Leitl, Wagenknecht, StracheAPA/GEORG HOCHMUTH, APA/AFP/Tobias SCHWARZ, APA/HANS PUNZ (Montage)

Rückblick: Die absurdesten Prognosen zum Ukraine-Krieg

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Sahra Wagenknecht von der deutschen Linkspartei hielt einen Einmarsch Russlands in der Ukraine für ausgeschlossen. Andere "Experten" sahen den Krieg schon im Februar 2022 für die Ukraine verloren. Lesen Sie hier, wer mit seinen Vorhersagen zum russischen Angriffskrieg und seinen Beurteilungen von Wladimir Putin hoffnungslos falsch gelegen ist.

Wenn es darum ging, die russische Aggression in der Ukraine schönzureden, stand Sahra Wagenknecht schon immer stramm an der Front. Im Jahr 2014 sagte sie, ein Anschluss der Krim an Russland müsse nach einer Volksabstimmung auf der Halbinsel akzeptiert werden. Dass es bei dem Referendum keine unabhängige Wahlbeobachtung gab und die Abstimmung in einem nicht befriedeten Gebiet stattfand, ließ die Politikerin der deutschen Linkspartei kalt.

Bei einem ihrer Talkshow-Auftritte vergaloppierte sich Wagenknecht aber so eindeutig, dass selbst die Meisterin der Verdrehung später einen Irrtum zugeben musste. "Russland hat faktisch kein Interesse daran, in die Ukraine einzumarschieren", meinte Wagenknecht in der Sendung "Anne Will" am 20. Februar 2022. "Wir können heilfroh sein, dass der Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird: ein durchgeknallter russischer Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben."

Fakt ist: Am 24. Februar überfiel Russland, auf Befehl von Wladimir Putin, die Ukraine. Der russische Präsident will gewaltsam neue Grenzen durch Europa ziehen. Ihre Fehlprognose hielt Wagenknecht aber nicht davon ab, kürzlich in einem Manifest mit Alice Schwarzer das Ende westlicher Waffenlieferungen und damit (unausgesprochen) die Unterwerfung der Ukraine zu fordern.

Debakel für viele Orakel

Viele Politiker, Wissenschaftler und (Ex-)Militärberater wagen seit einem Jahr Prognosen zum Ukraine-Krieg. Häufig sind die "Insider" dabei falsch gelegen. Ein Blick ins Archiv zeigt, wie selbstbewusst und oft nonchalant klare Fehlprognosen zum Ukraine-Krieg sowie falsche Thesen über die Absichten von Wladimir Putin kundgetan wurden.

Ein besonders irrlichterndes Kriegs-Orakel ist der ehemalige Angela-Merkel-Berater Erich Vad. "Jetzt noch Militärhilfe zu leisten bringt nichts mehr für den laufenden Konflikt. Militärisch gesehen ist die Sache gelaufen. Meine Bewertung ist, dass es nur um ein paar Tage gehen wird", prophezeite der frühere deutsche Brigadegeneral in der Talkshow "Maybrit Illner" am 24. Februar 2022. Noch im vergangenen März bekräftigte Vad, die Ukrainer hätten keine Chance gegen die russischen Truppen. Es ist bisher anders gekommen: Die Ukrainer leisten mithilfe westlicher Waffenlieferungen in der Ostukraine erbitterten Widerstand, im September wurden in der Region Charkiw auch Rückeroberungen vermeldet.

Österreichische Tradition der Putin-Verharmlosung

Auch ein Putin-Lob des ehemaligen Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl (ÖVP), noch kurz vor dem Krieg, hatte schon wenige Stunden später einen fatalen Nachklang. "Er ist ein genialer politischer Schachspieler", lobte der Oberösterreicher Putins Machtpolitik am 23. Februar 2022 in einem ATV-Interview. Da hatten sich russische Truppen schon längst an der ukrainischen Grenze formiert. Am 24. Februar griff Russland die Ukraine von Norden, Osten und Süden an: Russische Raketen flogen ins Nachbarland, Soldaten drangen ein. In seinen selten gewordenen Interviews zeigt sich Leitl von Putin inzwischen enttäuscht.

Leitl reiht sich in eine prominente Reihe von (ehemaligen) Putin-Verharmlosern und Putin-Verstehern in Österreich ein. Putin sei "sehr liebenswürdig, bodenständig, offen und herzlich", sagte der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am 26. August 2018 in einem Interview mit der "Presse". Kritik an den Hochzeitsmodalitäten der damaligen Außenministerin Karin Kneissl inklusive Einladung an und Knicks vor Putin wollte der Ex-Vizekanzler nicht begreifen.

Fischer bei PutinAlexander Zemlianichenko / POOL / AFP

Fischer: Kein "Katastrophenpolitiker"

Im März 2014 – bereits während der laufenden Krim-Annexion – hatte der damalige Oppositionspolitiker Strache geschwärmt: "Ich habe Putin in Wien kennengelernt und als höchst korrekten und interessanten Staatschef erlebt." In dieser Zeit wollte auch Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) in Putin zwar einen "kaltblütig kalkulierenden Machtpolitiker", nicht aber einen "Katastrophenpolitiker" erkennen. Putin könne nicht gleichsam die russische Armee gegen Europa oder auch die Ukraine schicken, meinte Fischer im Ö1-"Mittagsjournal" am 8. März 2014 zu wissen. Ein mächtiger Irrtum von Fischer, wie man heute weiß.

Der amtierende Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte ebenfalls anerkennende Worte für den russischen Präsidenten parat. "Putin habe ich einmal kennengelernt, da hatte ich einen positiven Eindruck. Hochintelligenter Mann, der auf meine Fragen eingegangen ist. Und das ist ja nicht selbstverständlich, dass er auf einen Oppositionspolitiker eingeht", sagte Van der Bellen im Februar 2016, damals noch als Präsidentschaftskandidat der Grünen. Auch der steirische Unternehmer Siegfried Wolf, einst Aufsichtsrat in russischen Konzernen, wusste über den Autokraten im Kreml naturgemäß nur Gutes zu berichten. "Ein sehr, sehr, sehr korrekter Mann" sei Putin, sagte Wolf im Juni 2014.

Prognosen vom Juni: "Sowieso verloren"

Zurück zu konkreten Prognosen zum Kriegsverlauf: Der deutsche Politikwissenschaftler Johannes Varwick sagte im Juni 2022 in der Sendung "Maischberger": "Die Ukraine ist sowieso verloren." Man solle der Ukraine keine falschen Hoffnungen machen. Nur einen Tag später schlug der deutsche Publizist Wolfram Weimer ebenfalls bei "Maischberger" in die gleiche Kerbe: "Ich fürchte, wir müssen uns eine unangenehme Wahrheit eingestehen. Die heißt, dass Russland diesen Krieg gewonnen hat." Weimer begründete dies mit bisherigen und vermeintlich bevorstehenden Gebietsgewinnen des russischen Angreifers.

Tatsache ist: Der Frontverlauf hat sich seit dem Juni 2022 in den meisten Gebieten nicht wesentlich verändert. Im September konnte die Ukraine Territorien im Nordosten zurückgewinnen. Im Jänner kündigten die USA, Deutschland und andere westliche Staaten an, der Ukraine Panzer zu liefern. Am 20. Februar 2023 bekam Kiew Besuch von US-Präsident Joe Biden, es war ein Signal für die Entschlossenheit des Westens. Varwick und Weimer haben mit ihrem Fatalismus, zumindest aus heutiger Sicht, Unrecht gehabt. Man fragt sich, woher die Bestimmtheit ihrer Prognosen rührt. Politische Insider-Informationen oder militärisches Detailwissen sind es wohl nicht.

Obwohl viele "Russland-Kenner" von den tatsächlichen Ereignissen mehrfach widerlegt worden sind, machen einige von ihnen munter weiter mit ihren Prognosen und Thesen. Dem ersten deutschen Kanzler Konrad Adenauer wird das Zitat zugeschrieben: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden." Wenn es bloß bei allen so wäre.

Leitls Putin-Lob vom Februar 2022

Der ehemalige Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl sagte im Februar 2022, US-Präsident Joe Biden solle doch nicht vor "Zehntausenden von Toten" warnen. Biden behielt leider recht.

ribbon Zusammenfassung
  • Sahra Wagenknecht von der deutschen Linkspartei hielt einen Einmarsch Russlands in der Ukraine für ausgeschlossen.
  • Andere "Experten" sahen den Krieg schon im Februar 2022 für die Ukraine verloren.
  • Lesen Sie hier, wer mit seinen Vorhersagen zum russischen Angriffskrieg und seinen Beurteilungen von Wladimir Putin hoffnungslos falsch gelegen ist.

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