APA/FLORIAN WIESER

Notwehr-Situation: Schießgutachten zum getöteten Wachsoldaten

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Drei Monate nach dem Tod eines Wachsoldaten in einer Kaserne in Wiener Neustadt, liegt die Sachverständigen-Expertise des Bundeskriminalamtes vor. Das Schießgutachten deckt sich mit der Version des 54-jährigen Vizeleutnants.

Am Dreikönigstag dieses Jahres starb ein 20-jähriger Wachsoldaten an einem Lungendurchschuss in der Jagdkommandokaserne in Wiener Neustadt. Seitdem gehen Ermittler, Sachverständige und die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt der Frage nach, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Drei Monate nach dem Vorfall liegt nun das Schießgutachten vor und deckt sich mit den bisherigen Ermittlungen.

Markus Bauer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, erklärt gegenüber der Tageszeitung "Kurier", dass drei Schüsse aus der Dienstpistole 80 (Glock 17) des 54-jährigen Vizeleutnants abgegeben wurden. Dabei traf eine Kugel den Rekruten tödlich in die Brust, die anderen Projektile schlugen im Wachlokal ein, so Bauer.

Vorab heftiger Streit

Vorab soll sich der 20-Jährigen in einem heftigen Streit befunden haben. Der einschreitende Offizier vom Tag (OvT) versuchte die Situation zu entschärfen, soll allerdings von dem Rekruten mit dem Gewehrlauf niedergeschlagen worden sein. Anschließend soll der Wachsoldat das Sturmgewehr 77 auf ihn gerichtet haben. Laut Aussage des Vizeleutnants lag er verletzt am Boden und habe einen Schuss "in Notwehr" abgegeben. Der Rekrut soll sich zu diesem Zeitpunkt über ihn darüber gebeugt haben.

Vizeleutnant-Bericht deckt sich mit Gutachten

Der Bericht des Vizeleutnants decke sich mit dem Schießgutachten sowie mit dem Obduktionsergebnis des sachverständigen Gerichtsmediziners Wolfgang Denk. Der Schuss soll von unten, in einem etwa 45 Grad aufsteigenden Winkel verlaufen sein. Die Schussabgabe erfolgte laut der Rekonstruktion "gegen den stehenden Rekruten aus einer am Boden liegenden Position".

Das Schussgutachten löste zudem ein weiteres Rätsel. Der 54-jährige Offizier vom Tag gab an, nur einen Schuss getätigt zu haben, doch in Wirklichkeit waren es drei. Laut Expertise wurde während des Handgemenges zwischen Rekruten und OvT der Abzug mehrmals betätigt. Warum die Wahrnehmung des Offiziers nicht der Realität entsprach, könne laut eines Mordermittlers des niederösterreichischen Landeskriminalamtes ebenfalls erklärt werden: "Dies ist ein häufig beobachtetes Phänomen bei solchen traumatischen Ereignissen“.

Zeugenversion wurde geprüft

Ein Zeuge gab ebenfalls eine andere Version des Vorfalls wieder. Dieser sagte aus, der Rekrut hätte zunächst mit einem Sturmgewehr 77 geschossen. Nachdem der OvT ihn erfolgreich entwaffnet hatte, soll der 20-Jährige dem 54-Jährigen die Dienstpistole entrissen haben. Die Version des geschockter Wachkollegen wurde ebenfalls vom Sachverständigen im Bundeskriminalamt geprüft. Dem Gutachten zufolge soll es keinen Schuss aus mit dem Sturmgewehr abgegeben haben.

Drogen beeinflussten Rekruten nicht

Weiterhin unklar ist, warum der 20-jährige Soldat auf seine Kameraden und den Vorgesetzten losgegangen ist. Günter Paul Gmeiner, ein renommierter Sachverständiger für Chemie, hatte bei dem getöteten Rekruten Rückstände von THC (Cannabis), MDMA (Ecstasy) und Trazodon (Antidepressiva) nachgewiesen. Diese sollen jedoch in so einer geringen Konzentration vorhanden gewesen sein, dass er nicht davon beeinträchtigt, gewesen sein kann.

Gmeiner spricht von einer "gelegentlichen, jedoch nicht regelmäßigen bzw. häufigen Aufnahme". Aus dem Gutachten ist zu entnehmen, dass die Einnahme der Substanzen Tagen bzw. Wochen zurücklag. MDMA sowie Trazodona lassen sich nämlich nur im Haar, aber nicht in Blut, Harn bzw. Gehirngewebe nachweisen.

Weiterhin Ermittlungen wegen Mordverdachts

Bauer erklärte, dass alle aktuellen Ergebnisse noch inhaltlich geprüft werden: "Wir klären, ob der Sachverhalt durch die Gutachten hinreichend geklärt ist. Erst danach wird entschieden, ob noch eine Tatrekonstruktion in der Kaserne nötig ist."

Gegen den 54-jährigen Vizeleutnant wird nach wie vor wegen Mordverdachts ermittelt. Derzeit deutet jedoch alles auf vermutliche Notwehr hin.

ribbon Zusammenfassung
  • Drei Monate nach dem Tod eines Wachsoldaten in einer Kaserne in Wiener Neustadt, liegt die Sachverständigen-Expertise des Bundeskriminalamtes vor.
  • Das Schießgutachten deckt sich mit der Version des 54-jährigen Vizeleutnants.