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"Erschüttert"

UNO: Berichte über Angriffe, Schikanen und willkürliche Festnahmen in Serbien

Heute, 13:01 · Lesedauer 3 min

Seit sechs Monaten befindet sich Serbien in einer tiefen politischen Krise. Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte die serbische Regierung stark.

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat am Mittwoch eine zweitägige Mission in Serbien abgeschlossen. Bei einer Pressekonferenz zeigte sich der gebürtige Österreicher "beeindruckt" von der Energie und dem Engagement junger Menschen im Land, die einen klaren Wunsch nach einer freien und demokratischen Gesellschaft sowie nach Achtung der Menschenrechte zum Ausdruck gebracht hätten.

Zugleich übte Türk deutliche Kritik an der politischen Führung in Serbien.

Kein Vertrauen in staatliche Institutionen und Politik

Auf seiner Reise hätte ihn das Ausmaß der tiefgreifenden Polarisierung und Spaltung der serbischen Gesellschaft und das mangelnde Vertrauen in die staatlichen Institutionen und politischen Akteure erschüttert. "Diese tiefe Spaltung macht deutlich, dass der Gesellschaftsvertrag erneuert werden muss", erklärte Türk. Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht seien in einer Demokratie - besonders bei "heftigen Meinungsverschiedenheiten" innerhalb der Bevölkerung - essenziell, betonte er.

Mit Blick auf die jüngsten Proteste in Novi Sad forderte Türk die serbische Regierung auf, für Transparenz zu sorgen und die Vorfälle sowie sämtliche Vorwürfe von Gewalt gegen friedliche Demonstrierende unverzüglich und gründlich aufzuklären.

Angriffe, Schikanen, willkürliche Festnahmen

Besorgt zeigte sich Türk über die zunehmende Verbreitung von Hassrede - sowohl online als auch in klassischen Medien. Seinem Büro lägen Berichte über Hausdurchsuchungen, verbale Angriffe, Schikanen, Einschüchterungsversuche, willkürliche Festnahmen sowie Diffamierungskampagnen gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger sowie gegen Journalistinnen und Journalisten vor. Auch von unrechtmäßiger digitaler Überwachung und missbräuchlich eingesetzten Gerichtsverfahren sei die Rede.

Besonders häufig betroffen seien Frauen, Roma, andere marginalisierte Gruppen, LGBTIQ+-Personen sowie Medienvertreterinnen und -vertreter. Teilweise würden selbst Politiker und hochrangige Amtsträger hasserfüllte Rhetorik bedienen, kritisierte Türk. Er fügte aber auch hinzu, dass insbesondere die Diskriminierung von Roma kein rein serbisches Phänomen sei, sondern auch in anderen Ländern Europas weit verbreitet.

Serbien seit sechs Monaten in tiefer politischer Krise

Serbien steckt seit sechs Monaten in einer tiefen Politkrise. Anzeichen, dass die Forderungen der Demonstranten nach mehr Rechtsstaatlichkeit erfüllt werden könnten, gibt es derzeit keine. Seit Ende November werden alle staatlichen Universitäten von Studenten blockiert

Unterdessen lud Präsident Aleksandar Vučić, der seit Jahren für seinen autoritären Führungsstil bekannt ist, seine Anhänger in die südserbische Stadt Niš ein, um ihnen vergangenen Samstagnachmittag seine in Entstehung begriffene "Bewegung für das Volk und den Staat" zu präsentieren.

Studenten, die auch die dortige Universität blockieren, teilten Vučić in der Vorwoche mit, dass er in der zweitgrößten Stadt Serbiens "nicht erwünscht" sei. Das Regime ignoriere die Unzufriedenheit der Bürger, die sie seit Monaten auf den Straßen bekunden, kritisierten sie. Gleichzeitig wurde die Forderung der demonstrierenden Studenten nach vorgezogenen Parlamentswahlen wiederholt.

Präsident Vučić, der in der Vergangenheit wiederholt Wahlen ausschrieb, um die eigene Position und die Stellung der seit 2012 regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) zu festigen, ist zurzeit dazu aber wohl nicht bereit. Eine Ende April durchgeführte Meinungsumfrage der nicht-staatlichen Organisation CRTA legte erneut an den Tag, dass die Studentenforderungen derzeit von fast 60 Prozent der Bevölkerung unterstützt würden.

Zusammenfassung
  • Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte die serbische Regierung stark.
  • Auf seiner Reise hätte ihn das Ausmaß der tiefgreifenden Polarisierung und Spaltung der serbischen Gesellschaft und das mangelnde Vertrauen in die staatlichen Institutionen und politischen Akteure erschüttert.
  • Seinem Büro lägen Berichte über Hausdurchsuchungen, verbale Angriffe, Schikanen, Einschüchterungsversuche, willkürliche Festnahmen sowie Diffamierungskampagnen gegen Menschenrechtsverteidiger:innen und Journalist:innen vor.
  • Bei einer Pressekonferenz zeigte sich der gebürtige Österreicher "beeindruckt" von der Energie und dem Engagement junger Menschen im Land, die einen klaren Wunsch nach einer freien und demokratischen Gesellschaft zum Ausdruck gebracht hätten.