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Wiens Patientenanwalt beklagt Personalmangel und Wartezeiten

Heute, 10:28 · Lesedauer 4 min

Wiens Pflege- und Patientenanwalt Gerhard Jelinek stellt dem Gesundheitssystem kein gutes Zeugnis aus. Der Personalmangel in den Spitälern und im niedergelassenen Bereich führt oft zu langen Wartezeiten und Mehrklassenmedizin, kritisierte er am Donnerstag bei der Präsentation des Jahresberichts 2024. Betroffen sind vor allem Kassenpatientinnen und -patienten. Jelinek urgierte einen Gesamtvertrag für Kassenleistungen sowie eine Gesundheitsplanung für die Ostregion.

Rund 9.000 Mal wurde die Patientenanwaltschaft im Vorjahr kontaktiert. Registriert wurden dabei rund 1.000 allgemeine Beschwerden und etwa 900 Beanstandungen möglicher Behandlungsfehler, wobei rund 3,25 Mio. Euro an Schadenersätzen erwirkt bzw. ausgezahlt wurden. Der größte Anteil aller dokumentierten Anliegen entfiel auf städtische oder private Spitäler.

Generell beschäftigte die Betroffenen vor allem ein Problem, wie Jelinek berichtete: "Das Hauptthema war und ist die Personalknappheit." Die Qualität der ärztlichen Versorgung sei "grundsätzlich in Ordnung", befand er. Jedoch gebe es viele Klagen über unzumutbare Wartezeiten. Bei planbaren Operationen würden diese zum Teil mehr als ein Jahr betragen, schilderte Jelinek. Erhebliche Engpässe ortete er auch im Bereich der Psychiatrie, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.

Die steigende Lebenserwartung und die gleichzeitige Pensionierungswelle im Gesundheitssystem würden sich auswirken. Die Konsequenz sei, dass man eine Zusatzversicherung brauche oder privat zuzahlen müsse, wenn man raschere Termine möchte. Dies habe eine Mehrklassenmedizin zur Folge. Der Patientenanwalt forderte darum eine Erhöhung der Kopfzahl bei Ärztinnen und Ärzten bzw. im Pflegebereich. Dies könne nicht sofort geschehen, gab er zu bedenken, man müsse jedoch rasch entsprechende Schritte setzen, um gegenzusteuern.

Als "tragisch" beurteilte er weiters die Versorgung von Patienten, die an Long Covid bzw. ME/CFS leiden. Die Betreuung sowohl im niedergelassenen als auch im stationären Bereich sei unzureichend, beklagte Jelinek. Interdisziplinäre Ambulanzen seien sogar geschlossen worden. Dazu komme die starre Haltung der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), was die Prüfung sozialrechtlicher Ansprüche betreffe.

Ostregion-Konzept und Gesamtvertrag gefordert

Hoch blieb laut Jelinek auch die Zahl der Beschwerden sogenannter Gastpatienten. Personen aus Niederösterreich würden sich über Benachteiligungen beklagen. Der Patientenanwalt urgierte eine einheitliche Gesundheitsplanung, sowohl was Versorgung als auch Finanzierung betreffe. Auch in Sachen Kassenärztinnen und -ärzte sieht er Bedarf. Er kritisierte die Verzögerungen beim Abschluss eines österreichweiten Gesamtvertrags. Dieser sei nötig, da der aktuelle Leistungskatalog keinen Anreiz zur Übernahme einer Kassenordination biete. Geschehe das nicht, bestehe die Gefahr, dass weitere Mediziner in den Wahlarzt- bzw. Privatbereich abwandern.

Ebenfalls ein Thema bei den Beschwerden war die Verfügbarkeit bei Medikamenten. Hier ist etwa der Bereich Diabetes betroffen. Laut Jelinek hat die steigende Beliebtheit der "Abnehmspritze" zur Folge, dass es zu Engpässen bei Präparaten für Diabetespatienten kommt.

Positiv wurde vermeldet, dass es einen Rückgang bei Beschwerden zu Wartezeiten auf radiologische Untersuchungen gibt. Dies dürfte laut Pflege- und Patientenanwaltschaft an einer Erhöhung der Zahl kassenfinanzierter MRT-Geräte liegen.

Opposition nimmt Stadt in die Pflicht

Die Opposition machte für die Situation vor allem die Stadtregierung verantwortlich - allen voran Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Die Krise sei hausgemacht, zeigte sich die Wiener FPÖ-Gemeinderätin Angela Schütz überzeugt. "Während Patienten mit Zusatzversicherung oder dicker Geldbörse bevorzugt behandelt werden, müssen sich andere monatelang gedulden." Dies sei nicht nur ein unhaltbarer Zustand, sondern könne auch zu einer dramatischen Verschlimmerung für Patienten führen, hielt sie fest.

Barbara Huemer, die Gesundheitssprecherin der Wiener Grünen, zeigte sich ebenfalls besorgt: "Der Bericht liefert ein düsteres Bild alter wie neuer Probleme." Der Gesundheitsbereich gleiche einer wachsenden, nicht enden wollenden Großbaustelle. Die Empfehlungen müssten ernst genommen werden, befand Huemer. Als besonders wichtig bezeichnete sie die rasche Finanzplanung für die Ostregion.

Auch für die ÖVP dokumentiert der Tätigkeitsbericht "alarmierende" Entwicklungen. "Anstatt nur nach Ausreden zu suchen und die Schuld immer nur anderen zu geben, muss SPÖ-Stadtrat Hacker auch auf Grundlage dieses Berichtes endlich für echte Reformen im Wiener Gesundheitswesen sorgen. Es ist mehr als nur an der Zeit, endlich Verantwortung zu übernehmen", befand der geschäftsführende Parteiobmann Markus Figl.

Zusammenfassung
  • Wiens Pflege- und Patientenanwalt Gerhard Jelinek kritisiert im Jahresbericht 2024 massiven Personalmangel im Gesundheitssystem, was besonders für Kassenpatienten zu langen Wartezeiten und Mehrklassenmedizin führt.
  • Im Jahr 2023 wandten sich rund 9.000 Personen an die Patientenanwaltschaft, darunter etwa 1.000 allgemeine Beschwerden und 900 Beanstandungen möglicher Behandlungsfehler, wobei insgesamt 3,25 Millionen Euro an Schadenersatz ausgezahlt wurden.
  • Die Opposition fordert angesichts von Engpässen, unzureichender Versorgung bei Long Covid und Medikamentenknappheit dringend Reformen und eine einheitliche Gesundheitsplanung für die Ostregion.