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Teuerung: Auch "Mitte der Gesellschaft" immer mehr überschuldet

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Die steigende Inflation setzt den Schuldnern zu. Auch "wer nie etwas falsch gemacht hat", könne nun bei Job-Verlust schneller in die Schuldenfalle rutschen, warnen die Schuldnerberatungen.

In Österreich stieg die Inflation im April weiter, auf 9,8 Prozent. Im Rest der Eurozone ging sie zurück. Auch deshalb ist die "Überschuldung in der Mitte der Gesellschaft angekommen", so der Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatung Clemens Mitterlehner. Die Schuldenberatung berichtet von zehn Prozent mehr Erstkontakten 2022 im Vergleich zum Vorjahr. Im Schnitt beträgt die Überschuldung 61.430 Euro.

Immer öfter würden Menschen vor Schuldenbergen stehen, die eigentlich "keine Fehler" gemacht hätten. Finanziell knapp würde es auch für jene, die sich das Leben "eigentlich gut leisten können", so Mitterlehner.

Weniger Geld, mehr Schulden

Arbeitslosigkeit und weniger Einkommen sind die Hauptgründe für Überschuldung. Wer seinen Job verliert, hat schlagartig nur mehr 55 Prozent des Nettoeinkommens (das Arbeitslosengeld). Die Leute hätten keine Reserven mehr, so Mitterlehner.  Die Schuldnerberatung setzt sich für eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des Nettotagessatzes ein.

Das Existenzminimum in Österreich waren 2022 1.030 Euro. Das würde mit der aktuellen Teuerung nicht mehr ausreichen. Aktuell bräuchte es monatlich 1.371 Euro, um nicht armutsgefährdet zu sein.

Welle an Privatkonkursen

Aktuell gebe es 13,5 Prozent mehr Privatkonkurse, mehr als zwei Drittel davon wurden von der Schuldenberatung begleitet. Im Vergleich zum Vorjahr hatte sich die Zahl der Beratungen Anfang 2023 verdoppelt. Das sei erst der Beginn der Konkurswelle, so Beratungschef Mitterlehner. Die Inflation würde die Situation für Betroffene weiter verschärfen. 

Rauch verteidigt Regierungshilfen

Bei der Präsentation des Schuldenreports verteidigte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) die als wenig treffsicher kritisierten Einmalzahlungen an Haushalte. Dafür hatte die Regierung 30 Milliarden Euro aufgewandt.

 Menschen mit geringem Einkommen geben einen Großteil für Wohnen, Energie und Lebensmittel aus. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Rauch berufen deshalb am 8. Mai einen Lebensmittelgipfel ein.

Heilige Markt-Kuh "schlachten" 

In der "ZIB2" spricht sich der WIFO-Chef Gabriel Felbermayr für Eingriffe in den Markt aus. Weil die Inflation in Österreich rund drei Prozent höher als im Rest der EU ist, würde das Land an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. 

Der Chef des österreichischen Gewerkschaftsbundes, Wolfgang Katzian, sieht die fehlenden Maßnahmen der Regierung als Grund für die weiter steigende Inflation in Österreich. Die Sozialpartner hätten die Regierung bereits 2022 gebeten, inflations-dämpfende Maßnahmen zu setzen, sagt er im "Ö1"-Mittagsjournal am Mittwoch. 

Katzian wünscht sich Preisdeckel bei Wohnen, Lebensmittel und Energie. Die Einmalzahlungen der Regierung hätten nicht geholfen. Der Markt sei eine "heilige Kuh" gewesen, die niemand anfassen will, aber Katzian sieht den Eingriff mittlerweile als notwendig.

Tipps gegen die Schuldenfalle

Schuldnerberaterin Gudrun Steinmann hat im Gespräch bei Café Puls bereits Anfang März grundlegende Tipps gegeben, um nicht in die Schuldenfalle zu geraten.

Schuldenfallen im Check

Wegen der anhaltenden Inflation wenden sich immer mehr Menschen an Schuldnerberatungen. Expertin Gudrun Steinmann erklärt, wo die Gefahren liegen und wie man sich selbst helfen kann.

Tipps gegen Überschuldung

  • Überblick über Einnahmen und Ausgaben
  • Haushaltsbuch führen
  • Ansprüche auf finanzielle Unterstützung und Sozialleistungen klären
  • Bankomat-/Kreditkarte zu Hause lassen, um Spontan-Zahlungen zu vermeiden
  • Kostenlose Budgetberatung in Anspruch nehmen
  • Kostenlose Schuldnerberatung aufsuchen, wenn Rechnungen nicht mehr pünktlich bezahlt werden können
ribbon Zusammenfassung
  • Anfang 2023 hat sich die Zahl der Erstberatungen bei der Schuldenberatung verdoppelt.
  • Das sei aber erst der Anfang: Die steigende Inflation setzt den Schuldnern zu.
  • Auch "wer nie etwas falsch gemacht hat", könne nun bei Job-Verlust schneller in die Schuldenfalle rutschen.

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