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"Jetzt möglich": Lisa Kaltenegger sucht nach Leben im All

Heute, 07:43 · Lesedauer 6 min

"Wir sind vom Unmöglichen auf die Seite des Möglichen gewechselt" - für die in den USA tätige Astronomin Lisa Kaltenegger hat die Forschung zu Exoplaneten durch das scharfe Auge des "James Webb"-Weltraumteleskops einen Riesensprung getan: "Jetzt ist es im Prinzip möglich, Leben im All zu finden." Wie das gelingen kann, führt sie am Dienstagabend bei einer "ÖAW-ISTA Lecture" aus. Bei aller Freude über den Fortschritt, die US-Forschungspolitik bereitet ihr Sorgen.

Mit dem "Webb", so der Kosename des größten jemals gebauten Weltraumteleskops, wurde eine neue Tür zur Erkenntnis aufgestoßen: Das Teleskop kann erstmals genug Licht einfangen, um u.a. darauf rückzuschließen, wie die Atmosphäre ferner Planeten beschaffen ist und - für die ersten - ob die detektierten Gase für Leben sprechen könnten. Heute stehe man bei der Entdeckung von 6.000 Exoplaneten bzw. Planeten, die um andere Sterne kreisen. 40 davon könnten wie unsere Erde sein, "also klein genug, dass sie Gesteinsplaneten sind und in der habitablen Zone - nicht zu nah und zu heiß oder zu fern und zu kalt - um ihren Stern kreisen", sagte die aus Österreich stammende Gründerin und Direktorin des Carl Sagan Institute an der Cornell University im US-Bundesstaat New York, im Gespräch mit der APA. Als eine weithin anerkannte Voraussetzung für die Existenz von Leben könnte auf ihnen also theoretisch Wasser existieren.

Man gehe hochgerechnet davon aus, so die Forscherin weiter, dass einer von fünf Sternen einen erdähnlichen Planeten hat: "Wir haben 200 Milliarden Sterne in unserer Galaxie. Das heißt, wir sind bei Milliarden von Möglichkeiten."

Die Vielfalt der bis dato gefundenen Exoplaneten ist groß. Um die Bedingungen für Leben auf anderen Planeten besser zu verstehen, schaut man auf die Entwicklung der Erde seit ihrer Entstehung bis heute: "Wenn wir in der Zeit der Dinosaurier gelebt hätten, oder noch früher, wäre unsere Erde ganz anders gewesen, als sie jetzt ist." Gleichzeitig studiere man verschiedene Lebensformen, die heute nebeneinander existieren. Etwa thermophile Organismen in den heißen Quellen oder Bakterien, die im Eis überleben, um hier nach einer Bandbreite von Biosignaturen auf Exoplaneten zu suchen, so Kaltenegger, die ihre Arbeit auch populärwissenschaftlich in Büchern oder auf Social-Media-Plattformen aufbereitet. Die Astrophysikerin erhielt heuer die für herausragende Wissenschaftskommunikation vergebene Carl-Sagan-Medaille der American Astronomical Society. Ihren Vortrag am Dienstag hält sie am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg (NÖ).

"Im Universum sind Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff weit verbreitet." Doch es geht auch um die Frage, wie man Leben findet, das man nicht kennt: "Die meisten suchen nach einer modernen Erde, wie wir sie heute kennen - mit 21 Prozent Sauerstoff, grünen Pflanzen, mit Ihnen und mit mir. Aber unsere Erde und das Leben auf ihr haben sich seit ihrer Entstehung verändert. Darum ist die breite Palette des Lebens auf unserem Planeten unsere Grundlage. Und es könnte auch ganz andere Lebensformen geben. Wir halten also auch die Augen offen nach Signalen, die wir nicht erklären können", so die 48-Jährige. Diese winzigen Atmosphären-Signale zu detektieren, mache das "James Webb"-Weltraumteleskop erstmals möglich - zumindest bei jenen Planeten, die um unsere Nachbarsterne kreisen: "Wir haben derzeit eine Handvoll von Planeten, wo wir diese Art von Suche überhaupt machen können."

In unserem Sonnensystem gelten die Eismonde des Planeten Jupiter als heiße Kandidaten für Orte von Leben, welches sich in den potenziellen unterirdischen Ozeanen unter den Eisoberflächen befinden könnte. So ist derzeit etwa die Raumsonde "Juice" der europäischen Raumfahrtbehörde ESA zum Jupiter unterwegs, wo mit den Bordinstrumenten ab 2031 ein genauer Blick auf die Jupitermonde Europa, Kallisto und Ganymed geworfen werden soll. Diese Art von "verstecktem Leben" lässt sich bei den fernen Exoplaneten natürlich nicht erkunden: "Wir müssen hier das Leben in der Luft oder auf der Oberfläche aufspüren können."

Den eigenen Planeten besser verstehen

Noch steht der Nachweis aus. Sollte er gelingen, "dann können wir Fragen beantworten wie etwa: Wie oft entsteht Leben? Ist das Leben, das wir hier haben, repräsentativ? Wie passen wir in das Universum?" Aber auch ohne die Entdeckung von Leben im All, so die Forscherin, hilft diese Suche, unseren Planeten besser zu verstehen. "Wenn wir da draußen 100 Erden oder erdähnliche Planeten finden könnten, die z.B. älter sind als die Erde, könnten wir einen Blick in eine mögliche Zukunft werfen."

Weitere Möglichkeiten zur Detektion wird das Extremely Large Telescope (ELT) der Europäischen Südsternwarte mit sich bringen. Es soll in der Atacama-Wüste Chiles ab Ende 2030 in Betrieb genommen werden. Das geplante "Habitable Worlds Observatory" der US-Raumfahrtbehörde NASA könnte bei Realisierung einmal vom infraroten über sichtbares bis hin zum ultravioletten Licht einfangen und würde das Sammeln einer breiten Palette an Biosignaturen von Exoplaneten erlauben. Auch andere Projekte sind in Planung.

Kaltenegger ist u.a. im wissenschaftlichen Team des NASA-Weltraumteleskops TESS (Transit Exoplanet Survey Satellite) und identifizierte die Sterne, um die erdähnliche Planeten kreisen könnten. "Kleinere Teleskope wie TESS suchen nach den besten Kandidaten, die wir dann mit dem James-Webb-Teleskop oder dem ELT genauer beobachten können." Die Detektion dieser Kandidaten erfolgte dabei über die sogenannte Transit-Methode. Hier machen sich die Forschenden die leichte Verdunkelung des Zentralgestirns zunutze, wenn ein Planet auf seiner Bahn an diesem vorbeizieht und man diese in der passenden Beobachtungsposition auch auffangen kann. Der Transit kann Hinweise auf die Zusammensetzung der Planetenatmosphäre liefern.

"Große Unsicherheit"

Angesichts der von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump betriebenen Forschungspolitik, den u.a. angestrebten Kürzungen bei Behörden wie der NASA oder auch bei renommierten Forschungseinrichtungen, sowie des aktuellen "Shutdown" der Regierung gebe es gerade "eine große Unsicherheit", so Kaltenegger. Förderungen von der National Science Foundation (NSF) und der NASA seien in der Regel immer über einen Drei-Jahres-Rhythmus vergeben worden. Nun haben sich erste Ausschreibungen bereits verzögert. Auch Restrukturierungen und Kürzungen beim Budget sind möglich. "Im Augenblick wissen wir noch nicht, was die wirklichen Auswirkungen sein werden. Sie könnten gravierend sein - bis hin zur Abschaltung von Teleskopen. Aber hier müssen wir abwarten, was passiert." Gerade die Weltraumforschung braucht lange Zeithorizonte und es sei unklar, wie weit sich diese verschieben werden. Viele Nachwuchsforschende würden bereits überlegen, ob sie nach Amerika ziehen sollen. "Dadurch, dass die Lage im Augenblick so unklar ist, ist es wirklich schwer, hier jemandem etwas zu raten."

(S E R V I C E - "ÖAW-ISTA Lecture" von Lisa Kaltenegger zum Thema "Searching for Other Earths", am 21. Oktober, 17.00-18.00 Uhr, am Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg, Anmeldung: https://go.apa.at/wV7cdVQO)

Zusammenfassung
  • Das James-Webb-Weltraumteleskop ermöglicht erstmals die Analyse von Atmosphären entfernter Exoplaneten und eröffnet damit die reale Möglichkeit, außerirdisches Leben zu entdecken.
  • Bislang wurden rund 6.000 Exoplaneten gefunden, darunter etwa 40 potenziell erdähnliche Planeten, die sich in habitablen Zonen befinden und theoretisch Wasser beherbergen könnten.
  • In der Milchstraße gibt es etwa 200 Milliarden Sterne, und laut Lisa Kaltenegger könnte einer von fünf einen erdähnlichen Planeten besitzen, was Milliarden potenzieller Lebensräume bedeutet.
  • Zukünftige Großprojekte wie das Extremely Large Telescope (ELT) ab 2030 und das geplante Habitable Worlds Observatory sollen die Suche nach Biosignaturen auf Exoplaneten weiter vorantreiben.
  • Die US-Forschungspolitik sorgt aktuell für Unsicherheit bei der Finanzierung und Durchführung von Weltraumprojekten, was laut Kaltenegger gravierende Auswirkungen haben könnte.