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Wiener Missbrauchsfall: Opfer-Anwältin sieht "gravierende Versäumnisse"

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Im Missbrauchsfall um einen Sportlehrer, der bis zu seinem Suizid im Mai 2019 an einer Wiener Mittelschule etliche unmündige Buben missbraucht haben dürfte und der womöglich zwei Mittäter hatte, übt nun die Opfer-Anwältin Herta Bauer heftige Kritik an der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) und der Bildungsdirektion Wien.

Der KJA bescheinigt sie "gravierende Versäumnisse und offenkundige Rechtsunkenntnis", der Bildungsdirektion "dienstrechtliche Verfehlungen". In jeweils mit 4. Oktober datierten Schreiben an die beiden Institutionen, die der APA vorliegen, geht Bauer mit der KJA und der Bildungsdirektion hart ins Gericht.

Der Fall im Detail:

Es sei "längst klar", dass nicht nur der Sportlehrer "seine Straftaten gegen Kinder auch im schulischen Verantwortungsbereich begangen hat, sondern dass ihm dies durch das gesamte Umfeld der mit ihm in gegenständlicher Schule tätigen Lehrerschaft bzw. durch die Untätigkeit der Bildungsdirektion über einen derart langen Zeitraum gelang", führt Bauer aus. Dienstrechtliche Verfehlungen wären "auch innerhalb der Bildungsdirektion selbst erfolgt, da Beschwerden von Schülern bzw. Opfern nicht nachgegangen wurde und durch den Bildungsdirektor persönlich noch im Mai diesen Jahres die inhaltlich vollkommen tatsachenwidrige mediale Auskunft erfolgte, dass es zu den Missbrauchshandlungen nur außerhalb der Schule gekommen sei".

"Jahrelange unterlassene behördeninterne Ermittlung"

Bildungsdirektor Heinrich Himmer habe eine "jahrelange unterlassene behördeninterne Ermittlung" zu verantworten und "staatliche Ermittlungsbehörden" nicht eingeschaltet, weshalb die Opfer-Anwältin seinen "sofortigen Rücktritt" fordert. Man erwäge außerdem eine Amtshaftungsklage gegen die Bildungsdirektion sowie eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft "im Hinblick auf Amtsmissbrauch einiger uns namentlich bekannter Personen innerhalb der Bildungsdirektion", heißt es in dem Schreiben wörtlich.

Die Vorwürfe gegen die KJA beziehen sich vor allem auf einen möglichen Mittäter des Sportlehrers, von dem die KJA bereits im Herbst 2018 wusste, dass dieser als Basketball-Trainer in einem Sportverein ihm anvertrauten Buben gegenüber körperlich zu nahe kam. Dies hätte aus Sicht Bauers, die nach eigenen Angaben mehrere Opfer des Sportlehrers vertritt, umgehend der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt werden müssen. Dass sich zu diesem Zeitpunkt kein Opfer des Basketball-Trainers gemeldet hatte, sei "vollkommen unerheblich". Bei Verdachtsmomenten "in so substanzieller Form" hätten "jedenfalls die staatlichen Ermittlungsbehörden eingeschaltet werden müssen", meint Bauer.

Anwältin fordert "dienstrechtliche Konsequenzen"

Das Vorgehen der KJA bezeichnet die Opfer-Anwältin als "schockierend und unhaltbar, weshalb wir Ihnen nur raten können, dienstrechtliche Konsequenzen in Hinblick auf das aktenkundige Vorgehen Ihrer Mitarbeiterinnen [...] zu ziehen sowie eine Selbstanzeige (u.a. wegen möglichem Amtsmissbrauch) zu erwägen". Sowohl die KJA als auch die Bildungsdirektion werden von der Opfervertreterin aufgefordert, ihre Dokumentationen bezüglich des Sportlehrers und der möglichen Mittäter bis kommenden Donnerstag der Staatsanwaltschaft Wien zu übermitteln.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Missbrauchsfall um einen Sportlehrer übt nun die Opfer-Anwältin Herta Bauer heftige Kritik an der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) und der Bildungsdirektion Wien.
  • Der KJA bescheinigt sie "gravierende Versäumnisse und offenkundige Rechtsunkenntnis", der Bildungsdirektion "dienstrechtliche Verfehlungen".
  • In jeweils mit 4. Oktober datierten Schreiben an die beiden Institutionen, die der APA vorliegen, geht Bauer mit der KJA und der Bildungsdirektion hart ins Gericht.

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