Gewaltschutzexpertin
Warum Österreich ein Problem mit Gewalt an Frauen hat
Seit Dienstag läuft die internationale Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen", die auf das Ausmaß und die verschiedenen Ausprägungen von Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen soll.
Zwei Gewaltverbrechen seit Beginn der Kampagne
Und bereits in den zwei Tagen seit Beginn der Kampagne erschütterten Österreich mehrere Gewaltverbrechen gegen Frauen und Mädchen. Erst am Dienstag greift ein Vater seine 15-jährige Tochter in Wien mitten auf der Straße an, prügelt und sticht mit einem Messer mehrfach auf sie ein. Die Jugendliche landete mit lebensgefährlichen Stichverletzungen im Krankenhaus - befindet sich mittlerweile aber wieder außer Lebensgefahr.
Auch der Fall der Grazer Influencerin Stefanie P. beschäftigt derzeit das Land. Seit Sonntag gilt die 31-Jährige als vermisst. Ihr Ex-Freund steht unter Verdacht: Ermittlungen ergaben, dass er mit dem Verschwinden der Frau in Zusammenhang stehen könnte. Die Ermittlungen laufen, nach der jungen Frau wird weiterhin gesucht.
Video: Kann man sich als Frau in Österreich noch sicher fühlen?
"Riesengroßes" Problem mit Gewalt gegen Frauen
Die Gewaltschutzexpertin Maria Rösslhumer betont im PULS 24-Interview: Ja, Österreich hat ein "riesengroßes Problem" mit Gewalt gegen Frauen.
Es gebe hierzulande "so viele Maßnahmen, so viele Gesetze" und viele Frauenhäuser, Gewaltschutzzentren und Opferschutzgruppen - und trotzdem steige die Gewalt, statt abzunehmen. Warum greifen die Gesetze also nicht? Laut Rösslhumer liegt das vor allem daran, dass die "richtige Umsetzung fehlt, vor allem vonseiten der staatlichen Behörden".
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"Es ist so, dass viele Frauen sich an Behörden oder Einrichtungen wenden, Anzeigen erstatten. Aber wenn sie dann nicht ernst genommen werden bzw. so viele Anzeigen eingestellt werden bei häuslicher oder sexualisierter Gewalt, dann führt das zu Frustration."
"Täter werden viel zu spät gestoppt"
Auch bei Femiziden ist Österreich im EU-Schnitt trauriger Spitzenreiter: Dieses Jahr wurden laut dem Verein "Autonome Österreichische Frauenhäuser" bereits 14 Frauen getötet. 2024 gab es 29 Femizide.
Das sei so, weil "die Täter viel zu spät gestoppt werden", sagt die Gewaltschutzexpertin. So würde man in vielen Fällen im Nachhinein erfahren, dass diese bereits amtsbekannt sind. "Aber sie werden nicht wirklich adäquat und wirksam gestoppt." Hier müsse man ansetzen und "auffällige Täter einschränken".
Die Politik habe sehr in den Opferschutz investiert, das sei gut so. Viel verändert habe sich aber nicht. "Nach 47 Jahren Frauenhäuser, müssen die Frauen immer noch von Zuhause flüchten. Sie können nicht sicher zuhause leben, weil die Täter nicht wirklich gestoppt werden", so Rösslhumer. Statt dass die Täter wirklich zur Verantwortung gezogen werden, würden "die Frauen bestraft werden".
Was ist ein Femizid?
Ein Femizid ist die vorsätzliche Tötung einer Frau durch einen Mann aufgrund ihres Geschlechts bzw. aufgrund von "Verstößen" gegen die traditionellen sozialen und patriarchalen Rollenvorstellungen, die Frauen zugeschrieben werden. Femizide gehören daher zu den Hassverbrechen.
Was tun?
Kenne man jemanden oder vermute man, dass eine Freundin, Angehörige oder Bekannte von Gewalt betroffen ist, rät die Gewaltschutzexpertin: "Ansprechen, mit der Betroffenen reden und ihr das Gefühl vermitteln, man ist da für sie. Und begleitet sie vielleicht auch zu einer Stelle oder der Polizei".
Für viele Betroffene sei es eine Hürde, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Trotzdem rät Rösslhumer dazu. Außerdem sei es wichtig, sich früh bei einer Einrichtung, wie der Frauenhotline, zu melden. "Je früher, umso besser ist es", betont die Gewaltschutzexpertin.
Video: Gewalt gegen Frauen erkennen und handeln
Hilfe bei häuslicher Gewalt
Sind Sie Opfer von Gewalt oder kennen jemand, der es ist? Hier finden Sie Hilfe:
Frauen-Helpline: 0800/222 555
Gewaltschutzzentrum: 0800/700 217
24-Stunden-Frauennotruf der Stadt Wien: 01/71719
Frauenhaus-Notruf: 05 77 22
Männerberatung Wien: 01/603 28 28
Rat auf Draht - Hilfe für Kinder & Jugendliche: 147
Im Fall von akuter Gewalt: Polizei-Notruf 133
Hilfe bei sexueller Gewalt
Sind Sie Opfer von sexueller Gewalt oder kennen Sie jemanden, der es ist? Hier gibt es Hilfe:
- Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555
- Notrufnummer für Gehörlose und Hörbehinderte: 0800 133 133
- Rat auf Draht - Beratung für Kinder und Jugendliche: 147 sowie Online-Beratung
- Kindernotruf: 0800 567 567
- Online-Beratungsstelle für Frauen und Mädchen bei sexueller und anderer Gewalt: HelpCh@t
- Frauen- und Mädchen-Beratungsstellen in den Bundesländern: Beratung und Unterstützung bei sexualisierter Gewalt
- Kinder und Jugendanwaltschaften in Österreich: www.kija.at
Zusammenfassung
- Seit Beginn der alljährlichen Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" sind erst zwei Tage vergangen.
- Trotzdem kam es seitdem bereits zu mehreren Gewaltverbrechen gegen Frauen und Mädchen.
- Warum Österreich ein "riesengroßes Problem" mit Gewalt gegen Frauen hat, erklärt die Gewaltschutzexpertin Maria Rösslhumer im Interview.