Malgorzata Mirga-Tas erzählt im KUB vom Leben der Roma
Im ersten Stock hängen aus vielen Stoffen zusammengesetzte große Wandbilder, die von der Schaffenskraft der Frauen erzählen, die diese in verwandtschaftlicher Gemeinschaft herstellten. Die Collagen machen in alltäglichen Szenen mit spielenden Kindern, sorgenvoll rauchenden Frauen, schwatzenden Alten, umgeben von Tieren, ein ländliches, von Handwerk geprägtes Dorfleben spürbar. Die 1978 in Zakopane geborene Künstlerin nutzt dafür Stoffe aus dem Gebrauch der Porträtierten und malt also mit Leintüchern, Blusen und Vorhängen, was ihren Darstellungen eine starke Authentizität verschafft. Die Arbeiten scheinen zwischen Zwei- und Dreidimensionalem zu schweben.
Begleitet und beschützt werden das Dorf und jene, die darin leben, von "Jangare", von Wahrsagerinnen am Feuer geschaffenen Figuren aus Wachs und Kohle, die bei Mirga-Tas aber Lebensgröße erreichen. Sie hält in ihrer Praxis eine gewobene Zustandsbestimmung des Roma-Lebens fest, das Resilienz und Anpassungsfähigkeit erfordert. Davon erzählen die "Jangare". Die großen Menschenkörper in monochromem Anthrazit wirken kraftvoll und unzerstörbar, jedenfalls als könnten sie alles (er)tragen - verletzlich sind sie dennoch, denn sie sind aus Wachs. Im Hintergrund hängende Textilbilder zeigen Frauen beim Nähen dieser Figuren, so verbindet sich das Bildnerische mit dem Skulpturalen.
Über Sterne, Sonnen und Blüten ist den Collagen jene Magie eingenäht, die den identitätsstiftenden Geschichten der Roma innewohnt und die allen Dingen Kostbarkeit verleiht, denen jemand viel Zeit gewidmet hat. Kunst ist hier family business: Die Künstlerin stellt die Arbeiten nicht nur mit Schwestern, Cousinen und Tanten gemeinsam her, auch Gedichte von Familienmitgliedern finden Eingang. Aus einem Porträt ihres Großvaters, das ihn bei seiner Arbeit als Schmied zeigt, und aus anderen Familienporträts bildete Mirga-Tas ein seiner Schmiede nachempfundenes Schutzhaus, in dem innen ein Sternenhimmel erstrahlt.
Künstlerin will als Romni die eigene Geschichte erzählen
Das oberste Geschoss lädt ein in magische Wildheit: Drei Bären-Skulpturen, umgeben von frei hängenden Collagen erzählen von der Verbindung zur Natur und Mythen, deuten aber auch eine Einkommensquelle früherer Zeiten um. In den Städten verdiente man mit Tanzbären Geld, bei Mirga-Tas sind diese von den Roma geschätzten Tiere als Familienmitglieder dargestellt. Eine Verklärung des Roma-Lebens, dessen öffentliches Bild oft von darauf projizierten Bildern bestimmt wird, findet bei Mirga-Tas dennoch nicht statt. Ihre Arbeiten führen vom Kleinen ins Große, berichten von Ausgrenzung, Armut und ungewisser Zukunft, aber auch von Stolz, Ungebundenheit und großer Kraft. Es gehe ihr darum, als Romni die eigene Geschichte erzählen zu können, ohne Stereotypen zu reproduzieren, betonte die Künstlerin.
Die Künstlerin scheint damit gleichsam das mitunter schwierige Verhältnis der Mehrheitsgesellschaft zu Roma und Romnja zu flicken versuchen, selbst wenn die Mehrheitsgesellschaft eher schnurgerade Nähte und Fast Fashion schätzt. Sie betätigt sich damit als Brückenbauerin, ihre Arbeiten sind voll Sehnsucht nach dem Gemeinsamen, das es im Anderen zu finden gilt. Für Kunsthaus-Direktor Thomas D. Trummer zeigt sich in ihrer Arbeit eine "Geschichte einer Gegenöffentlichkeit", schließlich seien in der Kunst Roma allzu oft als das bewunderte, gefährliche und listige Andere dargestellt worden. "Ich mag das Leise und das Bunte daran", so Trummer über die Arbeiten.
Werke dreier Künstler im Foyer
Im Foyer wird das KUB zudem ab 12. Juli Werke der österreichischen Malerin Maria Lassnig, des britisch-kenianischen Malers Michael Armitage und der Kenianerin Chelenge Van Rampelberg zeigen, die sich um den menschlichen Körper drehen. Armitage, der im KUB zuletzt 2023 ausstellte, hat dafür Arbeiten ausgewählt, die mit seinen Bildern in Dialog stehen.
(S E R V I C E - Ausstellung "Tele Cerhenia Jekh Jag" (Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer) von Malgorzata Mirga-Tas von 7. Juni bis 28. September im Kunsthaus Bregenz. Eröffnung am 6. Juni, 19 Uhr. www.kunsthaus-bregenz.at )
Zusammenfassung
- Die polnische Künstlerin und Romni Malgorzata Mirga-Tas zeigt von 7. Juni bis 28. September 2024 im Kunsthaus Bregenz unter dem Titel "Tele Cerhenia Jekh Jag" neue textile Werke, die vom Alltag und der Identität der Roma erzählen.
- Ihre großformatigen Textilcollagen und lebensgroßen Skulpturen aus Wachs und Kohle thematisieren Resilienz, Gemeinschaft und die Herausforderungen des Roma-Lebens, wobei authentische Stoffe aus dem Besitz der Porträtierten verwendet werden.
- Ab 12. Juli werden im Foyer des KUB zusätzlich Werke von Maria Lassnig, Michael Armitage und Chelenge Van Rampelberg gezeigt, die sich mit dem menschlichen Körper beschäftigen.