Forscher Naughton: Neugier als Lebensverlängerung
Bereits 2016 schrieb Naughton ein Buch über die Neugier, das sei allerdings nicht mehr aktuell gewesen, "und ich habe es komplett neu geschrieben und diese neuesten Erkenntnisse" stellt der Mittfünfziger bei dem neuen Festival in der Tabakfabrik in Linz vor. "Ich mache das natürlich mit einer Menge Interaktion und Freude."
Wie erforscht man nun aber Neugier? "Die Frage ist immer, was braucht es, damit ein Mensch eine Information aufnehmen will? Denn Neugier ist ja ein innerer Antrieb. Wir nennen Neugier deswegen auch eine Wissensemotion." 2005 begann Naughton mit einem Vokabellernprogramm, das auf einem Computerspiel basierte. "Das waren so die ersten Anfänge, dass man merkte, man kann Umgebungen schaffen, die Menschen dazu anstacheln, etwas Neues beherrschen oder lernen zu wollen."
Später begann er sich mit der Neugier im beruflichen Kontext zu beschäftigen, Anfänge einer Neugierskala wurden zusammen mit Kollegen und dem Zukunftsinstitut von Matthias Horx veröffentlicht. "Das hat plötzlich für ganz viel Aufruhr gesorgt, weil noch nie hatte jemand an Neugier geforscht, im beruflichen Kontext, das gab's vorher nicht." 2016 wurden die Wissenschafter zum Curiosity Council, "also zum Neugier-Aufsichtsrat des Technologieriesen Merck, weil Merck hatte verstanden, Neugier ist total wichtig für Wissenschaft, für Entdeckung, für Innovation und Transformation", so Naughton. Die Neugier wurde messbar gemacht, "wir haben mit Porsche Consulting, dem Weitzmann Institut trainiert. Wir haben das im Harvard Business Manager veröffentlicht und plötzlich war die Neugier im Office angekommen".
"Neugierkiller"
Prinzipiell sei Neugier ein Überlebensmechanismus. Ist sie bei Kindern noch stark ausgeprägt und umfassend, braucht man sie evolutionstechnisch als Erwachsener eigentlich nicht mehr - sofern das Umfeld stabil bleibt. Heutzutage müsse man aber auch als Erwachsener neugierig sein, "sonst verpasst man die Welt".
Es brauche "ganz gezielte, manchmal auch sehr kleine Interventionen oder Tricks, um diese Neugier wieder auftauchen zu lassen, um sie sozusagen aus ihrem evolutionären Tiefschlaf im Erwachsenengehirn heraus zu küssen". Genauso gebe es "Neugierkiller", wenn etwa Eltern kleinen Kindern sagen: "Frag jetzt nicht so viel!"
Fragen öffnen das Gehirn
Doch gerade Fragen würden das Gehirn öffnen. Naughton empfiehlt die Question Formulation Technique, also die Kunst Fragen zu stellen. Dabei steht nicht die Beantwortung von Fragen im Vordergrund, sondern die Herausforderung, jene Fragen zu einem Problem zu stellen, die anschließend bei der Lösung helfen. "Gib mir doch mal 20 oder 30 Fragen dazu, die dir einfallen, ganz spontan", erklärt er den Zugang. Jedes Mal, wenn eine Frage entwickelt werde, springe im Gehirn "so etwas wie ein Juckreiz an", der die Antwort wissen möchte. "Das Kunststück daran ist, dass es so viele Fragen sind, weil erst kommen die offensichtlichen, dann kommen die, wo Sie schon ein bisschen nachdenken und die letzten zehn Fragen sind die, wo wir sagen 'Wahnsinn' und dann geht die Neugierreise los." Für Naughton ist dieses Auf-den-Kopf-stellen des Frage-Antwort-Spiels "das beste Tool, um Menschen den Möglichkeitsraum zu öffnen und Neugier zu erzeugen".
Das teilweise schlechte Image der Neugier habe damit zu tun, "dass die meisten Menschen ein sehr enges Korsett haben von diesem Begriff und dafür sind wir ja auch angetreten, um das zu klären". Dazu gebe es verschiedene Formen von Neugier, die soziale Neugier, das Interesse an anderen, und die Wissensneugier, die Lust am Lernen, und diese seien überhaupt nicht zu vergleichen; dann die Offenheit für die Neugier der anderen und die Anspannungstoleranz, "weil Neugier ist immer gekoppelt mit Ungewissheit und Unsicherheit". Wer Angst vor einer ungewöhnlichen Antwort habe, der wird eine Frage erst gar nicht stellen, doch "Neugier treibt uns an, die Ungewissheit zu minimieren". Deswegen falle es Neugierigen vergleichsweise leichter, mit Ungewissheit und Krisen umzugehen als weniger neugierigen Zeitgenossen.
(Das Gespräch führte Ulrike Innthaler/APA)
(S E R V I C E - Programm und Infos unter http://www.festivalofcuriosity-linz.at)
Zusammenfassung
- Der Wissenschaftsautor Carl Naughton stellt beim Festival of Curiosity in Linz neue Studien vor, denen zufolge neugierige Menschen bis zu zwölf Prozent länger leben als weniger neugierige.
- Gemeinsam mit Unternehmen wie Merck und dem Zukunftsinstitut entwickelte Naughton Methoden zur Messung und Förderung von Neugier, die inzwischen auch im beruflichen Umfeld eingesetzt werden.
- Techniken wie die Question Formulation Technique, bei der 20 bis 30 Fragen zu einem Problem gesammelt werden, helfen, Neugier im Erwachsenenalter zu aktivieren und das Lernen zu erleichtern.