80 Jahre UNO - "Weltlage gibt keinen Anlass zum Feiern"
"Nach Jahren des Krieges, der Zerstörung und des unvorstellbaren Leids markierte der 26. Juni 1945 den Beginn einer neuen, auf internationalem Recht und Zusammenarbeit basierenden Weltordnung", erklärte Meinl-Reisinger in einem Video, das auf der Website des Außenministeriums veröffentlicht wurde. Aufgrund von geopolitischem Wettbewerb, globalen Verwerfungen und weltweiten Herausforderungen stehe die UNO heute unter enormem Druck. "In Zeiten wie diesen sollte die UN-Satzung mehr denn je ein Leuchtturm der Hoffnung für uns sein." Österreich als eines von vier UNO-Sitzen sei bereit, seinen Teil beizutragen und Verantwortung für die gemeinsame Sicherheit zu übernehmen, verwies die Außenministerin insbesondere auf die österreichische Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat 2027/2028.
Aktuell sei der politische Wille zu Kooperation und Verhandlungen sehr gering, bedauerten die beiden Vorsitzenden des in Wien ansässigen "Ban Ki-moon Centre for Global Citizens", Ban und Fischer. Ein Umdenken sei gefragt, erklärten die beiden. Schließlich würden die aktuellen Krisenherde überdecken, dass die Welt auch vor Herausforderungen wie dem Klimawandel stehe und beispielsweise den UNO-Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals/SDG) wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Die aktuellen Krisen müssten die Entscheidungsträger daher dazu animieren, wie in früheren Zeiten zu einer Philosophie zurückzukehren, deren Ziel es sei, Agreements zu erreichen und den Frieden zu fördern. Daher seien zuerst einmal die Kriege in der Ukraine und in Nahost sowie der Konflikt mit dem Iran auf den Verhandlungstischen zu beenden, forderte etwa Fischer.
In Bezug auf Nahost verurteilte der Altbundespräsident explizit die grausamen Verbrechen der Hamas am 7. Oktober 2023. Die Antwort auf diese schrecklichen Terrorakte dürfe aber nicht der aktuelle Krieg gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen sein. Wenn man sehe, welche Betroffenheit jüngst der Anschlag auf eine Grazer Schule ausgelöst habe, bei dem ein Amokläufer zehn Personen getötet hatte, könne man erahnen, welches Leid den Menschen im Gazastreifen widerfahre. Dort seien solche Todeszahlen - auch mit Frauen und Kindern - auf der Tagesordnung.
Ganz allgemein sei der Einfluss der Vereinten Nationen schon stärker gewesen, bedauert Ban Ki-moon. Das sei aber auch daran gelegen, dass führende Leader vor einigen Jahren - wie etwa US-Präsident Barrack Obama während des Großteils seiner Amtszeit - noch ein ganz anderes Amtsverständnis an den Tag gelegt hätten. Dass die UNO ihrem Scheitern entgegensteuere, wollten Ban und Fischer aber im Gespräch mit österreichischen Medien nicht gelten lassen. Sie teilten vielmehr eine Erkenntnis: "Wenn die UN aufgelöst werden, müssen wir morgen genau so eine Organisation wieder neu gründen". Daher sei es besser, die aktuellen Strukturen zu verbessern.
Reformvorhaben in der UNO zum Scheitern verurteilt
Ein Problem sei natürlich, dass Reformvorhaben innerhalb der UNO praktisch zum Scheitern verurteilt seien. So werde seit Jahren über eine Neugestaltung und Umstrukturierung des Sicherheitsrats diskutiert, ohne dass es Resultate gebe. Der Sicherheitsrat mit den ständigen Mitgliedern China, Frankreich, Großbritannien, Russland sowie den Vereinigten Staaten spiegle immer noch die Weltordnung unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wider, erinnerte Fischer.
Die globale Lage habe sich aber geändert. "Es sollte am besten die Afrikanische Union als Ganzes Mitglied werden", so das frühere Staatsoberhaupt. Damit würde dem Globalen Süden das ihm zustehende Gewicht gegeben. Ähnliches gelte auch für Lateinamerika. Der Subkontinent müsste eigentlich auch in dem Gremium vertreten sein. Zudem habe Indien sich zu einem Faktor entwickelt, der zu beachten sei. Und dass etwa Deutschland darauf verweise, punkto Bevölkerung sowie wirtschaftlichem und politischem Einfluss nicht hinter Frankreich oder Großbritannien zurückzustehen, sei auch verständlich.
"Vetorecht nicht mehr zeitgemäß"
Weiters müsse auch das Vetorecht der Mitglieder überdacht werden, forderten Fischer und Ban, wobei Letzterer implizit daran erinnerte, dass etwa Frankreich oder Großbritannien davon ohnehin keinen Gebrauch machen würden. Und auch China eher selten. Doch seien aktuell sowohl in den USA als auch in Russland mit Donald Trump und Wladimir Putin Präsidenten an der Macht, die davon sicher nicht abrücken werden. "Wieso sollte ein Mann wie Trump sagen: 'Ja, das ist fair. Wir brauchen kein Vetorecht. Wir sind ein Land wie jedes andere auch.' Das ist unrealistisch."
Heinz Fischer nannte in seiner Funktion als einer der Sonderemissäre zur Bewerbung der österreichischen UNO-Sicherheitsratskandidatur für die Periode 2027/28 auch Argumente für einen Sitz als vorübergehendes "nichtständiges" Mitglied in zwei Jahren: Österreich sei "ein neutrales Land, das gute Beziehungen zu Osteuropa hat", in der Europäischen Union integriert sei, aber auch Kontakte außerhalb Europas pflege.
"Österreich wird als fairer Vermittler wahrgenommen"
Österreich werde als fairer Vermittler wahrgenommen, der andere Länder nicht als Feinde oder Geächtete betrachte. "Die Zahl der Staaten auf der Welt, die dies von sich behaupten können, ist sehr, sehr gering." Daher habe Österreich die besten Voraussetzungen als "konstruktives und faires Mitglied im UNO-Sicherheitsrat zu agieren."
Zusammenfassung
- Die Vereinten Nationen begehen im Oktober ihr 80-jähriges Gründungsjubiläum, doch führende Persönlichkeiten wie Ban Ki-moon (81) und Heinz Fischer (86) sehen angesichts von Kriegen und globalen Krisen keinen Anlass zum Feiern.
- Außenministerin Beate Meinl-Reisinger betonte die Rolle Österreichs als einer von vier UNO-Sitzen und verwies auf die Kandidatur für den Sicherheitsrat 2027/28.
- Fischer und Ban kritisieren die mangelnde Reformfähigkeit der UNO, insbesondere beim Sicherheitsrat, dessen Zusammensetzung und Vetorecht als überholt gelten.
- Die aktuellen Konflikte in der Ukraine, im Nahen Osten und mit dem Iran müssten laut Fischer dringend diplomatisch gelöst werden, wobei er die Hamas-Verbrechen verurteilte, aber auch vor Kollektivbestrafung in Gaza warnte.
- Österreich sieht sich als neutrales Land und fairer Vermittler mit guten Beziehungen zu Osteuropa und Kandidat für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat.