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Musik der Erinnerung zum Weltkriegsgedenken in Wien

02. Sept. 2025 · Lesedauer 2 min

Angesichts all der aktuellen Krisen der Welt geraten so manche historische Daten etwas in den Hintergrund. Dazu gehört auch der Beginn respektive das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren. Anlässlich des Ausbruchs des Weltenschlachtens vor exakt 86 Jahren lud das Polnische Institut unter seiner neuen Direktorin Jolanta Miśkowiec am Montag zu einem Gedenkkonzert in Wien.

Dabei hatte man sich entschieden, nicht auf Werke zurückzugreifen, die sich allzu offensichtlich mit dem Weltkrieg beschäftigen, sondern das Momentum des menschlichen Gedenkens, das Erinnern und Reflektieren an sich in den Fokus rücken. So hatte das polnische Royal String Quartet Steve Reich, Philip Glass und Henryk Górecki für einen Konzertabend im Reaktor angesetzt. Die vor wenigen Jahren wiederbelebte Veranstaltungslocation in Wien-Hernals bot mit ihrem Vintagecharme im fensterlosen Grau den perfekten Rahmen für eine Trias an Werken, die sich allesamt auf ganz unterschiedliche Weise der Vergangenheit widmen.

Reichs "Trains" als Herzstück

Das herausragende Stück in diesem Kontext stellte zweifelsohne Steve Reichs epochale Arbeit "Different Trains" dar, in welcher der Minimalist 1988 Sprachaufnahmen mit einem Livequartett vermengte und damit Maßstäbe setzte. US-Bahnhofsansager werden mit Holocaustüberlebenden, die sich an die Kriegszeit erinnern, kontrastiert. Das Quartett nimmt die Sprachmelodien der eingespielten Fetzen auf, geht bisweilen aber auch mit einem Motiv in Vorlage, das hernach vom Band gespiegelt wird. Ein Dialog der Medien und Zeiten, der hier entsteht.

Im selben Jahr wie "Different Trains" schrieb auch Henryk Górecki sein 1. Streichquartett für die US-Kultformation Kronos. Er verwebt darin ein Thema des polnischen Renaissancekomponisten Wacław z Szamotuł, wobei das Royal String Quartett durch den langen Nachhall der Reaktor-Halle einen steten akustischen Bodensatz etablierte, der nie gänzlich verschwindet und aus dem sich die Einzelinstrumente kurzzeitig erheben. Ein weiterer Beweis, dass Górecki zu Unrecht in den Jahren seit seinem Tod 2010 etwas in Vergessenheit geraten ist.

Weniger solistisch denn als Ensemble agierend interpretierte das Royal schließlich Philip Glass' 1985 entstandenes "Mishima"-Quartett. Ein steter Fluss wallt hier vor sich hin, vom Royal mit ganz eigener Aufwallung, Tempoverschiebung intoniert. Alles in allem gelang somit in Wien ein ebenso unprätentiöser wie nachdenklicher Gedenkabend, der angesichts der Weltlage leider weit weniger den Odem der Geschichte als der Zeitgeschichte atmete.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - https://reaktor.art)

Zusammenfassung
  • Das Polnische Institut in Wien veranstaltete am Montag ein Gedenkkonzert zum 86. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs und stellte dabei das Erinnern und Reflektieren in den Mittelpunkt.
  • Das Royal String Quartet präsentierte Werke von Steve Reich ('Different Trains', 1988), Henryk Górecki (1. Streichquartett, 1988) und Philip Glass ('Mishima'-Quartett, 1985) im Reaktor in Wien-Hernals.
  • Im Zentrum des Abends stand Reichs 'Different Trains', das Sprachaufnahmen von US-Bahnhofsansagern und Holocaustüberlebenden mit Live-Musik verknüpft und so einen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart schafft.