APA/ALEX HALADA

Wiener Polizei setzt bei Demonstrationen nicht auf Bodycams

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Seit Montag laufen Proteste gegen die Gas-Konferenz im Wiener Marriott-Hotel, am Dienstagabend hat in der Bundeshauptstadt eine weitere Demonstration stattgefunden. Am Montag war es unweit vom Tagungsort zu einem umstrittenen Polizeieinsatz gekommen.

Die Beamtinnen und Beamten waren nicht mit Bodycams ausgestattet, mit denen sich mögliches Fehlverhalten der Einsatzkräfte bzw. vice versa Übergriffe der Demonstrierenden dokumentieren hätten lassen, bestätigte die Polizei. Wie die Wiener Landespolizeidirektion Dienstagmittag auf APA-Anfrage mitteilte, wären Bodycams im so genannten Großen Sicherheits- und Ordnungsdienst (GSOD) grundsätzlich "nicht zielführend".

Die Kameras müssten auf Brusthöhe getragen, das Einschalten vor der Inbetriebnahme jeweils angekündigt werden. Das sei bei Demonstrationen im Gedränge oder bei Tumulten nicht praktikabel. Die Beweissicherungsteams bei den Kundgebungen am Montag hätten daher auf Teleskop-Kameras zurückgegriffen, erläuterte eine Pressesprecherin.

Amnesty International kritisiert fehlende Bodycams

"Der Einsatz von Bodycams könnte grundsätzlich dazu beitragen, polizeiliches Fehlverhalten zu dokumentieren und Beweise in Fällen von übermäßiger Gewaltanwendung oder anderen Verstößen zu liefern", stellte Amnesty International zu der Thematik fest. Bei Protesten, Kundgebungen und Demonstrationen hätten diese Geräte jedoch "potenzielle Nachteile". Bodycams würden möglicherweise nicht den gesamten Kontext einer Situation erfassen, "was zu Missverständnissen oder Fehlinterpretationen des polizeilichen Verhaltens führen kann", hieß es seitens der Menschenrechtsorganisation.

Allem voran sei die Frage des Ein- und Ausschaltens der Kamera zentral: "Polizistinnen und Polizisten sollten nicht nach eigenem Ermessen entscheiden können, ob sie bzw. er die Kamera einschaltet oder nicht." Zudem wären Bodycams womöglich geeignet, die Persönlichkeitsrechte von Demonstrierenden und Umstehenden zu verletzen. "So könnten die Aufnahmen zu Überwachungszwecken oder zur Verfolgung von Personen verwendet werden, die sich an friedlichen Protesten beteiligt haben", gab Amnesty gegenüber der APA zu bedenken.

Für die Zulässigkeit des Betriebs einer Bodycam sei für die Betroffenen Transparenz essenziell. Für Amnesty International muss daher zum einen sichergestellt sein, dass überhaupt gut erkennbar ist, wenn Polizistinnen und Polizisten mit einer Bodycam ausgestattet sind. Zum anderen muss auch erkennbar sein, wenn eine Videobeobachtung durchgeführt wird: "Eine klar erkennbare Signalleuchte für die eingeschaltete Bodycam ist weithin als Mindeststandard anerkannt."

Bodycams bereits 2019 angekündigt

Der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte im März 2019 unter Verweis auf "intensive Erprobungsphasen" angekündigt, Polizistinnen und Polizisten im Außendienst würden ab sofort regelmäßig sogenannte Body Worn Cameras (BWC) verwenden: "Körperliche Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten werden immer häufiger. Die neuen Geräte helfen, sie bei ihrer täglichen Arbeit zu schützen, und ermöglichen darüber hinaus unwiderlegbare Beweismittel bei Maßnahmen mit Befehls- und Zwangsgewalt."

Das Wissen, dass gefilmt wird, erziele "eine präventive Wirkung bei potenziell gefährlichen Personen", einschreitende Beamte würden so besser geschützt, kommunizierte das damals freiheitlich geführte Innenministerium. Mögliche Gewalttäter würden "von der tatsächlichen Anwendung von Gewalt gegen Polizei und andere Personen eher abgeschreckt", hieß es.

Nach dem Wechsel des Innenressorts zur ÖVP blieb die Haltung zu Bodycams dieselbe. Im Februar 2022 sagte der damalige Generalsekretär im Innenministerium, Helmut Tomac, man werde "die gesamte Polizei" mit Bodycams ausrüsten. Feldversuche mit 400 Geräten hätten sich bewährt. In weiterer Folge wurde die Versorgung aller Polizeidienststellen mit BWC-Geräten avisiert, die Bundesbeschaffungsagentur habe ausreichende Geräte bestellt, vorerst seien 4.000 für die Polizei reserviert.

Nur 92 Bodycams für die Wiener Polizei

Mitte Jänner 2023 waren österreichweit allerdings erst 375 Bodycams im Exekutivdienst verfügbar, davon 92 in Wien. Zumindest in Wien sind es seither nicht mehr geworden. "In so kurzer Zeit wird sich die Anzahl nicht erhöht haben", wusste die Pressestelle der Landespolizeidirektion. Seitens des Innenministeriums hieß es zuletzt, die österreichische Polizei werde bis 2024 "flächendeckend" Bodycams bekommen.

Für Amnesty International ist klar, dass der Einsatz von Bodycams bei Protesten jedenfalls sorgfältig bewertet und gegen die möglichen Risiken und Vorteile abgewogen werden muss. "Dabei sollte der Schutz der Rechte aller beteiligten Personen im Vordergrund stehen", betonte die Menschenrechtsorganisation.

ribbon Zusammenfassung
  • Seit Montag laufen Proteste gegen die Gas-Konferenz im Wiener Marriott-Hotel, am Dienstagabend hat in der Bundeshauptstadt eine weitere Demonstration stattgefunden.
  • Bei Protesten, Kundgebungen und Demonstrationen hätten diese Geräte jedoch "potenzielle Nachteile".
  • Im Februar 2022 sagte der damalige Generalsekretär im Innenministerium, Helmut Tomac, man werde "die gesamte Polizei" mit Bodycams ausrüsten.

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