Prozessauftakt "um größtes Hawala-Büro in Österreich"
Über das Lokal sollen seit August 2021 bis Ende März 2024 nach dem traditionellen, im arabischen Raum gängigen System Zahlungen für hunderte Schlepper-Fahrten abgewickelt worden sein. Der 41-Jährige, nach außen hin Geschäftsführer des Lokals, sei "der Chef" gewesen, sagte der Staatsanwalt. Den um vier Jahre jüngeren Bruder sowie die 45 Jahre alte Zweitfrau des Syrers bezeichnete der Anklagevertreter als jeweils "rechte Hand des Erstangeklagten". Die drei hätten "in ganz, ganz großem Stil Schlepperei betrieben". Allein im ersten Quartal des Vorjahrs hätten von ihnen beschäftigte Geldkuriere "bei 21 Fahrten mehrere Millionen Euro Bargeld transportiert", wobei das Geld teilweise im Wohnhaus der 45-Jährigen in Wien-Floridsdorf gebunkert worden sei, verriet der Staatsanwalt.
Die Angeklagten bekannten sich zur Schlepperei "nicht schuldig". "Die Staatsanwaltschaft hat sich zum Ziel gesetzt, das Hawala-System zur Strecke zu bringen", sagte der Verteidiger des Hauptangeklagten. Dabei funktioniere dieser internationale Zahlungsverkehr außerhalb des organisierten Bankwesens "ähnlich wie Western Union-Überweisungen": ein Auftraggeber leiste eine Bareinzahlung gegen Entgelt an einen sogenannten Hawaladar, der das Bargeld entgegennimmt und einen zweiten Hawaladar im Ausland einschaltet. Der Empfänger kann das Geld dort mit dem Code in Empfang nehmen. Für ihre Dienste verrechnen die beiden Hawaladar jeweils eine Gebühr.
Dass es sich bei den Transaktionen um Zahlungsbewegungen für Schlepper-Fahrten handelte, hätten sie nicht gewusst, versicherten die Angeklagten. Verteidiger Andreas Reichenbach, der den jüngeren Bruder vertritt, verwies darauf, dass gegen die Angeklagten seit Jahren ermittelt worden sei. Man habe die Ermittlungen immer wieder eingestellt, "weil kein strafbares Verhalten festgestellt werden konnte. Deshalb haben sie das weiterbetrieben."
"Folterung" eines Geldkuriers auch verfahrensgegenständlich
Neben der Schlepperei geht es in dem Prozess auch um Vergewaltigung, schwere Körperverletzung und schwere Nötigung. Die drei Angeklagten sollen einen Geldkurier in die Mangel genommen haben, nachdem dieser am 5. März 2024 355.000 Euro von Deutschland nach Wien bringen und im Haus der 45-Jährigen abliefern hätte sollen. Der Mann wurde allerdings auf der A22 bei Stockerau von zwei bisher unbekannten Tätern ausgeraubt. Diese hätten den Kurier auf der Autobahn angehalten und ihm das Geld abgenommen, indem sie ihn mit einem Messer und einer Pistole bedroht hätten, wie der Staatsanwalt ausführte.
Als der Kurier gegen Mitternacht mit leeren Händen in Floridsdorf eintraf, glaubten ihm die Angeklagten die Geschichte vom Raub nicht. Sie hätten daraufhin "Handlungen gesetzt, die man laienhaft als Folter bezeichnen kann", sagte der Staatsanwalt. Um ihn zu einem Geständnis zu bewegen, dass er das Geld unterschlagen hatte und das Versteck preiszugeben, versetzte ihm das Brüderpaar zunächst Faustschläge ins Gesicht. Die Frau holte dann einen Ledergürtel, mit dem der Mann malträtiert wurde. Danach wurde er teilweise entkleidet und die Brüder sollen ihn auf eine Art und Weise gequält haben, die aus Sicht der Staatsanwaltschaft den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllte.
Weil er weiter standhaft bei der Raubversion blieb, soll die 45-Jährige schließlich eine Gartenschere geholt haben, um dem Mann "die Zehennägel zu ziehen", schilderte der Staatsanwalt: "Das ist nicht gelungen, weil sich das Opfer so gewehrt hat." Am Ende sei dem Mann "als vorläufige Schuldenbegleichung" sein Pkw abgenommen und eingeschärft worden, nicht zur Polizei zu gehen, sonst würden seine Kinder getötet.
Angeklagte Brüder räumten "Abreibung" ein
Während die 45-jährige Frau jedwede Beteiligung am Martyrium des Kuriers in Abrede stellte, räumten die Männer "massive Tätlichkeiten" ein. Man habe dem Opfer "seine Raubers'gschicht nicht geglaubt", sagte ein Verteidiger. Man habe ihm "eine Abreibung" erteilt. Die inkriminierte Vergewaltigung und die Sache mit der Gartenschere hätten aber nicht stattgefunden.
Die Verhandlung wurde auf den kommenden Mittwoch vertagt. Mit Urteilen ist frühestens im Juli zu rechnen.
Zusammenfassung
- Im ersten Quartal 2023 sollen von den Angeklagten beauftragte Geldkuriere bei 21 Fahrten mehrere Millionen Euro Bargeld transportiert und teilweise im Wohnhaus der 45-jährigen Mitangeklagten gebunkert haben.
- Neben Schlepperei werden dem Trio auch Vergewaltigung, schwere Körperverletzung und Nötigung vorgeworfen, nachdem ein Geldkurier nach einem Raubüberfall um 355.000 Euro von den Angeklagten misshandelt worden sein soll.