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Finale von blutiger Nitsch-Neuaufführung im Weinviertel

Heute, 08:15 · Lesedauer 4 min

Noch bis Pfingstmontag öffnet das Schloss Prinzendorf (NÖ) die Pforten für den letzten Part des neu aufgeführten "6-Tage-Spiels" von Hermann Nitsch. Die mehrteilige Kunstaktion, bei der unter anderem Gedärme und Blut die Sinne beanspruchen, sah der Wiener Aktionist als Hauptteil seines Gesamtkunstwerks, dem "Orgien Mysterien Theater". Kurz nach seinem Tod 2022 sowie im Jahr 2023 wurden die ersten drei Tage des 1998 aufgeführten Spiels wiederholt. Nun steht das Finale an.

Hermann Nitsch gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Künstler. Aber so sehr seine Performance-Kunst faszinierte, so sehr stieß sie auch früh auf Widerstand. Das "6-Tage-Spiel" griff auf christliche Symbole wie die Kreuzigung zurück und Akteure wälzten sich ritualartig in Tierinnereien - in den 90ern schlugen Tierschützer und Kleriker Alarm, ein niederösterreichischer FPÖ-Landesrat wollte ein Verbot des Stücks.

Gegen die posthume Aufführung fast drei Jahrzehnte später skandierte vor Ort allerdings niemand mehr. Stattdessen kamen am Eröffnungstag 2025 - der eigentlich vierte Tag im Spiel - hauptsächlich zahlende Beobachter und Ehrengäste, zu großen Teilen jungen oder mittleren Alters. Mehr als 350 Menschen waren am Samstag laut Nitsch Foundation für die Schau im Prinzendorfer Schloss im Weinviertel angemeldet.

Die zweite Fassung des "6-Tage-Spiels" soll der Maler und Aktionskünstler kurz vor seinem Tod im April 2022 fertiggestellt haben, inklusive einer detaillierten Notenschrift. Mit dieser schuf Dirigent Andrea Cusumano nun eine imposante Klangkulisse, die die Intensität der Performances von 84 Akteuren spürbar steigerte. Denn gleich nach Betreten des Schlosshofs schlug einem nicht nur der Geruch von Innereien entgegen, sondern auch das 92-köpfige Orchester, das sich je nach Vorführung von unbehaglichen monotonen Klängen langsam in eindringlichen Lärm steigerte. Ein sirenenartiger Sound hielt im Hof den Tonpegel aber auch zwischen den Aktionen konstant hoch.

Bei den Bildern bediente man sich indes bekannter Motive: Akteure mit verbundenen Augen bekommen per Messbecher Blut zum Trinken verabreicht, oft an Kreuzen, während die rote Substanz über die weiße Kleidung läuft. Nackten Männern und Frauen werden Gedärme auf den Körper gelegt, andere Darsteller zermatschen Eingeweide und Obst unter Regie von Nitsch-Adoptivsohn Leonhard Kopp, der fleißig selbst Hand anlegt. Kreuze werden umhergetragen, wobei an die Holzgestelle gebundene Personen ihre regungslose Position manchmal stundenlang auch während Pausen und bei leichtem Regen wacker halten.

Höhepunkte vor Pfingstmontag

Ein Höhepunkt dieses Zusammenspiels von Akustik und Performance war die Darstellung am Samstagvormittag. Mehrere Darsteller schnitten zuerst ruhig Fische auf, stopften dann aber wild feuchte Innereien in den offenen Bauch eines Schweinekadavers, der an den Körper eines Mannes befestigt war, als das Orchester kontinuierlich eindringlicher wurde. Weihrauch mischte sich mit dem Blutgeruch, der sich im Hof breit machte.

Das ging in eine Szene im Schlossbecken über, in der die Performer auf Obst stampften, andere Akteure Kübel mit Blut über ihnen ausschütteten, während ein Gewitter aus Trompeten, Trommel- und Paukenschlägen und Glockenlärm den Hof einnahm und eine Frau auf einem Kreuz vor der Schlosswand Blut zum Trinken verabreicht bekam. Später ging das Orchester während einer Prozessionsdarstellung einmal noch in ein tosendes Klanggewitter über, bevor eine Darstellerin am Kreuz über die Felder abschließend ins benachbarte Rannersdorf an der Zaya getragen wurde.

Etwas zahmer fiel der neueste Auftakt am Samstag verglichen mit vergangenen Nitsch-Aktionen trotzdem aus. Wurde früher etwa ein Rind zerlegt und gehäutet, blieben ähnliche Gemetzel und besonders innige Gedärmeorgien nun aus. Laut medizinischem Personal waren jedenfalls keine Schwächeanfälle oder Schocks aufgrund der Bildmotive zu vermelden. Für das Finale am Pfingstmontag wurde noch Promikoch Max Stiegl für einen Sautanz engagiert, bei dem sämtliche Teile eines Schweins im Sinne der Nachhaltigkeit inklusive Sauschädel verzerrt werden sollen.

Zukunft der Nitsch-Performances ungewiss

Wie es mit dem "Orgien Mysterien Theater" weitergeht, ist unklar. Im Mai gab Witwe Rita Nitsch bekannt, dass ein weiteres "6-Tage-Spiel" aus eigener Tasche nicht mehr möglich sein dürfte. Es gebe nun Verhandlungen über die künftige Nutzung des Schlosses in Prinzendorf, das Hermann Nitsch einst renovieren ließ und zum Mittelpunkt seines Schaffens machte.

(Von Klaus Kainz/APA)

(S E R V I C E - https://www.nitsch-foundation.com/6-tage-spiel)

Zusammenfassung
  • Mehr als 350 Besucher kamen am Eröffnungstag 2025 zur Neuaufführung des '6-Tage-Spiels' von Hermann Nitsch im Schloss Prinzendorf, bei dem 84 Akteure und ein 92-köpfiges Orchester mitwirkten.
  • Die Performance, bekannt für den Einsatz von Blut, Tierinnereien und christlichen Symbolen, verlief diesmal weniger drastisch als in den 1990er Jahren und führte zu keinen medizinischen Zwischenfällen.
  • Für das Finale am Pfingstmontag ist ein Sautanz mit Promikoch Max Stiegl geplant, während die Zukunft des 'Orgien Mysterien Theaters' wegen unklarer Finanzierung offen bleibt.