Ötzi hat einen digitalen Zwilling
Bereits 2009 präsentierte das Archäologiemuseum hochauflösende Fotos der 1991 entdeckten Gletschermumie, die im Internet abrufbar sind (http://www.icemanphotoscan.eu/). "Dieser Iceman Photoscan war eine reine Fotodokumentation der Mumie", erklärte die Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums, Elisabeth Vallazza, auf Anfrage der APA. Beim neuen Projekt seien "mithilfe einer Kombination diverser Technologien komplette 3D-Zwillinge der Mumie und der wichtigsten Beifunde wie Beil, Bogen und Fellmütze erstellt" worden.
Konkret kombinierten Experten der Trientiner Firma Arc-Team unter Leitung des Archäologen und 3D-Experten Luca Bezzi eine hochauflösende Photogrammetrie-Technik (Structure-from-Motion) mit Polarisationsfotografie (Polarized Light Photography), um die Reflexionen von der Eisschicht der Mumie zu vermeiden und ein digitales Modell der weltberühmten, 5.300 Jahre alten Gletschermumie zu erstellen. "Zudem wurden aktuelle Computertomographie-Daten in die 3D-Rekonstruktion eingebaut und so das Innere der Mumie mit einer hochauflösenden Oberflächendarstellung verknüpft", so Vallazza.
Bei einigen Beifunden wurde zudem eine Computergrafik-Technologie (Displacement mapping) mit einer KI-Technik (Neural Radiance Field) kombiniert, um Details der Fellobjekte darstellen zu können. Die Auflösung wurde dem Museum zufolge auf 7360 mal 4912 Pixel begrenzt, um mit den Aufnahmen noch gut arbeiten zu können.
3D-Dokumentation soll teilweise frei zugänglich werden
Für Vallazza, ermöglicht "diese Form der High-End-Dokumentation einerseits das Monitoring des Konservierungszustands der Mumie und der Beifunde, andererseits auch ihre Erforschung. Ötzi und die Objekte können nun von allen Seiten bis ins Detail begutachtet werden, auch Simulationen seien möglich sowie der Einsatz der Bilder für Ausstellungs- und Vermittlungszwecke. Um Zugänglichkeit und Reproduzierbarkeit langfristig zu sichern, wurden alle Arbeitsschritte mit einer freien, quelloffenen Software (FLOSS) durchgeführt. Für Bezzi zeigt das Projekt, das vergangene Woche beim Welt-Mumien-Kongress in Cusco (Peru) vorgestellt wurde, "wie die Zukunft der Konservierung und Forschung an sensiblen Objekten aussehen kann: nicht-invasiv, hochpräzise und frei zugänglich".
Die 3D-Dokumentation soll Vallazza zufolge in Teilen auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die allerhöchste Auflösung sei aber der Erforschung und dem Monitoring der Objekte vorbehalten.
Bei dem Mumien-Kongress in Peru präsentierte die Bozener Radiologin Patrizia Pernter auch die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Blutgefäße von Ötzi. Auf den CT-Bildern zeigten sich deutlich krankhafte Veränderungen der Gefäße - womit Ötzi der bisher älteste bekannte Atherosklerose-Patient ist. Auch an ägyptischen Mumien wurde bereits diese Gefäßverengung nachgewiesen.
(SERVICE - Fachartikel zur Technologie im Journal "Archeologia e Calcolatori": https://doi.org/10.19282/ac.35.2.2024.22)
Zusammenfassung
- Ein Forschungsteam des Südtiroler Archäologiemuseums hat eine hochauflösende 3D-Dokumentation von Ötzi und wichtigen Beifunden wie Beil, Bogen und Fellmütze erstellt, wobei die Modelle eine Auflösung von 7360 mal 4912 Pixel erreichen.
- Radiologische Untersuchungen ergaben, dass Ötzi der bislang älteste bekannte Atherosklerose-Patient ist, wobei ähnliche Gefäßverengungen auch bei ägyptischen Mumien nachgewiesen wurden.