"Nein zum Geld" im Zillertal: Bekömmliche Kapitalismuskritik
Dabei war das Bühnenwerk in der Regie von Christine Eder wohl eigentlich nicht nur als reines zur Schau stellen von Szenen einer Ehe gedacht. Vor allem Coste, so mag man mutmaßen, wollte eigentlich in breitenwirksamer Form nicht weniger als die drängenden Fragen der spätkapitalistischen Gegenwart verhandeln. Da wäre nämlich: Ein Lottogewinn von satten 162 Millionen und der damit verbundene Themenkomplex, ob dieses Geld nicht eigentlich "vergiftet" sei, beziehungsweise eben das Leben des Gewinners und dessen Umfeld nicht Schritt für Schritt hin zur Oberflächlichkeit und zur Sinnlosigkeit entgleiten lässt.
Zudem im Setting einer typischen Großstadt-Küche auch aufgegriffen: Ein nur auf den ersten Blick leicht selbstloser potenzieller Neo-Millionär, dem Weltrettung und Bewusstseinsbildung der Gesellschaft wichtiger als sein eigenes Geldglück sind. Dass dem nicht so ist und auch die restlichen Figuren kilometertiefe Abgründe in sich tragen, zeigte sich in den flott erzählten, kurzweiligen, rund 60 Minuten des Werkes, das schließlich über weniger Tiefe verfügte, als es der Sache und der Thematik nach wohl gerne hätte.
Die eher simple Geschichte diente damit als Rahmen für Diskurse über das liebe Geld und dessen Fähigkeit, das Schlechteste im Menschen zum Vorschein zu bringen. Der Ehemann Richard, gerade eben vor zwei Monaten Vater geworden, lehnt im Bühnenstück die doch beträchtliche Gewinnsumme ab, ohne jedoch mit seiner Frau Clara, mit seinem Freund Stefan oder seiner Mutter Rosi Rücksprache dazu gehalten zu haben. Dass das für Unverständnis sorgt, liegt nun wahrlich auf der Hand: Die Ehefrau ist entrüstet, sein Freund Stefan fassungslos und seine Mutter kurz vor einem tödlichen Asthmaanfall.
Ablaufende Zeit als wirksames Mittel zur Zuspitzung
Auch äußerst unschöne Worte gegen Richard fallen. Vorangetrieben wurde die Geschichte auf den letzten Metern vom doch noch aufgefundenen Lottoschein und von den letzten Stunden und der damit ablaufenden Zeit, in der der Lottoschein noch gültig ist. Diese Mittel erwiesen sich als gut geeignet, um Klimax und Zuspitzung auf die Bühne zu bringen. Und dennoch: Einiges wirkte gewollt, ein paar Dialoge wollten nicht so recht zünden und auch die Kritik am Geldsystem und an der Lotterie an sich ging zum Teil ins Leere. Außerdem dominierten - für die kurze Spieldauer zu oft - Gemeinplätze und Klischees.
Ob es genau diese Klischees waren, diese Abbilder von Personen aus der Mittelklasse-Bildungsschicht, die Coste vorführen und mit deren Abziehbildern sie spielen wollte, oder ob sie eben dieser eher grobschlächtigen Charakterstudien nicht entkam, war schwer zu eruieren. So blieb jedenfalls eine gewisse Unentschlossenheit bestehen, ein Nichtwissen, was "Nein zum Geld" nun sein sollte: Eine tiefgehende und umfassende Kritik am Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Ausprägung oder doch ein Kammerspiel, das dieses Motiv nur als Anlass nahm um Personen verbal aneinander geraten zu lassen.
Leicht verhaltenes Publikum, trotz überzeugender Darsteller
Letzteres gelang weitestgehend ohne Einschränkungen: vor allem Isabella Knöll brillierte als verzweifelte Jungmutter, Roman Blumenschein als selbstgerechter und eher weltfremder Ehemann Richard stand ihr in kaum etwas nach. Und auch Brigitte Karner als Lotto-Gewinner-Mutter Rosi überzeugte vollends. Dasselbe galt für seinen besten Freund Stefan, gespielt von Manuel Witting: Wenn er in Rage war, konnte ihn kaum etwas stoppen.
Das Publikum, das sich dennoch zu ein paar lauten Lachern hinreißen ließ, wirkte ob der Unklarheit der Stückausrichtung leicht verhalten. Der Applaus in der bis zum letzten Platz gefüllten, namensgebenden "Tenn" - ein alter Bauernstadl - wirkte zwar mehr als wohlwollend, die sonst an diesem Ort aber oft üblichen Stehovationen und euphorischen Bravo-Rufe blieben aber aus.
(Von Markus Stegmayr/APA)
(S E R V I C E - "Nein zum Geld" von Flavia Coste. Regie: Christine Eder, Bühne: Gerhard Kainzner, Kostüme: Andrea Bernd. Mit Brigitte Karner (Rosi), Isabella Knöll (Clara), Roman Blumenschein (Richard), Manuel Witting (Stefan). Weitere Vorstellungen: 16., 17., 21., 22., 23., 24., 28., 29. und 30. Mai. https://theaterfestival-steudltenn.com/)
Zusammenfassung
- Das Theaterstück "Nein zum Geld" feierte am Mittwochabend im ausverkauften Steudltenn in Uderns Premiere und stellt einen Lottogewinn von 162 Millionen Euro ins Zentrum der Handlung.
- Protagonist Richard lehnt den Gewinn ohne Rücksprache mit seiner Frau Clara, seinem Freund Stefan oder seiner Mutter Rosi ab, was zu heftigen Konflikten und einer Zuspitzung in den letzten Stunden der Gültigkeit des Lottoscheins führt.
- Trotz überzeugender Darsteller und humorvoller Kapitalismuskritik blieb das Publikum eher verhalten, da das Stück zwischen tiefgreifender Gesellschaftskritik und unterhaltsamem Kammerspiel schwankte.