Gesundheitssystem
ÖGK-Fusion: Statt "Patientenmilliarde" nun 2-Milliarden-Minus
Als großen Wurf verkaufte ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz einst die Krankenkassen-Fusion. Eine Milliarde an Einsparungen solle sie bringen, die dann den Patienten zugutekäme. Die von der türkis-blauen Regierung viel zitierte "Patientenmilliarde" hat sich inzwischen nicht nur als "Schmähpartie" erwiesen, wie Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) jüngst sagte.
Die Kassenfusion in Österreich bringt dem Gesundheitssystem nicht die versprochene finanzielle Entlastung, stellt ÖGK-Obmann Andreas Huss im Gespräch mit der "Krone" klar. Durch die teure, eilig vorangebrachte Fusion fehlen mittlerweile fast zwei Milliarden Euro an Finanzierungsmitteln im Gesundheitssystem.
Beschlossen worden war die Zusammenlegung der zuvor 21 Versicherungsträger auf nur mehr fünf im Dezember 2018 unter der türkis-blauen Regierung unter Kurz, in Kraft trat die Fusion mit 1. Jänner 2020.
Die Gewerkschaft GPA sieht in der Kassenfusion ein "Milliardengrab", da viele Pläne zur Einsparung, etwa in der Verwaltung falsch berechnet wurden oder schlicht nicht in der Praxis umzusetzen sind.
ÖGK-Obmann Huss möchte aber "kein Zurück zu neun Gebietskrankenkassen", das wäre ein Rückschritt, der niemandem etwas bringen würde. Das Geld, das der ÖGK durch die Fusion entzogen wurde, müsse sie zurückbekommen. Deshalb fordert er einen Finanzierungsplan mit Bundesmitteln für die nächsten zehn Jahre.
Privatmedizin als Problempunkt
Ein weiteres Problem im österreichischen Gesundheitssystem sei ein nie dagewesenes Rekordniveau an privaten Gesundheitsausgaben. Mittlerweile bezahlen Österreicher:innen rund 24 Prozent – also zwölf Milliarden Euro – der Gesundheitsausgaben aus der privaten Tasche. Im Schnitt sind das 1.200 Euro pro Person im Jahr.
"Es ist ein viel zu großer Privatmarkt entstanden", so Huss. Es wäre dringend nötig, die öffentliche Finanzierung zu verbessern. Außerdem muss die Arbeit als Kassenärztin für junge Mediziner:innen wieder attraktiver werden.
Laut Huss funktioniert das gut durch Möglichkeiten der Zusammenarbeit, in Primärversorgungseinheiten (PVE), Gruppenpraxen, Ambulatorien oder Jobsharingpraxen. Es muss möglich sein, Arbeitszeiten auch für Kassenmediziner:innen auf individuelle Bedürfnisse abzustimmen.
Ein weiterer Vorschlag des Obmanns ist es, zukünftige Medizinstudenten, die sich verpflichten, für zehn Jahre im öffentlichen System zu arbeiten, bei Bestehen der Aufnahmeprüfung vorzureihen und so einen leichteren Zugang für sie zum begehrten Medizinstudium zu ermöglichen.
Video: Ärztekammer warnt vor Kürzungen
Zusammenfassung
- ÖGK-Obmann Andreas Huss kritisiert, dass die Kassenfusion dem Gesundheitssystem fast zwei Milliarden Euro gekostet und die versprochene Entlastung nicht gebracht hat.
- Die Ausgaben für Privatmedizin haben mit 24 Prozent beziehungsweise zwölf Milliarden Euro einen Rekordwert erreicht, was pro Person rund 1.200 Euro jährlich bedeutet.
- Huss fordert einen Finanzierungsplan mit Bundesmitteln für die nächsten zehn Jahre und will durch attraktivere Arbeitsbedingungen mehr junge Ärzt:innen für die Kassen gewinnen.