18 Monate Haft
Propaganda für IS verbreitet: 19-Jähriger in Wien verurteilt
Von der mitangeklagten nationalsozialistischen Wiederbetätigung sprachen die Geschworenen den 19-Jährigen einstimmig frei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der junge Mann erbat Bedenkzeit. Der Staatsanwalt war mit der Entscheidung einverstanden.
Der Angeklagte hatte die ihm vorgeworfenen Tathandlungen eingeräumt, sich dessen ungeachtet aber als "unschuldig" bezeichnet.
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Er verbreitete ab Oktober 2024 zunächst über sein Instagram-Profil und über WhatsApp mehrere Video-Clips und Fotos, mit denen er eine Nähe zum IS deutlich machte, indem er mit der sogenannten Tauhid-Finger-Geste posierte.
Der erhobene rechte Zeigefinger ist bekanntermaßen von salafistischen bzw. islamistischen Gruppierungen vereinnahmt worden und dient ihnen als Erkennungsmerkmal.
Unterlegt hatte der 19-Jährige seine Beiträge mit Nasheeds (Sprechgesängen, Anm.), die den Jihad verherrlichten und ursprünglich von der IS-Medienstelle stammten.
"Wollte sich als Kämpfer des IS darstellen"
"Er wollte sich als Kämpfer des IS darstellen, bewusst mit aufpeitschenden Nasheeds", sagte der Staatsanwalt. Es handle sich um "kein Bagatelldelikt, sondern ernst zu nehmende Straftaten". Derartige Propaganda diene der Anwerbung und Rekrutierung neuer IS-Mitglieder.
Der Angeklagte und sein Verteidiger Martin Fürthaler versicherten, darum sei es nicht gegangen. Der Vorsatz des 19-Jährigen sei nicht darauf ausgelegt gewesen, sich terroristisch zu betätigen und die Ziele des IS zu verfolgen.
Er sei im Vorjahr zunächst krankheitsbedingt vom Bundesheer entlassen worden, wo er seinen Präsenzdienst abgeleistet hätte. Dann habe auch noch seine Freundin mit ihm Schluss gemacht, berichtete der junge Mann einem Schwurgericht: "Da bin ich abgerutscht."
Seinen Angaben zufolge hing er "in dieser Phase" regelmäßig mit zehn bis 15 Personen an einem Bahnhof einer größeren niederösterreichischen Gemeinde ab. Von seinen neuen Freunden seien "99 Prozent Moslems" gewesen.
Er habe "dazugehören" wollen, sei daher konvertiert und habe das verfahrensgegenständliche Bildmaterial erstellt. "Ich hätt' nie in meinem Leben gedacht, dass die Sache dazu führt, wo ich jetzt bin."
Ihm sei es vielmehr darum gegangen, "meinen inneren Frieden zu finden" und seiner Ex-Freundin "die Veränderung zu zeigen". "Dann hätten Sie sich die Haare wachsen lassen", bemerkte daraufhin der vorsitzende Richter.
Verteidiger schob Schuld auf falsche Freunde und Handy
"Er hat blonde Haare. Sommersprossen. Er ist römisch-katholisch. Er war letztes Weihnachten in der Kirche. Er hat ein tätowiertes Kreuz hinter dem linken Ohr", betonte Verteidiger Fürthaler das Äußere seines Mandanten und dessen Glaubensbekenntnis.
Dieser sei wegen falscher Freunde und "viel Zeit und einem Handy" in Richtung einer gewissen Auslegung des Islam abgedriftet.
Ab Mitte Jänner 2025 hatte der Angeklagte offenbar genug vom IS. Nun verbreitete er Nachrichten und Bilddateien, die aus Sicht des Staatsanwalts den Tatbestand der nationalsozialistischen Wiederbetätigung erfüllten.
Der 19-Jährige hätte Hitler und dessen Werk "Mein Kampf" verherrlicht und Bildmontagen weitergeleitet, die beispielsweise Hitler mit entblößtem Oberkörper und der Anmerkung "verFÜHRERisch" zeigten, hielt der Ankläger fest.
Die Geschworenen sahen das anders und sprachen den Angeklagten in diesem Punkt frei. Welche Erwägungen dazu führten, blieb unklar - der Wahrspruch der Geschworenen wird nur verkündet und bedarf laut Strafprozessordnung (StPO) keiner näheren Begründung.
Bei einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren kam der terroristischen Vereinigung für schuldig Befundene vergleichsweise milde davon.
Obendrein bekam der Grundwehrdiener, der offenbar wieder genesen ist und seit März seinen restlichen Präsenzdienst ableistet, die über ihn verhängten 18 Monate zur Gänze auf Bewährung nachgesehen. Ausschlaggebend dafür war seine bisherige Unbescholtenheit, wie in der Urteilsbegründung betont wurde.
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Zusammenfassung
- Ein 19-jähriger Präsenzdiener wurde in Wien wegen der Verbreitung von IS-Propaganda auf Instagram, Snapchat und WhatsApp zu 18 Monaten Haft verurteilt, die ihm bei dreijähriger Probezeit zur Gänze bedingt nachgesehen wurden.
- Der Angeklagte verbreitete ab Oktober 2024 mehrere Videos und Fotos mit IS-Bezug, posierte mit der Tauhid-Geste und unterlegte die Beiträge mit Jihad-verherrlichenden Nasheeds.
- Von der Anklage der nationalsozialistischen Wiederbetätigung, die sich auf Inhalte ab Jänner 2025 bezog, wurde der 19-Jährige von den Geschworenen einstimmig freigesprochen.