Turrinis Schubert-Stück feierte in Perchtoldsdorf Premiere
Kein Schwammerl-Kitsch, kein Dreimäderlhaus-Schmalz, sondern intensive, atmosphärisch konzentrierte Melancholie, die an Fritz Lehners Film "Mit meinen heißen Tränen" (1986) mit Udo Samel erinnert, dazu mit Clara Frühstück und Oliver Welter zwei wunderbare Schubert-Spezialisten, die schon mit der "Winterreise" im Akademietheater Furore machten. Der 57-jährige deutsche Schauspieler Stephan Bieker brilliert als knapp 30-jähriger Schubert: Mit unsäglicher Traurigkeit im Blick, die mit jungenhaftem Lächeln kontrastiert, strahlt er verzweifelte Hilflosigkeit aus und weckt alle Sympathien.
Mit der Damenwelt hat er ein Problem, denn als Musiker ist er schon angesehen, als Mann aber unattraktiv und unbeholfen, auch wenn ihn Freund Kupelwieser (Andrei Viorel Tacu) noch so coacht. Da schnappt ihm der Librettist Tassié (Felix Oitzinger) die liebreizende Josepha (Lenya Gramß) weg, und am Ende führt ihn der frühzeitige Tod in der blauen Kutsche von der Bühne des Lebens. Das mag nach pathetischem Klischee klingen und ist doch so weit davon entfernt.
Kubelka hat den Boden vor der Burg Perchtoldsdorf in Schwarztönen gestaltet, manchmal raucht es aus glosenden Stämmen. Die Assoziation zu "verbrannter Erde" drängt sich auf, eine zerstörte, verstörte Welt symbolisierend, der die Kunst ein "Trotzdem" abzuringen versucht. Denn, so Turrini: "Die Wirklichkeit ist immer eine verpatzte Angelegenheit. Deshalb gibt's doch die Kunst."
"Ich glaube, dass Schubert schon zu Lebzeiten von seinen Anhängern idealisiert und als Mensch nicht wirklich wahrgenommen wurde. Man dachte schon früh an seine Verwertbarkeit, die ja nach seinem Tode teilweise im Kitsch landete", wird Turrini im Programmheft zitiert. Dieser Versuchung ist er jedenfalls nicht erlegen.
"Schubert, für immer und ewig" ist das 55. Stück des 80-jährigen Schriftstellers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht bei der Uraufführung zugegen war, und das dritte, das er Kubelka anvertraut hat. Der Zusammenarbeit ist nun ein weiterer offensichtlicher Bühnenerfolg erwachsen: ganz sicher ein Highlight beim diesjährigen Theaterfest Niederösterreich.
(Von Ewald Baringer/APA)
(S E R V I C E - Sommerspiele Perchtoldsdorf: Peter Turrini, "Schubert, für immer und ewig". Regie: Alexander Paul Kubelka, mit Stephan Bieker, Lenya Gramß, Andrei Viorel Tacu, Felix Oitzinger, Lisa Schrammel, Fanny Holzer, Clara Frühstück, Oliver Welter. Weitere Aufführungen bis 26. Juli, Tickets und Information: www.sommerspiele-perchtoldsdorf.at)
Zusammenfassung
- Das Stück "Schubert, für immer und ewig" von Peter Turrini feierte am Freitagabend bei den Sommerspielen Perchtoldsdorf unter der Regie von Alexander Paul Kubelka eine erfolgreiche Uraufführung.
- Der 57-jährige Stephan Bieker überzeugte als junger Franz Schubert in einer Inszenierung, die auf Kitsch verzichtet und stattdessen eine dichte, melancholische Atmosphäre bietet.
- Peter Turrini, 80 Jahre alt und Autor von 55 Theaterstücken, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein; weitere Aufführungen laufen bis 26. Juli.