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Gegen Entwaldung

"Unnötiger Aufwand": Steigende Preise wegen neuer EU-Vorgabe?

Heute, 05:42 · Lesedauer 5 min

Künftig darf in der EU nur noch mit Produkten gehandelt werden, für deren Herstellung keine Wälder zugunsten landwirtschaftlicher Fläche abgeholzt wurden. Wirtschaft und Industrie beklagen überbordende Bürokratie. Diese könnte sich auch auf Preise auswirken.

Mit der EU-Entwaldungsverordnung (kurz EUDR) sollen in Zukunft keine Produkte mehr in den Handel kommen, für die Wälder abgeholzt und in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt worden sind. 

Die Verordnung trifft Produkte wie Kakao, Kaffee, Soja und Rindfleisch, aber auch Palmöl, Kautschuk oder Holzmöbel.

Wer diese künftig in der EU vertreiben will, muss sicherstellen, dass die Produkte entwaldungsfrei und den rechtlichen Vorgaben im Erzeugerland entsprechend hergestellt wurden. Außerdem braucht es eine sogenannte Sorgfaltserklärung.

Um die Einhaltung der Verordnung überprüfen zu können, sind Unternehmen unter anderem dazu verpflichtet, die Koordinaten der Grundstücke zu erfassen, auf denen die jeweiligen Produkte erzeugt werden. Wirtschaft und Industrie kritisieren eine überbordende Bürokratie, die auch den heimischen Handel treffe. 

Schafft "unnötigen bürokratischen Aufwand"

So unterstütze Spar das Ziel der Entwaldungsverordnung zwar "ausdrücklich", wie eine Sprecherin der Handelskette auf Anfrage von PULS 24 mitteilt. "Allerdings schafft die aktuelle Ausgestaltung mehrfach unnötigen bürokratischen Aufwand."

Die Verordnung beziehe sich schließlich nicht nur auf die Produzenten, sondern "auch auf die gesamte nachgelagerte Lieferkette bis hin zum Handel. Dieser muss jährlich Millionen Sorgfaltserklärungen in ein EU-Informationssystem hochladen – selbst für Produkte, die bereits auf Entwaldungsfreiheit geprüft wurden".

Als "entwaldungsfrei" gilt eine Fläche nur dann, wenn ab dem 31. Dezember 2020 keine Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Fläche gab. Besteht das Produkt selbst aus Holz, dürfen dafür keine ganzen Wälder beschädigt beziehungsweise abgeholzt worden sein.

Preise könnten steigen

Nach Kritik aus verschiedenen Mitgliedsstaaten, von Wirtschaftsvertretern und der Landwirtschaft wurde die Fristen für die Umsetzung der Verordnung ausgeweitet. Nun rücken sie allerdings näher: Ab dem 30. Dezember 2025 müssen große und mittlere Unternehmen die Vorgaben umsetzen, ab dem 20. Juni 2026 schließlich auch Kleinunternehmer:innen.

Der gesteigerte Aufwand könnte auch Einfluss auf die Preise der betroffenen Produkte haben. "Die Preisgestaltung hat eine Vielzahl an Einflussfaktoren, bürokratischer Aufwand kann einer davon sein", heißt es von der Handelskette Spar. 

Aber: "Deutlich größere Auswirkungen haben beispielsweise schlechte Ernten aufgrund des fortschreitenden Klimawandels, hohen Energiepreisen oder anderen externen Faktoren, wie es sich derzeit bei Orangen, Kakao oder Kaffee zeigt."

Nur vier Länder mit hohem Risiko

Die Handelskette spreche sich für "eine praxisnahe, unbürokratische Lösung aus, die sowohl den Schutzzweck der Verordnung als auch eine reibungslose Warenversorgung gewährleistet." Dass auch Österreich den Vorgaben der EUDR unterliegt, obwohl das Entwaldungsproblem vor allem in Südamerika bestehe, bedeute "vor allem für kleine und mittlere Unternehmen enormen Verwaltungsaufwand - ohne erkennbaren Mehrwert".

Bei den Herkunftsländern der Produkte wird zwischen Ländern mit hohem, normalem und geringem Risiko für nicht-entwaldungsfreie Produkte unterschieden. 

Allen EU-Staaten und somit auch Österreich wird ein geringes Risiko ausgewiesen, was weniger strenge Sorgfaltspflichten bedeutet. Länder mit hohem Risiko sind Belarus, Nordkorea, Myanmar und Russland.

Auch die österreichische Wirtschaftskammer kritisiert die Entwaldungsverordnung scharf. Die WKO stehe zwar hinter dem Ziel, die globale Entwaldung einzudämmen. Agrarrohstoffe müssten frei von Entwaldung oder Waldschädigung produziert werden. 

Allerdings: Die "umfangreichen und komplexen Sorgfaltspflichten stellen eine unverhältnismäßige bürokratische Belastung für Unternehmen dar", so die WKO. Die Entwaldungsverordnung in ihrer aktuellen Form belaste die heimische Industrie, inhaltliche Änderungen seien "unverzichtbar".

Umwelt-NGOs warnen indessen von einer Verwässerung der Verordnung. Es sei "wichtig, dass die Verordnung nicht mehr verwässert, sondern in der jetzigen Form implementiert wird", forderte Ursula Bittner von Greenpeace Österreich im Juli. "Die Wälder sind wichtige Verbündete im Kampf gegen die Klima- und Artenkrise".

Die EU sei einer der "größten Treiber für Entwaldung", und auch in der EU selbst verschlechtere sich der Zustand der Wälder: "Da muss man gar nicht bis Brasilien schauen."

Risikobewertungen "nicht optimal"

Gleichzeitig würden in der EU politische Kräfte wie die Europäische Volkspartei (EVP) und rechte Parteien gegen Verordnungen ankämpfen, die gegen die Klimakrise wichtig wären, wie die EUDR, sagt die Greenpeace-Wirtschaftsexpertin. Als "jüngstes Beispiel" nennt sie die Versuche von EU-Parlamentarier und ÖVP-Agrarsprecher Alexander Bernhuber, "das Benchmarking-System zu kippen". Dabei geht es um die Risikobewertung von Ländern, von hoch bis niedrig.

Die Benchmarking-Liste der EU-Kommission sei laut Bittner zwar nicht optimal. Sie würde sich "wünschen, dass Länder mit hohen Entwaldungsraten in höhere Risikoklassen" kämen. Brasilien und Indonesien, die für ihre massiven Abholzungen der Regenwälder immer wieder in der Kritik standen, sind in der mittleren Kategorie.

Dieser Meinung ist auch Matthias Schickhofer, Consultant der Umweltorganisation Fern. Aber: "Um das Benchmarking zu verändern, muss man die Verordnung nicht aufmachen".

Zusammenfassung
  • Ab dem 30. Dezember 2025 dürfen in der EU nur noch Produkte gehandelt werden, für deren Herstellung seit dem 31. Dezember 2020 keine Wälder in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt wurden.
  • Die Entwaldungsverordnung betrifft unter anderem Kakao, Kaffee, Soja, Rindfleisch, Palmöl, Kautschuk und Holzmöbel.
  • Unternehmen müssen künftig Sorgfaltserklärungen abgeben und die Koordinaten der Anbauflächen dokumentieren, um die Einhaltung der Vorgaben nachzuweisen.
  • Für große und mittlere Unternehmen gilt die Verordnung ab 30. Dezember 2025, für kleine Unternehmen ab 20. Juni 2026.
  • Die Einteilung der Herkunftsländer in Risiko-Kategorien sowie die bürokratischen Anforderungen sorgen für Kritik von Wirtschaftsvertretern und politischen Kontroversen, während Umwelt-NGOs eine konsequente Umsetzung fordern.