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Prozess um Mordversuch mit Pfeil und Bogen vor Urteil

Heute, 10:38 · Lesedauer 3 min

Der Prozess gegen einen 39-jährigen Steirer, der zwei Pfeile mit einem Sportbogen auf seine Freundin abgeschossen hat, steht im Grazer Straflandesgericht vor einem Urteil. Die Verhandlung hatte am Dienstag begonnen. Am Donnerstag gleich zu Beginn änderte der Beschuldigte seine Verantwortung: Er habe alles erfunden und könne sich in Wahrheit an die Schüsse gar nicht erinnern. Er meinte aber, dass er sie wohl schon abgegeben habe. Das Urteil soll am Nachmittag fallen.

Für den zweiten Verhandlungstag waren zunächst nur die vier Gutachtenserörterungen am Plan. Doch der Angeklagte bat gleich zu Beginn der Verhandlung um das Wort: "Die ganze Geschichte war von mir erfunden." Er habe damals in der Nacht seine üblichen Drogen genommen, sich dann aber auch noch zum ersten Mal Ketamin gespritzt. "Auf einmal hat es mich ins Bett gezogen, wie bei Treibsand", schilderte er seine Erinnerungen. "Von da an weiß ich aber nichts mehr, nur Fetzen", gab er an. "Es tut mir von Herzen leid. Ich wollte nicht, dass das passiert", beteuerte er. Er habe den Tathergang frei erfunden, "geschossen werde ich aber schon haben", gestand er ein.

Anschließend wurden vier Sachverständige gehört. Der Schussgutachter kam zum Schluss, dass die Pfeile auf die liegende Frau abgeschossen wurden und diese "in keiner Weise" gestanden haben kann, so wie der Beschuldigte es noch am Dienstag behauptet hatte. Die Gerichtsmedizinerin schilderte, dass der Pfeil in der Flanke der Frau die Milz, die Leber und das Herz perforierte. Die Spitze drang durch den Herzbeutel in den Herzmuskel ein. Weil der Pfeil noch in ihr steckte, sei das Blut nur langsam in den Herzbeutel gesickert. Wäre sie aber noch länger ohne Operation in der Wohnung gelegen, wäre sie gestorben: "Der Herzbeutel hätte sich dann langsam mit Blut zugemauert. Das Herz kann dann irgendwann nicht mehr schlagen", erklärte sie.

Der Pfeil in der Flanke der 42-Jährigen sei in mehrfacher Hinsicht lebensbedrohlich gewesen. Er steckte der Länge nach 30 bis 35 Zentimeter tief in ihrem Körper. Die Milz musste dem Opfer übrigens entfernt werden. Der zweite Pfeil, der über die Schulter in die linke Wange in den Kopf eindrang, sei indessen rein formal eine "leichte Verletzung" gewesen.

Beschuldigter laut Gutachter zurechnungsfähig

Dem toxikologischen Gutachten zufolge hatte der Beschuldigte einen ganzen Drogen-Cocktail in seinem Blut: Morphin, Methamphetamin, Kokain und Cannabis. Es wurden fünf unterschiedliche Psychopharmaka nachgewiesen. Dennoch geht der psychiatrische Gutachter davon aus, dass der 39-Jährige zurechnungsfähig war - jedoch eingeschränkt. Aufgrund der akuten Intoxikation durch die Suchtmittel hatte der Beschuldigte eine "mittelgradige, aber keine volle Berauschung", so der Sachverständige. Er erkannte beim Steirer eine psychische Verhaltensstörung, aber noch keine voll ausgeformte Persönlichkeitsstörung. Diese würde sich aber bei weiterer Drogeneinnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit ausbilden. Eine Entwöhnung sei daher nötig. Ansonsten könne der Mann unter Drogeneinfluss jederzeit wieder ähnliche Gewalthandlungen setzen.

Der Privatbeteiligtenvertreter forderte für das Opfer Schmerzensgeld in der Höhe von 10.000 Euro sowie eine Tilgung aller noch auftretenden Folgen ihrer Verletzungen. Der Angeklagte sagte überraschend: "Ich bin gerne bereit, das zu bezahlen." Für den Nachmittag sind noch die Schlussplädoyers sowie die Beratung der Geschworenen und die Urteilsverkündung geplant.

Zusammenfassung
  • Im Prozess am Grazer Straflandesgericht steht ein 39-jähriger Steirer vor dem Urteil, weil er zwei Pfeile mit einem Sportbogen auf seine 42-jährige Freundin abgeschossen haben soll.
  • Die Frau erlitt durch einen Pfeil in der Flanke lebensbedrohliche Verletzungen, wobei die Milz entfernt werden musste und der Pfeil 30 bis 35 Zentimeter tief eindrang; ein zweiter Pfeil verursachte eine leichtere Verletzung im Kopfbereich.
  • Der Angeklagte stand unter dem Einfluss mehrerer Drogen und Psychopharmaka, wurde laut Gutachter aber als eingeschränkt zurechnungsfähig eingestuft und erklärte sich bereit, die geforderten 10.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.