APA/APA/ZOO - Thomas Hauert/Bart Grietens

Ein Stoffungetüm fragt "How to proceed" bei ImPulsTanz

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Wer komplexe Fragen stellt, muss damit rechnen, keine einfachen Antworten zu erhalten. Den Schweizer Choreografen Thomas Hauert beschäftigen gleich mehrere, die er mit seiner belgischen Compagnie ZOO anlässlich deren 20-jährigen Jubiläums aufarbeiten will. "How to proceed" artet dementsprechend aus: Bei der Österreichpremiere am Sonntagabend im Akademietheater wuselten nicht nur Stoffungetüme über die Bühne, es wurde geschrien, gesungen, getanzt und sogar etwas gezaubert.

"Wie rechtfertigst du deine Privilegien? Wie gehst du mit den Dingen um, die dich demoralisiert haben? Wie lebst du dein Leben von Tag zu Tag, ohne dass dir diese Sachen auf die Stimmung schlagen?" Dass und noch viel mehr will Hauert beantwortet wissen. So viel sei verraten: Viele Antworten bekommt das ImPulsTanz-Publikum im Laufe der rund 60-minütigen Arbeit nicht serviert. Dafür lernt es den Zauber des Unregulierten kennen.

Gleich zu Beginn verstrickt sich der 54-jährige Schweizer kunstvoll in lange Stoffbahnen. Bald schon kann er sich kaum noch bewegen, was auch auf seine sieben Mittänzerinnen und Mittänzer zurückzuführen ist. Manche von ihnen begleiten ihn seit 1998 und verknoten nun die losen Stoffenden zu einer Art Zwangsjacke, während er große Fragen nach dem Sinn und dem gesellschaftlichen Zusammenleben stellt. In der Interaktion mit den anderen sucht Hauert nach Antworten. Das artet jedoch recht schnell aus, zu divers sind die Beiträge der acht Erwachsenen. Was anfangs noch wie eine sachliche, wenngleich höchst unterschiedliche Darbietung der jeweiligen Vorstellungen anmutet, wird schon bald zu einer chaotischen Schlacht, im Zuge derer Stoffungetüme über den Boden rollen, Kartonschachteln durch die Luft fliegen und einer Tänzerin ein Flug ins Publikum droht.

Zwischenzeitlich scheinen manche der Tanzenden sich anzunähern, interagieren in Zweier- und Dreiergruppen miteinander, nur um sich kurz darauf wieder in verschiedensten Sprachen anzuschreien. Die musikalische Regel stellen kurze, nervöse, kaum zu erfassende Songs des italienischen Komponisten Mauro Lanza dar, der es perfekt verstand, den komplexen, mit harten Brüchen versehenen Abend in eine musikalische Form zu gießen. Um das Publikum bei der Stange zu halten, widmet man diesem dann doch eine Musical-Nummer samt Liebesbekundung. Miteinander statt gegeneinander getanzt wird ausnahmsweise zu einem Stück von Johann Sebastian Bach.

Die Selbstironie ("Warum tun wir das? Weil es unser 20-jähriges Jubiläum ist."), das kreative Chaos und die offensichtliche Freude, mit der die Compagnie zu Werke geht, machen das kauzige Stück zu einer erfrischenden Abwechslung, wenngleich sich zwischenzeitlich so manche Durststrecke abzeichnet. Beim gelungenen Finale samt Zaubertrick ("Wir lassen jetzt noch Mat verschwinden") war das aber wieder vergessen. Das Publikum spendete wohlwollenden Applaus.

Hauert ist noch mit einer zweiten Arbeit am ImPulsTanz-Festival vertreten. In dem Solo "(sweet) (bitter)" tanzt der Choreograf am 29. Juli im Odeon zu dem Barockmadrigal "Si dolce e'l tormento" von Caudio Monteverdi sowie zu Salvatore Sciarrinos "12 Madrigali". Dabei widmet er sich der Unmöglichkeit der Liebe und der Herausforderung, dem unerreichbaren Ideal doch hinterherzulaufen.

(S E R V I C E - Weitere Aufführung von "How to proceed" am Dienstag, 27. Juli, um 21 Uhr im Akademietheater, https://www.impulstanz.com/performances/2021/id1379/)

ribbon Zusammenfassung
  • Wer komplexe Fragen stellt, muss damit rechnen, keine einfachen Antworten zu erhalten.
  • "How to proceed" artet dementsprechend aus: Bei der Österreichpremiere am Sonntagabend im Akademietheater wuselten nicht nur Stoffungetüme über die Bühne, es wurde geschrien, gesungen, getanzt und sogar etwas gezaubert.
  • In der Interaktion mit den anderen sucht Hauert nach Antworten.
  • Hauert ist noch mit einer zweiten Arbeit am ImPulsTanz-Festival vertreten.

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