APA/APA/THEMENBILD/HELMUT FOHRINGER

Rechnungshof kritisiert Haftbedingungen in Justizanstalten

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Der Rechnungshof (RH) kritisiert in zwei am Freitag veröffentlichten Berichten ("Follow-up-Überprüfung zur Steuerung und Koordinierung des Straf- und Maßnahmenvollzugs" und "Resozialisierungsmaßnahmen der Justiz") die Haftbedingungen in den heimischen Justizanstalten (JA). Diese befinden sich seit Jahren an der Auslastungsgrenze, sind teilweise überbelegt und haben mit Personalmangel zu kämpfen, was sich negativ auf die Häftlinge und die Resozialisierungsbemühungen auswirkt.

Die beiden Prüfberichte beziehen sich auf die Jahre 2018 bis 2022, die Lage im Strafvollzug hat sich im Vorjahr kaum gebessert, konstatiert der Rechnungshof. In etlichen Gefängnissen fehlt es demnach an Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten. Die Insassinnen und Insassen speziell in den Landesgerichtlichen Gefangenenhäusern bleiben oft bis zu 23 Stunden am Stück in ihren Zellen eingesperrt. Vor allem nachmittags und an den Wochenenden gibt es keine zweckmäßigen Aktivitäten für die Häftlinge, weil die anstaltseigenen Betriebe geschlossen sind und Tagesgestaltung nur begrenzt möglich ist.

Im Vorjahr lag die Beschäftigungsquote in der JA Wien-Simmering etwa bei mageren 69 Prozent, in der JA Gerasdorf dagegen bei 94 Prozent. Grundsätzlich konnte die durchschnittliche Beschäftigungsdauer im überprüften Zeitraum laut Rechnungshof auch nicht nachhaltig gesteigert werden. Im Jahr 2022 betrug sie 3,16 Stunden pro Werktag und Häftling. Es kam auch regelmäßig zu Schließungen der anstaltseigenen Betriebe, was sich negativ auf die Motivation der Beschäftigten auswirkte, kritisierte der RH.

Zum Zeitpunkt der Prüfung durch den RH gab es österreichweit 452 Betriebe in den Justizanstalten wie Schlossereien oder Tischlereien. Ein Teil dieser Betriebe - etwa Küchen, Bäckereien und Wäschereien - dient allerdings der Systemerhaltung. In sogenannten Unternehmerbetrieben verrichten Häftlinge auch Arbeiten für externe Firmen. Positiv gewertet wurde von den RH-Prüferinnen und -Prüfern das Angebot von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Häftlinge. Allerdings müssten diese angepasst werden, weil sich die Population der Häftlinge verändert habe. So hätten sich vielfach die Grundqualifikationen geändert, wie etwa das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse. Der Anteil der nicht-österreichischen Häftlinge liegt seit Mitte der 2010er-Jahre bei etwa 50 Prozent oder knapp darüber, so der RH. 2022 waren 16,4 Prozent der Häftlinge EU-Bürgerinnen bzw. -Bürger sowie 33,7 Prozent Drittstaatenangehörige. Daher können nachhaltig qualifizierende Berufsausbildungen nur mehr begrenzt durchgeführt werden. In der JA Wien-Simmering konnten die Ausbildungsplätze für eine Facharbeiterintensivausbildung mangels geeigneter Häftlinge etwa nicht mehr vollständig besetzt werden.

Dabei seien ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten in Form von Arbeit oder Ausbildung wesentliche Faktoren für ein positives Anstaltsklima und die Resozialisierung, wozu die Justizanstalten an sich gesetzlich verpflichtet sind. Folglich müsse verstärkt in die Personalentwicklung investiert werden, empfehlen die RH-Prüferinnen und -Prüfer, die eine weitere Verschärfung der Personalsituation befürchten.

Zwar waren Anfang 2023 die Planstellen im Strafvollzug zu 96 Prozent besetzt. Es fehlten aber immer noch mehr als umgerechnet 130 Vollzeitbeschäftigte. Gleichzeitig ging die Zahl der Bewerbungen bei der Justizwache zwischen 2019 und 2022 um mehr als ein Viertel zurück. Parallel gingen auch die insgesamt vorhandenen Haftplätze zurück. Mit Stichtag 1. März 2023 gab es in den 28 österreichischen Justizanstalten 9.127 Häftlinge. Die Möglichkeit, die Belegung zu reduzieren - der RH führt hier etwa den elektronisch überwachten Hausarrest oder die Überstellung von Häftlingen zum Strafvollzug im Herkunftsland an - waren aufgrund der rechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen begrenzt. Als Beispiel nannte der RH, dass etwa die Überstellungsverfahren im Zeitraum 2015 bis 2018 durchschnittlich zwischen sieben Monaten und einem Jahr bei EU-Staaten bzw. bis zu zwei Jahren bei Drittstaaten dauern.

"Ohne entlastende Maßnahmen wird das Problem der Überbelegung nur mit einem Ausbau der Haftplatzkapazitäten bewältigt werden können", notierte daher der Rechnungshof, der daneben verbesserte Betriebsstrukturen und mehr Beschäftigungs- und Bildungsangebote in den Justizanstalten fordert. Eine vom Justizministerium geplante Novelle des Strafvollzugsgesetzes mit Fokus auf Maßnahmen zur Resozialisierung soll zukünftig zur Entlastung der Justizanstalten führen.

Was den Maßnahmenvollzug betrifft, vermisst der Rechnungshof ungeachtet des am 1. März 2023 in Kraft getretenen Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetzes die Umsetzung jener Punkte, "die sicherstellen sollten, dass strafrechtlich untergebrachte Personen adäquat und zeitgemäß behandelt und betreut werden". Positiv beurteilt der Rechnungshof, dass das Justizministerium ein eigenständiges Wirkungsziel für den Strafvollzug festgelegt hat, der den Bund im Jahr 2022 rund 600 Millionen Euro gekostet hat. Der besondere Fokus wurde auf die Reintegration und Rückfallprävention der Häftlinge gelegt. Dem Rechnungshof fehlt jedoch eine Kennzahl, die die Wirkung der Resozialisierungsmaßnahmen im Hinblick auf die Rückfälligkeit entlassener Häftlinge misst. Allerdings soll diese Kennzahl in Zukunft implementiert werden, indem die sogenannte Wiederkehrerquote - der Anteil der Personen, die innerhalb von vier Jahren nach Entlassung aus Haft oder Unterbringung neuerlich in Strafhaft oder Anstaltsunterbringung kommen - miteinbezogen wird. Für eine qualitative Wirkungsmessung wird dem Justizministerium die Beiziehung einschlägiger wissenschaftlicher Einrichtungen, insbesondere aus dem universitären Bereich, empfohlen, um vertiefte Untersuchungen zur Wirksamkeit des Strafvollzugs und zur Lebenssituation ehemaliger Häftlinge einzuholen.

NEOS-Justizsprecher Hannes Margreiter bezeichnete den RH-Bericht als "Bankrotterklärung für die Justizministerin" (Alma Zadić , Grüne, Anm.). Und weiter: "Dass die Regierungsbeteiligung der Grünen auch in diesem Bereich keine substanzielle Verbesserung gebracht hat, ist bezeichnend für den Stillstand in dieser Bundesregierung. Ein Stillstand, der gefährlich ist - dass zuletzt so viele Häftlinge flüchten konnten, ist schließlich auch auf die Unterbesetzung in den Justizanstalten zurückzuführen", so Margreiter. Zadić gefährde mit ihrer Untätigkeit "die Sicherheit in unserem Land". Auch die gesetzlichen Änderungen im Maßnahmenvollzug hätten nichts daran geändert, dass Österreich hier nach wie vor grundlegende "menschenrechtliche Standards nicht einhält". "Wir brauchen echte therapeutisch-forensische Zentren, in denen die Menschen nicht einfach weggesperrt, sondern therapiert und resozialisiert werden", sagte der Justizsprecher der NEOS.

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim sieht bekannte Mängel bestätigt: "Seit Jahren gibt es in den Justizanstalten eine enorme Personalnot. Hunderte offene Stellen können nicht besetzt werden, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind überlastet und müssen viel zu viele Überstunden leisten." Menschen nur wegsperren kann keine Lösung sein, es brauche entsprechende therapeutische Angebote im Maßnahmenvollzug.

Das Justizministerium verwies in einer Stellungnahme auf 135 neue Planstellen für das Jahr 2024. Seit Beginn der Legislaturperiode seien insgesamt rund 650 neue Planstellen geschaffen und "auch das jahrzehntelange Kaputtsparen der Justiz und hier auch besonders des Straf- und Maßnahmenvollzugs konnte so beendet werden". Ebenso konnte bereits mit dem Budget 2023 eine Budgetsteigerung von rund 114 Millionen Euro für den Bereich des Straf- und Maßnahmenvollzuges erreicht werden, wurde betont. Für das Jahr 2024 sei eine weitere Erhöhung der Mittel für den Straf- und Maßnahmenvollzug um 60 Millionen Euro vorgesehen. Damit gäbe es im Jahr 2024 insgesamt 755 Millionen Euro Budget alleine in diesem Bereich. Insgesamt sei das Justizbudget in der laufenden Legislaturperiode von knapp 1,6 Milliarden auf rund 2,4 Milliarden Euro erhöht worden. Das entspreche einer Steigerung von rund 50 Prozent, hieß es aus dem Ressort. "Die damit möglichen Verbesserungen zeigen sich naturgemäß erst nach einiger Zeit und werden auch entsprechend evaluiert."

ribbon Zusammenfassung
  • Der österreichische Rechnungshof bemängelt schlechte Haftbedingungen und die Auswirkungen auf die Resozialisierung in Justizanstalten, basierend auf Berichten von 2018 bis 2022.
  • Trotz 96-prozentiger Besetzung der Planstellen im Strafvollzug Anfang 2023 fehlen über 130 Vollzeitkräfte, während die Bewerbungen bei der Justizwache stark zurückgegangen sind.
  • Das Justizministerium verzeichnete 2022 Kosten von 600 Millionen Euro für den Strafvollzug, doch fehlt eine Kennzahl zur Messung der Rückfallprävention entlassener Häftlinge.