Reichlich unchristlich
Leichenfledderer bis "Pornokratie": Die ärgsten Päpste
Die Katholische Kirche hatte bisher offiziell 266 Päpste - darin ist ein Papst gleich dreimal eingerechnet (dazu später mehr). Hinzu kommen noch mehrere Gegenpäpste im Laufe des Mittelalters. Bei so einer großen Auswahl finden sich auch einige Amtsträger, die nicht ganz dem heutigen Bild eines Papstes entsprechen.
Besonders im Mittelalter und in der Renaissance war das Papsttum ein großer politischer Machtfaktor in Europa. Als weltlicher Herrscher über Rom war das Amt des Papstes im Frühmittelalter Gegenstand erbitterter Machtkämpfe von römischen Adelsgeschlechtern.
Auch der Lebensstil der Päpste war sehr weltlich - der Zölibat wurde in der römisch-katholischen Kirche erst 1073 eingeführt. Ihr unchristlicher Lebenswandel löste schließlich die Reformation aus.
Benedikt IX., der Multi-Papst
Benedikt IX. ging als einziger Papst, der sein Amt dreimal bekleidete, in die Geschichte ein. Wann genau er geboren wurde, ist unklar, ebenso wie alt er bei seiner Wahl war. Historiker gehen davon aus, dass er wohl ein Teenager um die 14 war, als er im Jahr 1032 zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gewählt wurde.
1044 erhob sich die Bevölkerung von Rom gegen ihn - warum, das lässt sich aufgrund der widersprüchlichen Quellen und späterer Propaganda nicht mehr rekonstruieren. Einige seiner Nachfolger (die aus verfeindeten Adelsfamilien stammten) warfen ihm vor, ein Lüstling und Mörder gewesen zu sein.
Sein Nachfolger Silvester III. wird nicht als legitimer Papst anerkannt und wurde bereits 1045 von Benedikt IX. selbst mit Waffengewalt wieder abgesetzt.
-
Mehr lesen: Die wichtigsten vatikanischen Begriffe erklärt
Wieder an der Macht zeigte sich Benedikt IX. allerdings amtsmüde. Noch im selben Jahr überließ er das Papstamt gegen eine hohe Geldsumme seinem Taufpaten, der als Gregor VI. bis heute als legitimer Papst gilt. Benedikts Widersacher Silvester III. erhob allerdings weiter Anspruch auf das Papsttum.
Der römisch-deutsche Kaiser Heinrich III. ließ 1046 einen neuen, legitimen Papst - Clemens II. - wählen. Da dieser bereits 1047, nach knapp 10 Monaten, starb, erschien Benedikt IX. wieder und holte sich das Papstamt zurück.
Als der Kaiser aber mit einem Kriegszug drohte, ließ Benedikts militärischer Unterstützer ihn fallen und er gab das Papstamt im Jahr 1048 zum zweiten und letzten Mal auf. Benedikt IX. starb um 1055 herum.
Alexander VI., der Möchtegern-Dynastiegründer
Einer der schillerndsten und berüchtigtsten Renaissance-Päpste war Alexander VI., bürgerlich Rodrigo Borgia. Schon als Kardinal führte er ein ausschweifendes Leben und verbarg dies öffentlich ebenso wenig wie die neun Kinder, die er mit verschiedenen Geliebten hatte. Zwei davon wurden gar während seiner Amtszeit als Papst geboren - von seiner 40 Jahre jüngeren Geliebten.
Alexander VI. wollte durch das Pontifikat eine eigene Herrscherdynastie begründen. Zum Papst gewählt wurde er 1492 - wie damals üblich - dank umfangreicher Bestechungsgelder.
-
Mehr lesen: So läuft die Papst-Wahl im Vatikan ab
Alexanders Sohn Cesare Borgia begann mit Unterstützung seines päpstlichen Vaters, der ihn auch zum Kardinal machte, ein eigenes Fürstentum in der Romagna zu erobern. Der Staatsphilosoph Niccolò Machiavelli pries ihn wegen seiner Rücksichts- und Skrupellosigkeit als "idealen Fürsten".
Alexanders Tochter Lucrezia, der er zwischenzeitlich die Amtsgeschäfte im Vatikan überließ, verheiratete er mehrmals aus machtpolitischen Gründen. Die erste Ehe ließ Alexander annullieren, als sie ihm keinen Nutzen mehr brachte. Lucrezias zweiter Ehemann wurde auf Geheiß ihres Bruders Cesare ermordet.
Schon zu Lebzeiten kursierten deshalb Gerüchte über Inzest in der Borgia-Familie - sowohl zwischen Bruder und Schwester als auch zwischen Vater und Tochter.
Dass Alexanders Leichnam nach seinem Tod 1503 - es gab hartnäckige Gerüchte über einen Giftmord - in der römischen Augusthitze schnell aufquoll und sich verfärbte, sahen viele Zeitgenossen als Zeichen, dass seine Seele vom Teufel geholt worden war.
Seine Dynastie zerfiel mit Alexanders Tod. Lediglich seine Tochter Lucrezia überlebte den Fall der Borgias als geehrte Herzogin von Ferrara - dank ihrer dritten Ehe, zu der sie von ihrem Vater gezwungen worden war.
Stephan VI., der Leichenfledderer
Über den gerade einmal ein Jahr amtierenden Papst Stephan VI. ist wenig bekannt - das, was man von ihm weiß, hat es allerdings in sich. Die Umstände seiner Wahl im Jahr 896 sind unklar, er wurde aber vom mächtigen Adelsgeschlecht Spoleto unterstützt, das mit anderen um die Macht im Kirchenstaat kämpfte.
Wohl deshalb ließ er die Leiche seines Vor-Vorgänger Formosus ausgraben und vor Gericht stellen. Der bereits verwesende Leichnam - Formosus war seit mehr als neun Monaten unter der Erde - wurde wieder in die päpstlichen Gewänder gekleidet und wegen Meineids und Usurpation angeklagt.
Diese sogenannte "Leichensynode" ging in die Geschichte ein. Der Tote wurde wenig überraschend schuldig gesprochen. Daraufhin wurden ihm Daumen, Zeige- und Mittelfinger abgeschnitten (da sie "widerrechtlich" zum Segnen verwendet wurden) und die Leiche in den Tiber geworfen.
Anhänger des Formosus bargen die Leiche und bestatteten ihn heimlich. Später wurde er im Petersdom bestattet.
Die "Leichensynode" löste einen Aufstand in Rom aus. Stephan VI. wurde von den Aufständischen eingekerkert und später in seiner Zelle erdrosselt.
Julius II., der "schreckliche Papst"
Julius II. war zu Lebzeiten der größte Widersacher von Alexander VI. und 1503 dessen Nach-Nachfolger. War er also das Gegenteil des ausschweifenden und intriganten Borgia-Papstes? Irgendwie schon - allerdings nicht viel tugendhafter.
Sein Papstname soll von Julius Cäsar inspiriert gewesen sein. Dafür spricht, dass er der wohl kriegerischste Papst der Kirchengeschichte war. In seinen Feldzügen nahm er in einer silbernen Rüstung auch selbst an Schlachten teil. Wegen seiner Gnadenlosigkeit und seiner blutigen Kriege nannte ihn Martin Luther einen "Blutsäufer".
Der Choleriker Julius II. war gefürchtet wegen seiner Wutausbrüche. Dies wurde in späteren Jahren noch verstärkt durch die Syphilis, mit der er sich wohl bei einer Prostituierten angesteckt hatte.
Sein größtes Vermächtnis ist der unter ihm begonnene Neubau des Petersdoms. Dafür engagierte er den berühmten Architekten Donato Bramante. Das Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo gab er ebenfalls in Auftrag. Michelangelo errichtete auch sein Grabmal.
Für die neuen Monumentalbauten ließ Julius rücksichtslos ganze Viertel einreißen. Die Bevölkerung nannte ihn deshalb den "Papa terribile", den "schrecklichen Papst".
Sixtus IV., seine Kapelle war das einzig Gute
Apropos Sixtinische Kapelle: Der Ort der Papst-Wahl wurde vom Onkel von Julius II. errichtet - Papst Sixtus IV. Ihm verdankte Julius seinerzeit sein Kardinalsamt und er war nicht der einzige. 34 Kardinäle ernannte Sixtus in seiner Amtszeit von 1471 bis 1484, nicht wenige davon enge Verwandte.
Zeitgenössische Polemiken sagen Sixtus IV. nach, er habe auch seine Lustknaben in Kardinalsämter gehievt. Zwar herrschte in der damaligen Propaganda ein rauer Ton, nie war einem Papst aber so offen nachgesagt worden, ein "Buben-Liebhaber und Sodomit" zu sein.
-
Mehr lesen: Papst-Wahl beginnt am 7. Mai
Sixtus galt ursprünglich als sehr fromm und theologisch versiert. Als Papst habe er sich jedoch durch "Wollust, Geiz, Prunksucht, Eitelkeit" ausgezeichnet, schreibt ein Chronist später. Bei seinen Geldquellen zeigte er wenig Skrupel: So soll Sixtus in Rom öffentliche Bordelle eröffnet haben, deren Einkünfte der Kirche zugutekamen. Weiters soll er unverhüllt Simonie, also das Verkaufen von Kirchenämtern, betrieben haben.
Das Geld benötigte er einerseits für seine Prachtbauten in Rom, andererseits für seine politischen Ambitionen und Kriege. Seine Pläne scheiterten aber.
Als seine Verbündeten vom Krieg gegen die Republik Venedig abfielen, soll der bereits kranke Sixtus aufgrund eines Tobsuchtsanfalls einen Schlaganfall erlitten haben, an dem er dann auch starb.
Sergius III., der Beginn der "Pornokratie"
Die päpstliche Karriere von Sergius III. beginnt im Jahr 898 als Gegenpapst zum eigentlich legitimen Papst Johannes IX. Er kann sich jedoch nicht gegen die Partei der Anhänger des Formosus (den der knapp ein Jahr zuvor ermordete Stephan VI. exhumieren und vor Gericht stellen ließ) durchsetzen.
Zwei Päpste (deren Tod laut einigen Chronisten auf das Konto von Sergius III. geht) und ein Gegenpapst später schlug allerdings die Stunde des Sergius. Im Jahr 904 wurde er - diesmal legitim - zum Papst gewählt. Weil die Machtkämpfe diverser römischer Adelsfamilien immer noch tobten, ließ Sergius III. seinen zwischenzeitlich rehabilitierten Vorgänger Formosus wieder ächten und die Beschlüsse der makabren "Leichensynode" (siehe oben) wieder in Kraft setzen.
Ein Chronist behauptet, Sergius habe den armen Formosus gar ein zweites Mal ausgraben und vor Gericht stellen lassen, das ist aber nicht gesichert.
Sergius gehörte der Partei des Hauses Tusculum an. Marozia, die Tochter des Fürsten von Tusculum, soll nicht nur Sergius' Geliebte gewesen sein. Ihr Sohn - der spätere Papst Johannes XI - soll Sergius' Sohn gewesen sein. Dabei könnte es sich allerdings auch nur um spätere üble Nachrede handeln.
Papst Sergius III. starb 911. Mit ihm beginnt der Abschnitt der sogenannten "Pornokratie", in der die Päpste bzw. der Kirchenstaat von ihren Liebhaberinnen dominiert waren. So genannt wurde sie vor allem von protestantischen Historikern im 19. Jahrhundert, auch hier dürfte eine gewisse Voreingenommenheit mitspielen.
Was uns selbst die Propaganda verrät
Ob es sich bei den Vorwürfen gegen die verschiedenen Päpste um Tatsachen oder Verleumdungen handelt, ist nicht immer klar. In jedem Fall wird deutlich, dass die 1.500-jährige Geschichte des Vatikans viele Exzesse und teils blutige Machtkämpfe erlebt hat.
Zusammenfassung
- Das Papsttum kann inzwischen auf eine mindestens 1.500-jährige Geschichte zurückblicken.
- Nicht immer waren die katholischen Kirchenoberhäupter allerdings so fromm, keusch oder tugendhaft, wie man es sich heutzutage von einem Papst erwartet.
- Einige der Papst-Biografien machen sogar Serien wie "Game of Thrones" Konkurrenz.