreimonatigen Haftstrafe seinen Geschlechtseintrag auf weiblich, um im Frauengefängnis untergebracht zu werden.
- Das Innenministerium betont, dass eine wahllose Änderung des Geschlechtseintrags in Österreich nicht möglich ist, und lässt das psychiatrische Gutachten überprüfen.
- Das Bundeskriminalamt ermittelt wegen Verdachts auf Sozialleistungsbetrug, nachdem der Betroffene einen früheren Pensionsantritt mit 61 Jahren statt 65 Jahren erhielt.
- Rechtsexperten und Ministerien sehen die bestehenden Kontrollmechanismen und rechtlichen Regelungen als ausreichend und verweisen auf individuelle Prüfungen bei Zweifeln.
- Die FPÖ fordert eine gesetzliche Klarstellung, während ÖVP, SPÖ und NEOS Nachschärfungen nur bei nachgewiesenem Missbrauch diskutieren.