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BVwG-Präsident trotz Pensionsantritt noch ohne Nachfolger

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Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hatte am Jahresende 2019 vor allem infolge der Flüchtlingswelle 2015/16 rund 40.000 offene Fälle. "Wir waren deutlich über unser Kapazität - um das 1,5-fache bis doppelte", so der scheidende BVwG-Präsident Harald Perl vor Journalisten. Mittlerweile seien aber 90 Prozent dieser Rückstände abgebaut. "Bedauerlich" findet er, dass seine Nachfolge trotz seines Pensionsantritts am 1. Dezember noch immer nicht geklärt ist.

Perl steht seit seiner Gründung im Jahr 2014 an der Spitze des mit rund 220 Richter ausgestatteten BVwG. Das Gericht ist die Beschwerdeinstanz in Angelegenheiten der unmittelbaren Bundesverwaltung (ausgenommen Finanzrecht) und entscheidet etwa über Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Bereich Fremdenwesen und Asyl, Dienst- und Disziplinarrecht der öffentlich Bediensteten im Bundesbereich, öffentliche Vergaben des Bundes oder Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Nach wie vor nicht entschieden ist die Nachfolge Perls: Auf eine Ausschreibung hatten sich zwölf Personen beworben - zuletzt wurde aber erst über die Zusammensetzung der Besetzungskommission entschieden, die der Regierung einen Dreiervorschlag vorlegen muss. Spannend ist die Nachbesetzung auch angesichts des im Jänner bekannt gewordenen "Sideletters" der türkis-grünen Bundesregierung für Postenbesetzungen. Demnach hätte nämlich die ÖVP das Nominierungsrecht.

Den Sideletter habe er "mit Schulterzucken" zur Kenntnis genommen, meinte Perl. "Ich sehe dessen Bedeutung maximal im sekundär-subsidiären Bereich." Er glaube nicht, dass die noch ungeklärte Nachbesetzung mit dem Sideletter zu tun habe. Das Verfahren mit der Einrichtung einer siebenköpfigen Besetzungskommission sei sehr umfangreich. "Die Erfahrung für mich ist vielmehr, dass man künftig früher ausschreiben sollte." Er hätte sich eine direkte Amtsübergabe gewünscht.

In der Kommission sitzen laut Gesetz die Präsidenten von Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof und Oberstem Gerichtshof (oder von diesen selbst ernannte Vertreter), dazu kommen zwei Jus-Professoren (u.a. Ex-Verwaltungsgerichtshofspräsident Clemens Jabloner) und zwei Ministerienvertreter, darunter der Leiter des Verfassungsdienstes. Diese Zusammensetzung sei ein "Garant, dass deren Entscheidung von der Regierung übernommen wird", glaubt Perl.

Nicht näher eingehen wollte Perl auf die anstehende Entscheidung über die vom ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss beantragte Beugestrafe gegen Thomas Schmid. Diese habe der zuständige Senat zu prüfen. Zwar versuche man, so zügig wie möglich zu entscheiden. "Die vorgegebene Vier-Wochen-Frist ist für das, was wir zu klären haben bzw. auch für das, was wir als Sachverhalt zu erheben haben, eine sehr enge."

Ganz generell sieht Perl mittlerweile eine immer komplexere Struktur der Verfahren. "Es ist unser aller Ziel, Verfahren effizient und zügig abwickeln zu können. Es muss aber die Möglichkeit bestehen, dass sowohl Beschwerdeführer Argumente vorbringen können als auch die Behörde." Rechtsschutz brauche eben Zeit und Ressourcen. Die oft geforderte zügige Abwicklung von Verfahren dürfe nicht dazu führen, dass Argumente nicht berücksichtigt werden können, meinte er etwa in Richtung Umweltverträglichkeitsprüfungen. "Hinter dem Ruf nach schnelleren Verfahren stecken - fürchte ich - oft Partikularinteressen."

Angestiegen ist in den vergangenen Jahren die Behebungsquote bei asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren. Mittlerweile hebe das BVwG fast die Hälfte der beeinspruchten Entscheidungen auf, so Perl. Das liege unter anderem daran, dass sich im Lauf des Verfahrens die Situation im Herkunftsland ändern könne. Gleichzeitig enthielten die Entscheidungen zahlreiche Punkte - etwa von der Asylentscheidung an sich über die Gewährung von subsidiärem Schutz bis zur Rückkehrentscheidung. Über je mehr Punkte zu entscheiden gewesen sei, desto höher sei auch die Chance auf eine Aufhebung in einem Punkt.

Die zahlreichen Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) kommen für Perl nicht überraschend. Menschen, die Asylanträge stellen, hätten oft lange Fluchtgeschichten hinter sich und lange Wege zurückgelegt. "Es ist nicht überraschend, dass sie bei einer abschlägigen Entscheidung eine Beschwerde einbringen."

Perl studierte Jus und begann seine Laufbahn im Verteidigungsministerium. Später war er in den Kabinetten der Kanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima (beide SPÖ) tätig. 1998 wurde er Vorsitzender des Unabhängigen Bundesasylsenats und zehn Jahre später Präsident des Asylgerichtshofs, der später im BVwG aufging.

ribbon Zusammenfassung
  • "Wir waren deutlich über unser Kapazität - um das 1,5-fache bis doppelte", so der scheidende BVwG-Präsident Harald Perl vor Journalisten.
  • "Bedauerlich" findet er, dass seine Nachfolge trotz seines Pensionsantritts am 1. Dezember noch immer nicht geklärt ist.
  • Ganz generell sieht Perl mittlerweile eine immer komplexere Struktur der Verfahren.
  • Mittlerweile hebe das BVwG fast die Hälfte der beeinspruchten Entscheidungen auf, so Perl.

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