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Draghi will mehr Präsenzunterricht in italienischen Schulen

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Unter der Führung von Mario Draghi, der voraussichtlich bereits bis Ende dieser Woche eine neue Regierung in Rom auf die Beine stellen könnte, bahnt sich in Italien eine radikale Wende in Sachen Unterricht an. Während der zurückgetretene Premier Giuseppe Conte stark auf Ferndidaktik als Vorbeugungsmaßnahme gegen Coronavirus-Ansteckungen gesetzt hatte, urgiert Draghi eine Rückkehr zum Präsenzunterricht.

Im Gespräch mit den Parteien, mit denen er seit Montag eine zweite Konsultationsrunde führt, kritisierte der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank, dass seit Ausbruch der Pandemie in Italien zu viele Schultage verloren gegangen seien. Italien sei europaweit das Land, in dem die Schulen am längsten geschlossen blieben. So sprach sich Draghi für eine neue Planung des Schulkalenders aus. Die Sommerferien sollen heuer nicht wie üblich Mitte Juni beginnen, sondern erst im Juli. Außerdem sprach sich Draghi für die Anstellung von zusätzlichem Lehrerpersonal aus.

Das Thema Bildung liegt "Mr. Euro" besonders am Herzen. So hatte er in mehreren Ansprachen zuletzt die Frage des Schul- und Universitätssystems als Mittel zur sozialen Förderung junger Generationen betont, vor allem jener aus den stärker benachteiligten Regionen des Südens.

Das am stärksten von der Pandemie betroffene europäische Land hat im März die Schulen geschlossen, die erst im September mit drastischen Sicherheitsmaßnahmen wie Einzeltischen, Schichtbetrieb und Maskenpflicht wieder öffnen konnten. Nach Ausbruch der zweiten Infektionswelle stellten die ersten Regionen ihre höheren Schulen wieder auf Distance Learning um, während des Lockdowns vor Weihnachten folgten dann auch die Unterstufen-Schüler. Ihre Rückkehr in die Schulen Anfang Jänner blieb oft nur von kurzer Dauer - zum Ärger vieler Eltern, die auf zunehmende Schwierigkeiten stoßen, Beruf und Ferndidaktik ihrer Kinder unter einen Hut zu bringen.

Mit seinem Versprechen für mehr Präsenzdidaktik dürfte Draghi bei Papst Franziskus auf Konsens stoßen. Der Pontifex hatte am Montag vor einer "Bildungskatastrophe" gewarnt. Der Wechsel auf digitale Unterrichtsangebote habe eine "ausgeprägte Ungleichheit zwischen den pädagogischen und technologischen Möglichkeiten" ans Licht gebracht und viele Kinder und Jugendliche im Lockdown in der pädagogischen Entwicklung behindert, sagte das Kirchenoberhaupt. Weiter habe die Zunahme des Fernunterrichts zu einer größeren Abhängigkeit der Kinder und Jugendlichen vom Internet und generell von virtueller Kommunikation geführt. Dadurch seien die Heranwachsenden auch schutzloser und würden verstärkt kriminellen Online-Aktivitäten ausgesetzt, sagte der Papst.

Weitere Priorität für Italiens designierten Premier Draghi hat die Beschleunigung der Impfkampagne durch eine raschere Verteilung der Vakzine, aber auch durch deren Eigenproduktion im Land. So will Draghi nach Wegen suchen, damit Anti-Covid-Impfstoffe in italienischen Standorten hergestellt werden. Einsatz für Wirtschaftsaufschwung und neue Jobs sowie Verwendung der EU-Hilfsgelder sind weitere Prioritäten Draghis, der am Dienstag die zweite Konsultationsrunde mit den Parteien beendet.

Damit rückt die Entscheidung Draghis näher, ob er sich wirklich im Parlament als Ministerpräsident zur Wahl stellt. Geplant sind am Dienstag Gespräche unter anderem mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, der rechten Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und den Sozialdemokraten (PD). Der Ökonom hatte am vergangenen Mittwoch den Auftrag zur Bildung eines Kabinetts unter Vorbehalt angenommen. Das bisherige Mitte-Links-Bündnis von Ministerpräsident Giuseppe Conte war am 26. Jänner nach einem Koalitionsbruch zurückgetreten.

ribbon Zusammenfassung
  • Während der zurückgetretene Premier Giuseppe Conte stark auf Ferndidaktik als Vorbeugungsmaßnahme gegen Coronavirus-Ansteckungen gesetzt hatte, urgiert Draghi eine Rückkehr zum Präsenzunterricht.
  • Italien sei europaweit das Land, in dem die Schulen am längsten geschlossen blieben.
  • Damit rückt die Entscheidung Draghis näher, ob er sich wirklich im Parlament als Ministerpräsident zur Wahl stellt.

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