Menschenrechtsdebatte

"Sowas Blödes noch nie gehört": Doskozil zu Stocker-Sager

05. Juni 2025 · Lesedauer 3 min

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sorgte für Diskussionen, als er kürzlich eine Aufweichung der Menschenrechtskonvention im Migrationsbereich forderte. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) ortet darin ein "vollkommenes Durchbrechen der Gewaltentrennung".

Stocker hatte die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hinsichtlich Migrationsfragen kritisiert. Der EGMR legt u.a. die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) aus. 

In einigen Fälle hätten seine Auslegungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) die Fähigkeit eingeschränkt, "kriminelle Ausländer" auszuweisen, hieß es in einem offenen Brief, den auch Stocker unterzeichnete.

Sein Alleingang löste koalitionsintern Diskussionen aus. NEOS und SPÖ lehnten eine Änderung im völkerrechtlichen Vertrag, der in Österreich im Verfassungsrang steht, ab. Unterstützung unterhielt Stocker aber von Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser.

"Sowas Blödes habe ich überhaupt noch nicht gehört"

Die wohl heftigste Kritik kam jedoch am Donnerstag von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Rande einer Pressekonferenz. Dass Stocker die Spruchpraxis hinterfragen wolle, sei gleichzusetzen damit, wenn man mit den Auslegungen der Richter:innen am Verfassungsgerichtshof nicht einverstanden wäre. 

"Also sowas Blödes habe ich überhaupt noch nicht gehört. Ich kann mir doch als Vollzugsbeamter oder als Politiker nicht aussuchen, wie unabhängige Richter Gesetze auslegen", so Doskozil. Es sei eine "Frechheit", was Stocker dem EGMR hier vorwerfe.

Der Sozialdemokrat ging noch einen Schritt weiter: "Das ist ja in Wirklichkeit ja noch ärger als in Ungarn, wenn man von Rechtsstaatlichkeit spricht." Es sei "ein vollkommenes Durchbrechen der Gewaltentrennung am Ende des Tages und das ist vollkommen unangebracht".

"Übermorgen ist es die Pressefreiheit"

Doskozil betonte, dass es in der EMRK nicht nur um Migration und damit verbunden um Abschiebungen gehe, sondern dort auch Rechte wie die Religions-, Presse- oder Meinungsfreiheit enthalten seien.

"Natürlich" könne man "Verfassungen immer wieder hinterfragen" im Sinne der Weiterentwicklung als Gesellschaft, "aber es sind sehr, sehr sensible Themen und die kann man nicht salopp über den Kamm brechen." Denn sonst sei es "heute jenes" und "übermorgen ist es die Pressefreiheit beispielsweise", die diskutiert werde. 

ÖVP hat Abschiebungen "nicht geschafft"

In der Debatte rund um die Menschenrechtskonvention sieht Doskozil zudem eine Ablenkung vom Hauptproblem, "dass wir die Gesetze, die wir selber beschlossen haben, nicht vollziehen können". Selbst in rechtlich eindeutigen Fällen würden Menschen kaum in ihre Heimatstaaten abgeschoben werden.

Die Schuld daran sieht er bei der ÖPV, die mit kurzen Unterbrechungen seit über 20 Jahren das Innenministerium besetzt. "Und wer hat die Abschiebungen nicht geschafft? Die ÖVP", so Doskozil.

Die EMRK-Diskussion "zu strapazieren in einer Frage, wo in der Bundesregierung Hilflosigkeit besteht, in einer Frage, wo man ablenken will, da finde ich es nicht angebracht", schloss er.

Zusammenfassung
  • Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sorgte für Diskussionen, als er kürzlich eine Aufweichung der Menschenrechtskonvention im Migrationsbereich forderte.
  • Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) ortet darin ein "vollkommenes Durchbrechen der Gewaltentrennung".