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Rassismus am Wohnungsmarkt: "Willkürlich, wen es trifft"

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Während die Wohnung für Michael noch verfügbar ist, ist sie für Muhammad "schon vergeben". Das ist ein Szenario, das auf dem österreichischen Wohnungsmarkt noch oft vorkommt, wie Studien belegen. Wie rassistisch ist der österreichische Wohnungsmarkt wirklich? Und was kann man als Betroffener dagegen tun?

Muhammad und Michael sind auf Wohnungssuche. Beide rufen sowohl bei privaten Vermieter:innen als auch Makler:innen an, um nach einem Besichtigungstermin zu fragen. Sie sind in demselben Alter, ledig und haben dasselbe Gehalt. Es unterscheiden sie nur zwei Merkmale: Ihr Name und Akzent, der auf unterschiedliche Herkünfte hindeutet.

Und genau das soll der Grund sein, warum Michael auf dem Wohnungsmarkt bevorzugt wird und oftmals frühere Besichtigungstermine bekommt als Muhammad.

Wohnung für Muhammad vergeben - für Michael noch verfügbar

Das zeigt eine SORA-Studie aus dem Jahr 2023, die von der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) in Auftrag gegeben wurde. Für die Studie haben die beiden Tester "Muhammad Asif" und "Michael Gruber" bei 157 Wohnungen in Wien, Graz, Innsbruck und Linz angerufen, mit der Bitte um einen Besichtigungstermin.

Der Tester ohne zuschreibbarem Migrationshintergrund erhielt in allen 157 Fällen eine solche Einladung, "Muhammad Asif" jedoch nur in 78 Telefonaten. In 10 Prozent der Fälle wurde Muhammad außerdem zu einem späteren Termin eingeladen, obwohl er zuerst angerufen hat.

Dabei ist die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft in Österreich verboten.

Lotto-Sechser: "Sie sind der erste Österreicher, der anruft"

PULS 24 hat mit Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), über das Thema gesprochen.

"Es war teilweise auch sehr offen rassistisch", meint sie in Erinnerung an die SORA-Studie - "vor allem wenn Herr Asif die Info bekommt, die Wohnung sei schon vergeben, während Her Gruber, der wenig später anruft, einen Besichtigungstermin erhält". Manche der gestellten Fragen, wie die nach dem Beruf, seien auch ganz nachvollziehbar gewesen. Auffällig sei jedoch, dass diese Fragen nur an den vermeintlich nicht österreichischen Wohnungsbewerber gestellt wurden, nicht jedoch an "Michael Gruber". 

So bekam "Michael Gruber" bei einem der Anrufe auch den Satz zu hören: "Sie haben den Lotto-Sechser gewonnen. Sie sind der erste Österreicher, der mich anruft".

Video: Vergabe-Skandal - Rassismus am Wohnungsmarkt?

Stereotype, Geschichten, Vorurteile

Aber woher kommt dieses Verhaltens seitens der Makler:innen bzw. Vermieter:innen? "Vorurteile und Ängste", schätzt Konstatzky. "Rassismus ist in unserer Gesellschaft so weit verbreitet, passiert den Menschen in so einem häufigen Alltagsgeschehen. Das können wir, die nicht von Rassismus betroffen sind, uns auch gar nicht vorstellen."

Es gebe genug Stereotype, Geschichten, Vorurteile, die schwer wegzubekomme seien. "Es gibt diese rassistischen Erzählungen in unseren Köpfen, die heißen: Wenn man Ausländer in eine Wohnung lässt, dann kriegt man sie nicht raus, dann zahlen die nicht und dann ist alles schmutzig. Das sind die dahinterliegenden Vorurteile, die zu einem derartigen Verhalten führen", so Konstatzky. 

Rassismus ist in unserer Gesellschaft so weit verbreitet, passiert den Menschen in so einem häufigen Alltagsgeschehen. Das können wir, die nicht von Rassismus betroffen sind, uns auch gar nicht vorstellen.

Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW)

"Willkürlich rassistisch, wen es trifft"

Dabei sei es "willkürlich rassistisch, wen es trifft". "Was ist ein "deutscher" Name und was ist kein "deutscher" Name? Das ist absurd", meint Konstatzky.

Das oftmals aber auch viel anti-muslimischer Rassismus dahintersteckt, bestätigt auch eine Studie der Johannes-Kepler-Universität (JKU), bei der eine Abstufung bei der Bevorzugung der Mieter:innen zu erkennen war.

Laut dieser Studie werden autochthone Österreicher:innen am ehesten für eine Wohnungsvergabe bevorzugt, gefolgt von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Auf dem dritten Platz landeten Personen aus der Türkei, auf dem letzten Platz waren Syrer:innen und Araber:innen. 

Was können Betroffene tun?

Sollte man das Gefühl haben, am Wohnungsmarkt diskriminiert worden zu sein, kann man sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden. Dabei ist es ratsam seine Erfahrung zu dokumentieren. Auch könne man schauen, ob für die betreffende Wohnung eine Anzeige vorliegt, die Hinweise auf rassistische Diskriminierung enthält und die als Beweis dienen könnte.

In den einzelnen Fällen könne man sich dann genauer anschauen, ob tatsächlich Hinweise für eine rassistische Diskriminierung vorliegen und Betroffenen helfen, diese auch glaubhaft zu machen.

Trotzdem bleibe in solchen Fällen "ein bitterer Nachgeschmack", so Konstatzky. Denn Betroffene können zwar Schadensersatz einfordern, jedoch nicht die Wohnung einklagen.

Bei Rassismus ist es oft so, dass es schön geredet wird oder immer noch verneint wird, dass es das ist. Da ist noch viel Luft nach oben in der Bewusstseinsbildung.

Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW)

"Das darf nicht passieren"

Die GAW habe ihre Empfehlungen an die Immobilienbranche ausgesprochen, von der laut Konstatzky eine Verantwortungsübernahme sichtbar war, "ihre Mitglieder mit uns gemeinsam zu sensibilisieren und klar zu sagen: Das ist ein No-Go, das darf nicht passieren".

So habe die Branche einen Folder mit Empfehlungen an ihre Mitglieder rausgegeben, oft würde die GAW auch Fortbildungen für Firmen machen. Das sei zwar "nicht alles", aber zumindest "ein Schritt". Die GAW fordert außerdem in solchen Fällen seit langem ein Verbandsklagerecht, um diskriminierendes Verhalten auch tatsächlich abstellen zu können.

"Letztentscheid bei Vermieter"

Immobilienmakler:innen würden "äußerst sorgfältig mit Anfragen von Wohnungssuchenden" umgehen und "für eine faire Vergabe im Dialog mit den Vermieter:innen" sorgen, meint Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbands der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) auf PULS 24-Anfrage.

Man  stelle "schon seit Jahren Informationsmaterial für die Vermieter:innen zur Verfügung" und werde "das Service weiter ausbauen". Auch der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) weise in Ausbildungen und Schulungen "klar darauf hin, dass eine Diskriminierung verboten ist".

Beide Verbände betonen jedoch: Makler:innen seien den Vermieter:innen verpflichtet und diese würden den Letztentscheid zur Vergabe einer Wohnung tragen. Diese Abschlussfreiheit müsse laut Gollenz am privaten Immobilienmarkt erhalten bleiben.

ribbon Zusammenfassung
  • Während die Wohnung für Michael noch verfügbar ist, ist sie für Muhammad "schon vergeben".
  • Das ist ein Szenario, das auf dem österreichischen Wohnungsmarkt noch oft vorkommt, wie Studien belegen.
  • Wie rassistisch ist der österreichische Wohnungsmarkt wirklich? Und was kann man als Betroffener dagegen tun?

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