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Prozess in Frankreich: Arzt verantwortet zwei Todesfälle

Heute, 12:36 · Lesedauer 3 min

Ein wegen des Missbrauchs von mehr als 250 Kindern angeklagter französischer Arzt hat seine Verantwortung für den Tod von zwei seiner früheren Opfer bekannt. "Sie sind tot, ich bin dafür verantwortlich", sagte er am Dienstag vor Gericht in Vannes mit Blick auf zwei junge Männer, die er als Kinder sexuell missbraucht hatte. Einer von ihnen war an einer Überdosis gestorben, seine Familie geht von einem Suizid aus. Auch der zweite Mann beging Suizid.

Der 74 Jahre alte Chirurg Joël Le Scouarnec sollte am Dienstag zum letzten Mal in dem umfassenden Missbrauchsprozess aussagen. Das Urteil wird am 28. Mai erwartet.

Le Scouarnec muss sich seit Februar wegen des Missbrauchs von insgesamt 299 Patienten vor Gericht verantworten, die meisten von ihnen Kinder. Seine Opfer, zu denen Buben wie Mädchen zählten, waren im Schnitt elf Jahre alt.

Der Arzt hatte während der Gerichtsverhandlung alle von der Anklage inkriminierten Taten komplett gestanden. Er gab zudem zu, dass er auch seine Enkelin sexuell missbraucht habe. Dazu ist ein weiteres Verfahren geplant. Le Scouarnec verging sich an seinen Opfern unter dem Vorwand von Untersuchungen oder während sie unter Narkose standen, teils auch auf dem Operationstisch. Er führte über seine Taten minutiös Buch.

Während der Gerichtsverhandlung sagten etwa zwei Drittel der mutmaßlichen Opfer aus. Häufig wurden Kinderfotos von ihnen im Gerichtssaal gezeigt, doch der Angeklagte erklärte immer wieder, sich nicht an sie zu erinnern. Er bat regelmäßig um Verzeihung, allerdings in einer so mechanischen Weise, dass es viele Betroffene nur noch wütender machte.

Viele Klägerinnen und Kläger sowie Kinderschutzorganisationen bedauerten, dass der Prozess in Frankreich überraschend wenig Aufmerksamkeit erhalten hatte. Am Montag hatten mehrere Opfer des Arztes vor dem Gericht gegen das "Schweigen der Politiker" protestiert.

Bisher größter pädokrimineller Prozess

Verglichen mit dem Prozess gegen den Vergewaltiger Dominique Pelicot im vergangenen Jahr berichteten französische Medien nur wenig über das Verfahren. Dabei handelte es sich um den bisher größten pädokriminellen Prozess. Dem Angeklagten werden 111 Vergewaltigungen und 189 sexuelle Übergriffe zur Last gelegt.

Die Taten zogen sich über 25 Jahre hin, von 1989 bis 2014. In dieser Zeit arbeitete der Chirurg in rund zwölf verschiedenen Krankenhäusern im Westen Frankreichs. Obwohl manche seiner Chefs und Kollegen wussten, dass er bereits früher im Zusammenhang mit Missbrauchdarstellungen von Kindern verurteilt worden war, hatte dies seine Karriere nicht behindert. Im Fall einer Verurteilung muss Le Scouarnec mit 20 Jahren Haft rechnen.

Zusammenfassung
  • Der 74-jährige französische Chirurg Joël Le Scouarnec hat im größten pädokriminellen Prozess Frankreichs seine Verantwortung für den Tod von zwei seiner früheren, als Kinder missbrauchten Opfer eingeräumt.
  • Ihm werden der sexuelle Missbrauch von insgesamt 299 Patienten – meist Kinder im Durchschnittsalter von elf Jahren – sowie 111 Vergewaltigungen und 189 sexuelle Übergriffe über einen Zeitraum von 25 Jahren in rund zwölf Krankenhäusern vorgeworfen.
  • Im Falle einer Verurteilung drohen Le Scouarnec bis zu 20 Jahre Haft; das Urteil wird am 28. Mai erwartet.