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Karl Markovics glaubt "an den Reichtum des Zufalls"

Als liebenswürdiger Optiker des Ortes kommt er ohne Namen aus, hat dafür aber umso mehr Stimmen im Kopf: Karl Markovics ist in der Verfilmung von Mariana Lekys Roman "Was man von hier aus sehen kann" (ab 29. Dezember im Kino) so etwas wie der emotionale Anker. Mit der APA sprach der heimische Schauspielstar über seinen Zugang zur Rolle, den Reichtum des Zufalls und Raumpfleger im Weltall.

APA: Ihr Optiker hat zwar keinen Namen, aber mit inneren Stimmen zu kämpfen. Was hat Sie an dieser Figur gereizt?

Karl Markovics: Es ist ein außergewöhnliches, aus der Zeit gefallenes Drehbuch. Gerade deswegen ist es genau die richtige Geschichte für eine Welt wie heute und noch dazu für eine Jahreszeit wie den Winter. Film wie Buch tun auf eine seltsame Weise gut - auch wenn das in der Kunst ein verpönter Ausdruck ist. Im deutschsprachigen Kulturraum wird bei Theater oder Film oft ja absichtlich vermieden, gut zu tun, um nur ja nicht in die Nähe von Kitsch, Gefühlsduselei oder Nostalgie zu geraten. "Was man von hier aus sehen kann" scheut keine Nähe zu Gefühlen, ohne sich darin zu baden. Insgeheim habe ich gehofft, dass (Regisseur, Anm.) Aron Lehmann der richtige Mensch ist, um das umzusetzen, damit von nichts zu viel wird, aber trotzdem diese Welt in ihrer Zugänglichkeit bewahrt bleibt. Das hat sich von Anfang an bestätigt.

APA: Das Setting des Films hat beinahe etwas Märchenhaftes: dieser kleine Ort mit all seinen schrulligen Charakteren, das geträumte Okapi als Vorbote des Todes, eine große Liebesgeschichte. Haben Sie in diese Welt schnell hineingefunden?

Markovics: Ja, tatsächlich. Ab der ersten Lese- und Kostümprobe bekommt man mit, welche Menschen ein Regisseur an Bord holt. Ich kenne das ja von mir selbst auch, wie wichtig mir das ist. Bei dieser Produktion hat man gemerkt: Niemand ist hier zufällig. Und das betraf nicht nur die Schauspielerinnen und Schauspieler. Alle waren aus einem ganz bestimmten Grund hier. Beim Drehen hat sich das dann fortgesetzt. Es ist in dieser Überhöhung der Geschichte so ein Guss geworden, dass man diese Welt abnimmt und in ihr und an ihr teilnehmen kann.

APA: Wie sieht es denn bei Ihnen aus, glauben Sie an so etwas wie ein schlechtes Omen? Oder an das Glück?

Markovics: Nein, ich glaube nicht an Omen und auch nicht an das Glück. Ich glaube an den Reichtum des Zufalls. Es gibt einen guten Zufall, und es gibt einen schlechten Zufall - wir als Menschen bewerten ihn in der einen oder anderen Form, ethisch, moralisch, wie auch immer. Aber der Zufall selbst würfelt nicht. Gewisse Erfahrungen verleiten uns dazu zu glauben, wir könnten es auch in die andere Richtung tun: aus der Vergangenheit in die Zukunft ableiten. Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Und selbst wenn: Ich würde es gar nicht wissen wollen. Ich bin froh, dass ich keine Omen benötige im Leben oder sie als solche erkenne. Ich lebe schon sehr gerne im Moment und lasse mich überraschen. Ich verschreie auch Dinge gern. Damit rege ich manchmal Kolleginnen und Kollegen auf, weil es gerade am Theater einen gewissen Grundaberglauben gibt, was man nicht darf oder nicht tun soll. Ich bin aber jemand, der partout Dinge eher herausfordert. Vielleicht ist das eine andere Art Aberglauben. (lacht)

APA: Es sind viele Einzelheiten und Details, die den Reiz von "Was man von hier aus sehen kann" ausmachen. Was hält den Film aus Ihrer Sicht zusammen?

Markovics: Das ist natürlich eine Projektion, aber deshalb hat dieser Film wohl für mich so eine selbstverständliche Bedeutung gehabt: Ich habe sehr viel von meiner Grundeinstellung in diesen Figuren wiedergefunden. Dieses Carpe-diem-Prinzip, lebe im Moment, lebe in der Gegenwart! Trauere nicht zu sehr der Vergangenheit nach und zittere nicht zu sehr vor der Zukunft, sonst verlierst du deine Gegenwart. Das ist schon das Entscheidende, was dieser Film widerspiegelt: Die Existenz in ihrer Gegenwärtigkeit wahrnehmen.

APA: Das Kino hat wie viele Kunst- und Kulturbereiche aktuell mit Teuerung und Besucherschwund zu kämpfen. Was glauben Sie, wie sich das in den kommenden Monaten entwickeln wird?

Markovics: Ich bin ein ganz schlechter Prophet. Es wird sich wohl noch weiter über den Winter ziehen, dass die Leute mal abwarten und auf der sicheren Seite sein wollen, was denn da möglicherweise noch kommt. Das kann sich durchaus auf das Sparen bei Dingen, die man jetzt nicht unbedingt braucht, auswirken. Ich hoffe, dass es in erster Linie möglichst bald zu einem Ende des Krieges in der Ukraine kommt, wobei ich mir kaum eine Lösung dafür vorstellen kann. Davon hängt natürlich auch die Gesamtstimmung ab.

APA: Und wie sehen Ihre Vorhaben für 2023 aus?

Markovics: Einerseits habe ich heuer die Fortsetzung meines ORF-Landkrimis abgeschlossen. Damals hat Daniel Kehlmann das Drehbuch geschrieben, diesmal stammt das Buch von mir in Absprache mit Daniel, weil er zeitlich extrem eingespannt war. Da bin ich sehr neugierig, wie der aufgenommen wird. Ansonsten arbeite ich an einigen Stoffen in mehr oder weniger ausgearbeiteten Stadien. Darunter ist eine Miniserie, für die ich mit der Superfilm im Februar einen Teaser produzieren will, um potente Auftraggeber anzusprechen. Es ist doch eine aufwendigere Angelegenheit: Der Arbeitstitel ist "Die Raumpfleger", wobei die Serie teils im Weltall spielt und mit prekären Arbeitssituationen zu tun hat. Die Menschen sammeln Weltraumschrott ein, um ihn aus der Umlaufbahn der Satelliten zu bringen. Das klingt zwar sehr technisch, kommt aber als Comedy daher. Es ist ein Hybrid aller möglichen Genres.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - https://constantinfilm.at/kino/was-man-von-hier-aus-sehen-kann)

ribbon Zusammenfassung
  • Als liebenswürdiger Optiker des Ortes kommt er ohne Namen aus, hat dafür aber umso mehr Stimmen im Kopf: Karl Markovics ist in der Verfilmung von Mariana Lekys Roman "Was man von hier aus sehen kann" so etwas wie der emotionale Anker.
  • Mit der APA sprach der heimische Schauspielstar über seinen Zugang zur Rolle, den Reichtum des Zufalls und Raumpfleger im Weltall.