Harrer zu Afghanistan: "Optimismus ist nicht besonders angebracht"

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"Standard"-Journalistin und Nahost-Expertin Gudrun Harrer spricht im PULS 24 Interview über die Lage in Afghanistan und darüber, wie es nach der Machtübernahme in Afghanistan weitergehen kann.

"Das ist keine Sache, die ein kleines Land am Hindukusch betrifft, sondern ein Ereignis von geopolitischem Rang", sagt Gudrun Harrer nachdem die Taliban innerhalb weniger Wochen beinahe ganz Afghanistan eingenommen und die Hauptstadt Kabul kampflos übernommen haben. "Es wird die ganze Welt betreffen", ist sich die Nahost-Expertin sicher. Wie genau es jetzt weitergehen kann, sei aber noch nicht sicher. Es sei noch nicht der Zeitpunkt für Verhandlungen gekommen, man müsse erst die Menschen rausholen, "die mit uns kooperiert haben", sagt Harrer. 

Kaum ein Konflikt zeigt die Schande des Westens so sehr wie die Machtergreifung der Taliban in Afghanistan. Eine Chronologie des Debakels des Westens.

Zwar berät der UN-Sicherheitsrat und werde die Menschenrechte einfordern, dies werde aber "im ideologischen Rahmen der Taliban" geschehen. Was die Islamisten genau vorhaben, wisse man noch nicht. Eine schlechte Nachricht war jedenfalls, dass die Taliban eine Übergangsregierung ablehnten. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Taliban auch Menschen loswerden wollen und sie aus Afghanistan ausreisen lassen. Viel Zeit bleibe aber nicht mehr.

Frauenrechte: "Wahrscheinlich alles aus"

Von 1996 bis 2001 hatten die Taliban Afghanistan bereits unter ihrer Kontrolle. Bei einem Blick auf diese Zeit sei "Optimismus nicht besonders" angebracht. Die Taliban wollen ein islamisches Emirat. Sie leben einen "puritanischen Islam gepaart mit paschtunischen Stammesgebräuchen". Frauen, die in den letzten 20 Jahren Karrieren gemacht hätten, würden das jetzt etwa nicht mehr machen können, so Harrer. Das sei jetzt "wahrscheinlich alles aus". Ob sich die Zivilgesellschaft wehren könne, komme auf die Grausamkeit der Taliban an. Menschen, die jetzt flüchten würden dabei fehlen, sagt die Journalistin.

Sind "andere" Taliban möglich?

Die Taliban selbst hatten angekündigt, anders regieren und eine Regierung "für alle" sein zu wollen. Harrer erklärt, dass die letzte Taliban-Herrschaft gescheitert sei, weil man den internationalen Terrorismus in Form der Al Kaida ins Land gelassen und andere Volksgruppen nicht eingebunden habe. Die Expertin kann sich vorstellen, dass die Taliban in diesen Punkten anders agieren könnten, weil sie länger an der Macht bleiben wollen als nur fünf Jahre. 

USA: "Das Ende einer Ära"

Friedliche Außenbeziehungen werde es aber nur geben, wenn Afghanistan kein Ausgangspunkt für Terrorismus wird. Besonders China hätte daran kein Interesse. Die Taliban hätten nun zwei Jahre mit den USA verhandelt, die Taliban hätten Kontakte nach China, Russland und nach Pakistan, auch mit dem Iran werde man sich vielleicht arrangieren.

Die USA sehen laut Harrer in der jetzigen Situation jedenfalls "sehr, sehr schwach aus". Auch das habe der Konflikt gezeigt. Es sei "das Ende einer Ära", in der die USA stark waren. Die USA können und wollen keine "Weltpolizei" mehr sein. 

ribbon Zusammenfassung
  • "Standard"-Journalistin und Nahost-Expertin Gudrun Harrer spricht im PULS 24 Interview über die Lage in Afghanistan und wie es nach der Machtübernahme in Afghanistan weitergehen kann.
  • "Das ist keine Sache, die ein kleines Land am Hindukusch betrifft, sondern ein Ereignis von geopolitischem Rang", sagt Gudrun Harrer nachdem die Taliban innerhalb weniger Wochen beinahe ganz Afghanistan eingenommen haben.
  • "Es wird die ganze Welt betreffen", ist sich die Nahost-Expertin sicher. Wie genau es jetzt weitergehen kann, sei aber noch nicht sicher.
  • Es sei noch nicht der Zeitpunkt für Verhandlungen gekommen, man müsse erst die Menschen rausholen, "die mit uns kooperiert haben", sagt Harrer. 
  • Von 1996 bis 2001 hatten die Taliban Afghanistan bereits unter ihrer Kontrolle. Bei einem Blick auf diese Zeit sei "Optimismus nicht besonders" angebracht, sagt Harrer. Die Taliban wollen ein islamisches Emirat.
  • Friedliche Außenbeziehungen werde es nur geben, wenn Afghanistan kein Ausgangspunkt für Terrorismus wird. Besonders China hätte daran kein Interesse.

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