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FPÖ, Raiffeisen und Russland: "Distanzieren, wenn man nicht völlig verrückt ist"

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Der ukrainische Politikwissenschaftler Anton Shekhovtsov im PULS 24 Interview über die Verbindungen von europäischen Rechtspopulisten nach Russland, die Geschäfte der Raiffeisen Bank und das Image Österreichs in der Ukraine.

Österreich und seine Russland-Verbindungen - eine eher unrühmliche Geschichte, wie spätestens mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine klar wurde. Da gibt es zum einen die FPÖ, die immer wieder mit Kontakten zum russischen Staat Schlagzeilen machte. Zum anderen sind da die Abhängigkeit vom Gas und Unternehmen wie die Raiffeisen Bank, die immer noch Geschäfte in Russland machen.

PULS 24 hat mit dem ukrainischen Politikwissenschaftler Anton Shekhovtsov über diese Verbindungen, Österreichs Image in der Ukraine und sogenannte Putin-Versteher gesprochen.

PULS 24: Herr Shekhovtsov, Sie haben 2018 eine vielbeachtete Arbeit über die Verbindungen von europäischen Rechtspopulisten zum russischen Staat veröffentlicht. Im Kapitel über Österreich geht es vor allem um die FPÖ – um ihr Abkommen mit Putins Partei und ihre Besuche auf der Krim oder in Tschetschenien. Warum gab es diesen engen Kontakt?

Anton Shekhovtsov: Das hängt ein bisschen vom Zeitraum ab, über den wir sprechen. Ich würde sagen, dass der aktivste Teil der Zusammenarbeit schon einige Jahre her ist. Früher gab es dafür mehrere Gründe: Erstens verschaffte ihnen Russland Medienpräsenz. Über die russischen internationalen Kanäle wie RT, früher bekannt als Russia Today, oder Sputnik wurden ihre Botschaften transportiert.

Die zweite Sache ist, dass europäische Rechtsaußen-Parteien glauben, dass es eine ideologische Überschneidung zwischen ihnen und dem russischen Staat gibt. Es geht um Nationalismus, Konservativismus, Anti-Globalismus und Antiamerikanismus, also um die Verteidigung der traditionellen Werte, der Familienwerte, der religiösen Werte. Eine andere Sache ist es, ob diese Überschneidungen tatsächlich existieren.

Anton ShekhovtsovAnton Shekhovtsov

Anton Shekhovtsov

Und natürlich erhofften sich einige rechte Parteichefs und -mitglieder einen gewissen finanziellen Vorteil. Dabei müssen wir unterscheiden. Der Front National erhielt etwa 2014 ein Darlehen für die Regionalwahl. Aber es gibt auch andere Formen: Nämlich die Zusammenarbeit mit einzelnen Politikern, die den Russen Gefallen tun würden. Es gibt mehrere dieser kleinen Fälle. Auch in diesem Land. Wir wissen, dass bestimmte Mitglieder der FPÖ einige Gesetzesentwürfe schrieben oder ausarbeiteten, um ihn dem Parlament vorzulegen und dafür Geld erhalten haben könnten. Oder sie fahren auf die Krim und erhalten eine Art Honorar. Aber da geht es um kleine Beträge. Keine Summen, mit denen man sich etwa eine Wohnung in Wien kaufen könnte.

Was brachte das Russland?

Nun, sie sind zunächst daran interessiert, Einfluss in Europa zu gewinnen. Sie würden es bevorzugen, die Entscheidungsträger zu beeinflussen. Aber die sind zu teuer. Die Leute, die nicht im Mainstream sind, sind billiger. Es ist einfacher, sie zu korrumpieren, weil sie keinen Ruf zu verlieren haben.

Aber es gibt noch eine andere Sache: Bestimmte russische Akteure glauben, dass der Aufstieg der Rechten Europa schwächt, die Demokratie schwächt. Und genau daran sind sie auch interessiert. Es geht um die bösartige Absicht, die liberale Demokratie in Europa zu untergraben, die Beziehungen zwischen den USA und Europa zu untergraben und im Wesentlichen zu versuchen, Europa isolationistisch zu machen.

Ihre Arbeit stammt aus dem Jahr 2018. Was hat sich seither, was hat sich durch die Invasion geändert?

Heute ist das nicht mehr der Fall, weil sich nach der Invasion in der Ukraine einige rechtsaußen Parteien, die dem Kreml nahestanden, von Russland distanzierten. Weitgehend zumindest.

Wenn wir jetzt über die FPÖ reden, glaube ich nicht, dass sie an irgendwelchen Geschäften mit den Russen interessiert sind. Das war vor dem Ibiza-Skandal, vor 2019. Die FPÖ hatte eine ganz klar pro-russische Fraktion in der Partei: Strache, Gudenus, dann Johannes Hübner, Andreas Karlsböck und Barbara Kappel. Die wichtigsten Leute aber waren Gudenus und Strache. Jetzt, wo sie weg sind, ist diese Gruppe komplett zerstört.

Kickl ist daran nicht interessiert. Offensichtlich teilt er einige der Narrative mit den Russen, aber er ist eigentlich eher ein österreichischer Nationalist als ein europäischer Nationalist.

Warum sagt Herbert Kickl dann, dass die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden sollen?

Er ist in der Opposition. Man kann nicht in der Opposition sein und die Außenpolitik der Regierung unterstützen. Man muss dagegen sein. Und natürlich gibt es in der österreichischen Gesellschaft die Forderung, mit Russland wieder zur Tagesordnung überzugehen. Als Populist bezieht er sich auf diese - nicht unbedingt pro-russische, aber nostalgische - Sichtweise auf den Umgang mit den Russen. Das wird aber nicht passieren. Es wird nie ein Zurück geben.

Auch Politiker von ÖVP und SPÖ pflegten jahrelang gute Verbindungen nach Russland. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) verteidigte noch kürzlich die Raiffeisenbank International für ihre Geschäfte in Russland…

Es gibt eine lange Geschichte von Geschäftsbeziehungen mit Russland, die bis in den Kalten Krieg zurückreichen. Österreich ist verfassungsmäßig ein neutrales Land im militärischen Sinne. Es hatte immer sehr gute Verbindungen zu den Sowjets. Und die Sowjets, die hier während der Besatzung zehn Jahre lang präsent waren bis 1955, haben hier Vermögen. In Wien sitzen außerdem Organisationen wie die OSZE. Wien ist die Hauptstadt der Spionage, ein sehr nahrhafter Boden für den russischen Einfluss.

Hätte man nicht längst dagegen vorgehen sollen?

Nun, man hätte sollen, aber ich glaube nicht, dass es in nächster Zeit passieren wird. Natürlich haben diese Wirtschaftskreise auch Einfluss auf Politiker, die Entscheidungen treffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Raiffeisen Bank keinen Einfluss auf die Regierung hat.

Teils geht es aber auch um legitime Wirtschaftsinteressen. Und natürlich haben sie ihre eigenen Geschäftsinteressen und sie wollen weitermachen, weil sie ihren Kunden, ihren Aktionären Profit bringen müssen. Sie machen viel Geld in Russland. Es ist auch nicht nur die Raiffeisen Bank, auch andere Unternehmen - Red Bull zum Beispiel.

Es ist aber jedenfalls verpönter geworden, in Russland Geschäfte zu machen. Auch für Politiker von ÖVP und SPÖ ist es nicht mehr opportun, sich für Beziehungen mit Russland einzusetzen. Wird Russland wieder vermehrt Kontakt zu Randparteien suchen?

Die Russen sind ziemlich verzweifelt, weil sie so toxisch geworden sind. Die wenigsten Leute wollen eigentlich noch mit ihnen zusammenarbeiten. Es gibt nur eine rechtsextreme Partei, die seit dem letzten Jahr wahrscheinlich noch pro-russischer geworden ist: Die Alternative für Deutschland, die AfD. Sie ist jetzt die größte pro-russische Partei – zumindest auf der rechten Seite. Aber ja, die Russen werden nach diesen Verbindungen suchen. Aber es ist nicht mehr das Gleiche. Es ist wirklich nicht das Gleiche. Wissen Sie, was direkt nach der Invasion im letzten Jahr geschah? Alle waren schockiert, total schockiert. Sogar Verbündete Russlands waren schockiert, sogar Le Pen war schockiert.

Vorher konnten sie von diesen Verbindungen zu den Russen profitieren, weil sie zeigen konnten, wir gehen nach Russland, wir sprechen mit ihren Beamten, Russland ist ein großes Land, es ist ein Global Player. So konnten sie mit diesen Verbindungen prahlen.

Seit Februar letzten Jahres ist das alles nicht mehr der Fall. Denn Russland ist zu einem Land geworden, dem man nicht mehr die Hand gibt. Man muss sich einfach distanzieren, wenn man nicht völlig verrückt ist. 

Aber es gibt noch welche, gefühlt wieder mehr…

Direkt nach der Invasion gab es nichts, was die Aggression hätte rechtfertigen können. Jetzt haben sie wieder ein Narrativ gefunden, eine Propaganda. Sie reden über die NATO und die Amerikaner. Das ist die neue Idee. Das ist die neue Botschaft. Damit können viele der extremen Rechten tatsächlich arbeiten.

Es ist eine sehr alte Idee. Diese Idee stammt aus dem Kalten Krieg. Schon die Sowjets haben diese Friedensbewegungen aktiv unterstützt. Einige von ihnen hatten sie selbst ins Leben gerufen. Es handelte sich dabei nicht um Friedensbewegungen im eigentlichen Sinne, sondern nur um politische Einflussnahme, um Operationen im Wesentlichen. Sie haben diese Botschaften aus dem Kalten Krieg übernommen und versuchen, sie heute zu nutzen.

Auf diesen Zug sind – vor allem in Deutschland – auch Teile der Linken aufgesprungen. Wie kommt es?

Sie sind nicht anders. Sie sind alle gegen die liberale Demokratie. Sie stehen einander viel näher als dem Mainstream des liberaldemokratischen Konsenses.  Und auch wenn man sich einige ihrer Politiken ansieht, sind sie identisch.

Wie beurteilen Sie die Unterstützung Österreichs für die Ukraine?

Österreich hätte mehr tun können, viel, viel mehr. Auch wenn wir nicht über die militärische Unterstützung sprechen. Es gibt beträchtliche Unterstützung für humanitäre Hilfe, aber nicht viel Geld und offensichtlich überhaupt keine militärische Unterstützung. Ich würde sagen, dass Österreich im unteren Bereich liegt, aber es ist nicht das Schlimmste. Ungarn oder der westliche Balkan sind in der Hinsicht ganz furchtbar. 

Wie wird Österreich in der Ukraine wahrgenommen?

Es gibt nicht viel Meinung über Österreich in der Ukraine. Österreich ist ein kleines Land. Daher denke ich, dass die Ukrainer eher an größere Akteure wie Deutschland, Frankreich, Italien oder Großbritannien denken.

Danke sehr!

Zur Person

Anton Shekhovtsov wurde 1878 in Sewastopol geboren. Er ist Autor, Politikwissenschaftler und politischer Aktivist. Er ist der Direktor des "Centre for Democratic Integrity" und Forscher am "Research Center for the History of Transformations" in Wien. Bekannt ist er für seine Publikationen über europäische Rechtsextreme und deren Verbindungen zu Russland.

Zu Teil 2 des Interviews mit Anton Shekhovtsov:

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  • Der ukrainische Politikwissenschaftler Anton Shekhovtsov im PULS 24 Interview über die Verbindungen von europäischen Rechtspopulisten nach Russland, die Geschäfte der Raiffeisen Bank und das Image Österreichs in der Ukraine.