Jelineks "Burgtheater" als "assoziative Erweiterung"
Nach einer als medienwirksames Event inszenierten "Urlesung" des gesamten Textes vergangene Woche feiert "Burgtheater" am Sonntagabend Premiere, wobei in Raus Inszenierung nur rund ein Drittel des Originaltextes verwendet werden soll, der Rest ist im Laufe der Proben entstandenes Material. Im Zentrum stehen Minichmayr und Peters als Käthe und Istvan, für die Jelinek Paula Wessely und Attila Hörbiger als Ausgangsmaterial genommen hat, der gebürtige Israeli Itay Tiran gibt den "Burgtheaterzwerg".
Für Caroline Peters sind die Tage vor der Premiere "ein wildes Gewirr von Themen rund um das Stück von Elfriede Jelinek, um die Nazizeit, um den Faschismus heute", wie sie im APA-Interview erzählt. "Es geht uns um diese Wiederkehr, aber auch um die Beschäftigung meiner Generation jetzt mit der Großvätergeneration. Jetzt sind wir die Erwachsenen, die darüber nachdenken müssen, was man da in der Familie hatte und wie man das weiterträgt in die nächste Generation." An einen Skandal wie damals bei der Uraufführung glaubt sie nicht: "Damals, 1985, gab es ja noch wirkliche Nazis, die immer noch in der Gesellschaft groß mitgemischt haben. Das Stück war wie 'Des Kaisers neue Kleider': Auf einmal hat jemand gesagt: Ihr verdrängt das alles nur, ihr wart alle Täter!" Heute stelle sich die Frage: "Wer von uns ist denn davor gefeit, sich so zu verhalten?"
"Ich glaube, dass man bei Künstlern, die in solchen Propagandafilmen wie 'Heimkehr' mitgespielt haben, wirklich von Tätern sprechen kann", sagt Birgit Minichmayr. "Und der Alpenkönig wird ja im Stück von Jelinek umgebracht. Das heißt, diese Figuren wollen keine Läuterung erfahren und in einer gewissen Art und Weise hat man das auch mit Elfriede Jelinek gemacht", so Minichmayr in Anspielung auf den medialen Skandal 1985. "Man hat sie als Alpenkönigin nicht zugelassen, sondern in der Presse sofort abgeschlachtet. Und wie man weiß, hat das ja auch mit dazu geführt, dass sie sich in eine Form von Isolation begeben hat und angefangen hat, die Öffentlichkeit zu scheuen. Und Österreich blieb weiter in der Opferhaltung."
Mavie Hörbiger: "Habe meinen eigenen Weg gefunden."
Dass Mavie Hörbiger, die ihren Großvater Paul spielt, immer wieder auf ihre Familiengeschichte angesprochen wird, soll auch im Stück thematisiert werden. Wie geht es ihr nun damit, in einem Stück über ihre Familiengeschichte mitzuspielen? "Eigentlich sehr gut, weil ich meinen Weg gefunden habe", so Hörbiger zur APA. Milo Rau freut sich kurz vor der Premiere, dass sein Konzept der "assoziativen Erweiterung ins Heute" aufgegangen ist. Für ihn ist das Burgtheater der einzige Ort, an dem dieses Stück gespielt werden sollte. "Ich glaube, die Bonner haben damals nicht wirklich verstanden, worum es geht. Man muss es hier machen."
(S E R V I C E - "Burgtheater" nach Elfriede Jelinek in einer Bearbeitung von Milo Rau und Ensemble, Regie: Milo Rau, Bühne: Anton Lukas, Kostüme: Cedric Mpaka, Musik: Elia Rediger, Video: Moritz von Dungern, Mit Maja Karolina Franke, Mavie Hörbiger, Alla Kiperman, Annamária Láng, Birgit Minichmayr, Caroline Peters, Safira Robens, Itay Tiran, Tillman Tuppy, Willfried Kovárnik. Koproduktion von Burgtheater und Wiener Festwochen im Burgtheater, Premiere: 18.5., 19 Uhr, Weitere Aufführungen. 20., 23.5., 1., 9., 14., 20.6.; www.burgtheater.at. Digitales Programmheft: https://www.burgtheater.at/mehr-burgtheater )
Zusammenfassung
- Die Neuinszenierung von Elfriede Jelineks "Burgtheater" feiert am 18. Mai im Burgtheater ihre Premiere und gilt als Höhepunkt der Wiener Festwochen.
- Intendant Milo Rau verwendet nur rund ein Drittel des Originaltextes, ergänzt durch neues Material aus den Proben, und setzt mit Birgit Minichmayr, Caroline Peters und Mavie Hörbiger auf ein prominentes Ensemble.
- Das Stück greift die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, familiären Verstrickungen und die Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung heute auf.