Chilenen lehnen neue Verfassung mit großer Mehrheit ab

In Chile ist der Plan für eine neue Verfassung klar gescheitert. In einer Volksabstimmung sprach sich eine große Mehrheit von 61,9 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung dagegen aus. Dies teilte die nationale Wahlbehörde nach Auszählung nahezu aller Stimmen am Montag in der Hauptstadt Santiago de Chile mit. Nur 38,1 Prozent stimmten dafür.

Damit behält das südamerikanische Land seine aktuelle Verfassung, die noch aus der Zeit der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet (1973-1990) stammt.

Umfragen hatten bereits darauf hingedeutet, dass der Entwurf abgelehnt werden könnte. Der klare Ausgang überraschte dann aber doch viele. An dem Referendum am Sonntag beteiligten sich mehr als 13 Millionen der insgesamt rund 15 Millionen wahlberechtigten Chilenen. Es galt Wahlpflicht. Das Scheitern bedeutet auch für den neuen Präsidenten Gabriel Boric eine schwere Niederlage.

Chilenische Präsident erkennt Niederlage an

Boric erkannte die Niederlage gleich an. "Das chilenische Volk war mit dem vom Verfassungskonvent vorgelegten Entwurf nicht zufrieden und hat daher beschlossen, ihn an den Urnen klar abzulehnen", sagte er in einer Ansprache aus dem Präsidentenpalast. Im Lager der Befürworter war die Enttäuschung groß. Auf der Plaza Italia in der Hauptstadt - 2019 das Zentrum einer sozialen Revolte - herrschte Trauerstimmung.

Weiterer Verlauf unklar

Wie es nun weitergeht, ob etwa ein komplett neuer Verfassungstext ausgearbeitet werden soll oder die erste Version überarbeitet wird, ist noch unklar. Auf jeden Fall hatte Boric vorgebaut und bereits alle politischen Parteien eingeladen, um am Montag die Weiterführung des verfassungsgebenden Prozesses zu analysieren, wie die chilenische Zeitung "La Tercera" berichtete.

Das neue Grundgesetz hätte das südamerikanische Land grundlegend verändert. Unter anderem sollte das Recht auf Wohnraum, Gesundheit und Bildung garantiert werden. Außerdem sollten künftig alle Staatsorgane zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Zum ersten Mal wäre in dem Land mit seinen rund 19 Millionen Einwohnern das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Gemeinschaften anerkannt worden. Der aktuelle Text stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet (1973 bis 1990).

Große Hoffnung in neue Verfassung gesetzt

An dem Entwurf hatte eine Verfassungsgebende Versammlung ein Jahr lang gearbeitet. Sie hätte das Land grundlegend verändert. Die nun durchgefallene Verfassung sollte ein Recht auf Wohnraum, Gesundheit und Bildung garantieren. Zudem sollten künftig alle Staatsorgane zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Zum ersten Mal wäre in dem 19-Millionen-Einwohner-Land das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Gemeinschaften anerkannt worden.

Für die Regierung von Präsident Boric ist die Ablehnung ein schwerer Schlag. Der ehemalige Studentenführer, der im Dezember mit erst 35 Jahren zum Staatschef gewählt wurde, hatte sich eine neue Verfassung auf die Fahne geschrieben. Er versprach ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitswesen nach dem Vorbild des europäischen Sozialstaats.

2020: Mehrheit für die Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes

Ein neues Grundgesetz war auch eine der von Boric unterstützten Hauptforderungen der Demonstranten, die Ende 2019 massenweise auf die Straße gegangen waren. Vor zwei Jahren stimmten fast 80 Prozent für die Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes.

Die Unterstützung für die Verfassungsgebende Versammlung nahm über die Monate allerdings ab. Unter anderem der Skandal um eine erfundene Krebserkrankung eines prominenten Delegierten trug dazu bei, dass das Vertrauen in den Verfassungskonvent schwand. Vielen in der konservativen chilenischen Gesellschaft ging dessen Entwurf für eine progressive, soziale und ökologische Verfassung vielleicht auch einfach zu weit.

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  • Unter anderem sollte das Recht auf Wohnraum, Gesundheit und Bildung garantiert werden.