Tobias Pils als "krönender Abschluss" von Kraus im mumok
"Er zählt zu den spannendsten Positionen der Gegenwart. Sein Werk ist von einer tiefen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Malerei geprägt und sucht zugleich die Auseinandersetzung mit der Gegenwart", sagte Kraus am Donnerstag bei der Presseführung. Auf zwei Ebenen wird in labyrinthischer Besucherführung eine Rückschau auf die vergangenen zehn Jahre seines Schaffens ausgebreitet, "die vom Künstler auch als eine Vorschau verstanden wird", wie Kuratorin Manuela Ammer erklärte. Zum Titel meinte sie: "Das Shh ist kein Wort, das sich im Duden findet, sondern ein lautmalerischer Ausruf. Shh hat mit Kommunikation zu tun, mit dem Körper und Atmosphäre - alles, was auch in seiner Arbeit wichtig ist."
"Fast könnte man meinen, dass es sich um drei verschiedene Ausstellungen handelt", meinte Ammer. Tatsächlich ist es schwer, einen Roten Faden in diesem Werk zu finden, in dem Kraus Bewegungen "von der Abstraktion zur Gegenständlichkeit, vom Schwarz-Weiß zur Farbigkeit", wahrzunehmen glaubt. Empfangen wird der Besucher jedenfalls von einer Projektion von Zeichnungen auf den das Foyer querenden weißen Zobernig-Kubus, der u.a. mit einem Sternenhimmel versehen wird. Bäume und Tiere, an den Tod erinnernde Gestalten und verschlungene Liebespaare sind Motive, mit denen man in der Folge konfrontiert wird.
Am Besten beginnt man den Rundgang ganz unten, auf der Ausstellungsebene "minus zwei". Dort wird man daran erinnert, wie Tobias Pils begonnen hat: als Zeichner, dessen reduzierter Strich einen Weg durch das Dickicht der Welteindrücke zu markieren suchte. Die 1993 aus einer Zusammenarbeit mit Friederike Mayröcker entstandene und zehn Blätter umfassende Serie "Kopfland", auf kleinen Tischchen im hintersten Eck der Ausstellung ausgebreitet, führt als einzige Werkgruppe ganz an die Anfänge einer Karriere, die in den 39 Bleistiftzeichnungen der fast drei Jahrzehnte später entstandenen "Alphabet"-Serie eindrucksvoll vor Augen führt, dass die Zeichnung immer ein wichtiges Medium für den Sohn des Verlegers Richard Pils gewesen ist: Pferde und andere Tiere, Figuren und Arabesken offenbaren in ihrer Fantastik eine Nähe zu Günter Brus. Und auch das riesige Wandbild, das als "Kunstwerk auf Zeit" (Ammer) von Pils rund um vier an der Wand hängenden Masken hier aufgebracht wurde, ist eigentlich eine große Zeichnung.
Stillleben, Bäume und ein Fahrradunfall
In den Räumen daneben und darüber dominiert die Malerei und mit ihr die Suche nach schlüssigen Ansätzen. Immer wieder schöpft Pils aus der Kunstgeschichte, von Breughel bis Franz West. Man stößt auf Stillleben, in denen der Künstler sich "mit Augenzwinkern" an dem Genre versucht, auf "pseudoarchitektonische Entwürfe für Bäume", auf Bilder, in denen sich Pils infolge eines Fahrradunfalls mit lädierten Körpern beschäftigt, auf cartoonhafte Figuren und Variationen des biblischen Sündenfalls unter dem Apfelbaum.
"Während ich male, denke ich überhaupt nicht inhaltlich, sondern rein formal", hat Tobias Pils einmal festgehalten. "Inhalt und Form tauschen immer wieder die Plätze", versuchte sich Ammer als Pfadfinderin durch ein Oeuvre, in dem auch der Wechsel vom Malen auf dem Boden zur aufgespannten Leinwand einen Wendepunkt markierte. "Pils hat mit großer Konsequenz und Sensibilität eine eigene Bildsprache entwickelt, die sich der schnellen Lesbarkeit entzieht und stattdessen auf die Kraft von Ambivalenzen setzt", heißt es seitens des Museums.
Wer diese Ambivalenzen aus erster Hand verdeutlicht bekommen möchte, dem seien zwei Ausstellungsrundgänge mit dem Künstler ans Herz gelegt: Am 13. November (18 Uhr) führt Pils gemeinsam mit Kuratorin Ammer im Rahmen der "Vienna Art Week" durch die Ausstellung, fünf Tage später (18.11., 17.30 Uhr) gesellt sich die prominente Kunsthistorikerin Bice Curiger dem Duo hinzu.
(S E R V I C E - "Tobias Pils. Shh", Ausstellung im mumok, Museumsquartier Wien, Eröffnung: Freitag, 26. September, 19 Uhr. 27. September 2025 bis 12. April 2026, Di-So 10-18 Uhr; Katalog, erschienen im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln: 336 Seiten, 48 Euro, ISBN 978-3-7533-0930-9)
Zusammenfassung
- Die Ausstellung "Shh" von Tobias Pils, geboren 1971 in Linz, eröffnet am 26. September 2025 im mumok und markiert den krönenden Abschluss der 14-jährigen Amtszeit von Generaldirektorin Karola Kraus.
- Auf zwei Ebenen zeigt die Schau Werke aus den letzten zehn Jahren, darunter die Serie "Kopfland" von 1993 mit zehn Blättern und die 39-teilige "Alphabet"-Serie, wobei Zeichnung und Malerei zentrale Rollen spielen.
- Ein 336-seitiger Katalog für 48 Euro begleitet die Ausstellung, und am 13. sowie 18. November 2025 finden Rundgänge mit dem Künstler statt.