Jan Marsalek WirecardAPA/dpa/Kay Nietfeld

Aufdecker Grozev

Spionage: Marsaleks Agenten verwanzten Karl Habsburg

04. Juli 2025 · Lesedauer 4 min

Der Spionage-Skandal um Ex-Wirecard-Vorstand und mutmaßlichen russischen Agenten Jan Marsalek nimmt eine neue Wendung: Auch Karl Habsburg, Enkel des letzten Kaisers und prominenter EU-Politiker, soll ins Visier eines russischen Spionagerings geraten sein. Das enthüllt der bulgarische Investigativjournalist Christo Grozev.

Der bulgarische Investigativjournalist Christo Grozev geriet durch seine Recherchen zu russischen Attentaten ins Visier des Kremls.

Nachdem er von einem Agentenring rund um den Ex-Wirecard-Vorstand und mutmaßlichen russischen Spions Jan Marsalek monatelang beobachtet wurde, verließ Grozev 2023 aus Sicherheitsgründen seine Wahlheimat Wien.

Wie Grozev im Newsletter des Onlinemedienprojekts "Jetzt" berichtet, wusste er damals noch nicht, dass auch sein enger Freund Karl Habsburg – Enkel des letzten Kaisers von Österreich – ins Visier des Agentennetzwerks geraten war. 

Versteckte Wanze im Wagen von Karl Habsburg

Dies würden Chatnachrichten Marsalek und dem bulgarischen Verbindungsmann Orlin Roussev andeuten, die von britischen Behörden ausgewertet wurden.

Außerdem sei im Auto von Habsburg ein Abhörgerät gefunden worden, das "mit hoher Wahrscheinlichkeit" von jenem Agentennetzwerk angebracht worden sei, das auch Grozev ausspionierte. 

Christo Grozev wurde selbst ein Ziel des russischen KremlsAPA/APA/AFP/JULIEN DE ROSA

Christo Grozev wurde selbst Ziel des russischen Kremls

Demnach habe Habsburg im November 2021 seinen Mercedes-Sportwagen wegen einer kleinen Reparatur in die Werkstatt gebracht.

Der Mechaniker sei dabei auf ein seltsames Gerät gestoßen: ein fingerkuppengroßes Kästchen mit herausstehendem Kabel – eindeutig keine Komponente des Fahrzeugs.

"Er erkannte schnell, dass es sich um eine Spionage-Wanze handelte", so Grozev. Habsburg habe ihn daraufhin informiert, doch zu diesem Zeitpunkt ahnten beide nicht, wie brisant der Fund war.

Die Spur führt zu Marsalek

Erst im März 2025 habe Grozev erstmals Chatverläufe des Spionagenetzwerks gesehen, die von britischen Ermittlern gesichert worden waren. Darin sollen Marsalek und sein mutmaßlicher Mittelsmann Orlin Roussev konkret einen Plan beschrieben haben, ein Fahrzeug zu verwanzen.

Am 12. September 2021 habe Roussev an Marsalek geschrieben: "Aber wir sind bereit und warten… und werden einen Weg finden, eines der Autos zu 'verwanzen'…"

In späteren Nachrichten soll Roussev eine Adresse genannt haben, bei der es sich um die Straße von Grozevs damaliger Wiener Wohnung gehandelt habe. Genau dort soll Karl Habsburg regelmäßig seinen Wagen geparkt haben, berichtet Grozev.

"Wann und wie genau die Wanze in Karls Mercedes installiert wurde, wissen wir nicht", so der Investigativjournalist im "Jetzt"-Newsletter.

Der Zeitpunkt der Nachricht lasse jedoch vermuten, "dass das Abhörgerät rund eineinhalb Monate im Auto gewesen sein muss, bevor es bei der Reparatur entdeckt wurde".

Karl HabsburgAPA/MATTHIAS DOLENC

Karl Habsburg dürfte nach Recherchen des Investigativjournalisten Christo Grozev von einem Spionagering im Auftrag Russlands ausspioniert worden sein.

Ob die Wanze versehentlich in Habsburgs Auto installiert wurde oder ob er gezielt überwacht werden sollte, ist unklar. Grozev betont: "Karl hatte allerdings zu keinem Zeitpunkt etwas mit meinen Russland-Recherchen zu tun."

Habsburg informierte nach der Entdeckung die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), die nun ermittelt.

Mordpläne gegen Grozev

Grozev selbst stand laut Ermittlungen bereits seit Dezember 2020 im Fokus des Netzwerks. Marsalek hatte Roussev damals beauftragt, Informationen über ihn zu sammeln.

Dieser stellte laut Grozev ein Überwachungsteam aus sechs bulgarischen Staatsbürger:innen zusammen – ohne Geheimdiensterfahrung, aber mit EU-Pässen.

Unter ihnen: ein Rettungsfahrer, eine Kosmetikerin, ein MMA-Kämpfer.

Wie der Journalist im "Jetzt"-Newsletter berichtet, observierte ihn das Team aus einem Airbnb gegenüber seiner Wohnung. Zudem sollen sie sich vertrauliche Flugdaten über Mittelsmänner besorgt und ihn quer durch Europa verfolgt haben.

"In ihren Chats schmiedeten sie konkrete Mordpläne – von einer Blausäurevergiftung bis hin zur Beauftragung eines IS-Attentäters, der sich direkt neben mir in die Luft sprengen sollte", so Grozev im Newsletter von "Jetzt". 

Für den Investigativjournalisten besonders erschütternd: Der Einbruch in Grozevs Wohnung, während sein Sohn im Nebenzimmer schlief.

Ein Spionagenetz zerbricht

Trotz ihrer Gefährlichkeit scheiterte die Operation. Im Mai 2025 wurden alle sechs Mitglieder des Rings in London verurteilt.

Marsalek selbst bleibt weiterhin auf freiem Fuß und soll sich nach Grozevs Informationen in Moskau aufhalten, unter dem Schutz des russischen Geheimdiensts FSB.

"Auch, wenn die Episode rund um die Wanze in Karls Auto letztlich nur ein Nebenschauplatz in der gesamten Spionageaktivität ist - sie ist doch ein eindrückliches Beispiel dafür, wie weit russische Geheimdienste gehen", so der Investigativjournalist.

Weitere Enthüllungsgeschichten für "Jetzt" geplant

Grozev ist mittlerweile auch für das im Aufbau befindliche Onlinemedium "Jetzt" tätig. Dort will er investigative Geschichten mit Österreichbezug beisteuern, sollten sich in den nächsten zwei Tagen noch genügend zahlungsbereite Mitglieder für das Medienprojekt finden. 

Bis 6. Juli ist "Jetzt" auf der Suche nach insgesamt 5.000 Mitgliedern, wobei unabhängiger Journalismus in Text- und Audioform versprochen wird. Freitagmittag hielt die Kampagne bei rund 4.800 Mitgliedern.

Video: Wanted: Milliardenbetrüger Jan Marsalek

Zusammenfassung
  • Der Spionage-Skandal um Ex-Wirecard-Vorstand und mutmaßlichen russischen Agenten Jan Marsalek nimmt eine neue Wendung.
  • Auch Karl Habsburg, Enkel des letzten Kaisers und prominenter EU-Politiker, soll ins Visier eines russischen Spionagerings geraten sein.
  • Die Agenten sollen den Sportwagen von Habsburg verwanzt haben.
  • Das enthüllt der bulgarische Investigativjournalist Christo Grozev.