APA/dpa/Peter Kneffel

Wirecard: ÖBB-Auftrag dank Insiderwissen und "Panda-Diplomatie"?

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Aufgrund von E-Mails des flüchtigen Wirecard-Vertriebschefs Jan Marsalek liegt der Verdacht nahe, dass er Insiderwissen über einen 24-Millionen-Auftrag der ÖBB im Jahr 2015 hatte. Wirecard erhietl damals den Zuschlag.

Wirecard könnte bei einer Ausschreibung des ÖBB-Personenverkehrs im Jahr 2015 mit Insiderwissen "getrickst" haben, um den Zuschlag zu erhalten. Das legen Recherchen von ORF, "Profil" und "Standard" nahe, die Zugriff auf E-Mails zwischen den ÖBB und dem mittlerweile insolventen deutschen Zahlungsabwickler Wirecard haben. Die ÖBB bestreiten das, der damalige ÖBB-Generaldirektor und spätere SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern war nach eigenen Angaben in die Auftragsvergabe nicht involviert.

Die Medien berichten von einer Charme-Offensive von Wirecard bei der ÖBB. Nach einem Oktoberfestbesuch soll eine Assistentin von Marsalek den Plüsch-Panda einer ÖBB-Managerin, den diese liegen ließ, per Hand geflickt und in einer Kiste nach Wien geschickt haben. Sehr zu deren Entzückung. Die Aktion fruchtete offenbar, wenn man den Recherchen glaubt.

"Ich bin die einzig wahre Quelle"

Bei der EU-weiten Ausschreibung im Mai 2015 mit einem Auftragsvolumen von 24 Millionen Euro ging es um die Abwicklung des elektronischen Zahlungssystems für den ÖBB-Personenverkehr. Das Angebot von Wirecard dürfte anfangs zu teuer gewesen sein. Ein Wirecard-Manager schrieb Mitte September 2015 unter anderem an Marsalek, man habe "konkretes Feedback" von den ÖBB erhalten. "Speziell im Acquiring und Issuing sind wir deutlich teurer als unsere Mitbewerber." Zwei Wochen später kam dann die Mail Marsaleks, in der er betonte, er sei die "einzig wahre Quelle zu Informationen zum Preis".

Die Personenverkehrstochter der ÖBB zog die Ausschreibung zurück und bei der neuen Ausschreibung erhielt Wirecard den Zuschlag. Aufgrund der E-Mail-Korrespondenz kann man vermuten, dass der nun auf der Flucht befindliche damalige Wirecard-Vertriebschef Jan Marsalek Insiderwissen hatte.

Einspruch eines Mitbewerbers erfolglos

Der Einspruch eines Mitbewerbers blieb erfolglos. Mit der Erfüllung des Vertrags durch Wirecard waren die ÖBB später nicht zufrieden, den Berichten der in die Auswertung der Mails involvierten Medien zufolge bezahlte Wirecard bis 2019 Vertragsstrafen von mehreren Hunderttausend Euro.

Den Kontakt zwischen ÖBB und Wirecard soll ein ÖVP-naher Berater hergestellt haben. Dieser erklärte aber gegenüber den recherchierenden Medien, er habe dafür weder einen Vertrag gehabt noch Geld bekommen. Der damalige ÖBB-Chef und spätere SPÖ-Bundeskanzler Kern erklärte, er sei in den Deal nicht eingebunden gewesen.

ribbon Zusammenfassung
  • Aufgrund von E-Mails des flüchtigen Wirecard-Vertriebschefs Jan Marsalek liegt der Verdacht nahe, dass er Insiderwissen über einen 24-Millionen-Auftrag der ÖBB im Jahr 2015 hatte.
  • Das legen Recherchen von ORF, "Profil" und "Standard" nahe, die Zugriff auf E-Mails zwischen den ÖBB und dem mittlerweile insolventen deutschen Zahlungsabwickler Wirecard haben.
  • Bei der EU-weiten Ausschreibung im Mai 2015 mit einem Auftragsvolumen von 24 Millionen Euro ging es um die Abwicklung des elektronischen Zahlungssystems für den ÖBB-Personenverkehr.
  • Das Angebot von Wirecard dürfte anfangs zu teuer gewesen sein, wie ein Wirecard-Verantwortlicher intern anmerkte.
  • Zwei Wochen später kam dann die Mail Marsaleks, in der er betonte, er sei die "einzig wahre Quelle zu Informationen zum Preis". Wirecard erhielt letztlich den Zuschlag.
  • Der damalige ÖBB-Chef und spätere SPÖ-Bundeskanzler Kern erklärte, er sei in den Deal nicht eingebunden gewesen.

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