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Forderung nach europaweitem "Nur Ja heißt Ja"

Heute, 12:00 · Lesedauer 5 min

Am "Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen" ist am Dienstag der Ruf nach einem europaweiten konsensbasierten Sexualstrafrecht wieder laut geworden. Nach dem Freispruch Jugendlicher, die Sex mit einer Zwölfjährigen hatten, ist in Österreich das "Nur Ja heißt Ja"-Prinzip in Umsetzung. Das sollte als Vorbild für die ganze EU gelten. Anlässlich der 16-tägigen UNO-Kampagne "Orange the World" gibt es auch Forderungen für besseren Schutz vor digitaler Gewalt.

In einigen Ländern Europas steht Sex ohne ausdrückliche Zustimmung unter Strafe. "Das reicht nicht aus. Wir brauchen diesen Schutz für alle Frauen und Mädchen in Europa. Deshalb setzen wir uns auch auf EU-Ebene für eine europaweit verbindliche Regelung ein, die ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht verankert", sagte Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) in einer Aussendung. "Frauen, die eine Vergewaltigung überlebt haben, dürfen nicht ein weiteres Mal traumatisiert werden, durch ein Justizsystem, das sie eigentlich schützen sollte."

Laut Frauenministerium gab es in Österreich 2024 mehr als 1.300 angezeigte Vergewaltigungen. Doch die Dunkelziffer dürfte höher sein. "Diese Zahlen erzählen jedoch nur einen Teil der Wahrheit. Sie erzählen nicht von der Angst, zur Polizei zu gehen. Nicht von der Furcht, nicht ernst genommen zu werden. Nichts von der Realität, vor Gericht die eigene Ohnmacht rechtfertigen zu müssen. Genau deshalb brauchen wir ein modernes Sexualstrafrecht nach dem klaren Prinzip: 'Nur Ja heißt Ja'", forderte die SPÖ-EU-Abgeordnete und Frauensprecherin Elisabeth Grossmann.

Eine weitere Forderung ist der Schutz vor digitaler Gewalt. "Der Kampf gegen Gewalt an Frauen muss sich auch stärker auf den digitalen Raum richten, denn dort nimmt die Gewalt dramatisch zu", sagte die SPÖ-Politikerin. "Plattformen dürfen sich nicht länger ihrer Verantwortung entziehen. Wir müssen Tech-Unternehmen endlich dazu bringen, schnell und konsequent gegen Hass und Gewalt vorzugehen", so Grossmann. "Der Dick-Pic-Paragraph, der seit September dieses Jahres das unaufgeforderte Verschicken von Genitalbildern verbietet, ist ein wichtiges Zeichen, dass das Recht auch im digitalen Raum auf der Seite der Frauen steht", betonte auch Sara Costa von den Wiener SPÖ-Frauen.

"Es gibt keinen Platz für Gewalt an Frauen und Mädchen - weder offline noch online, weder in Österreich noch irgendwo anders auf der Welt", betonte auch Außenministerin Meinl-Reisinger (NEOS). Denn Gewalt finde zunehmend auch online statt, wo Frauen Hass-Kommentaren oder Online-Belästigung ausgesetzt seien.

"Online-Missbrauch ist längst keine Seltenheit mehr. Verschiedene Studien zeigen, dass etwa die Hälfte aller Frauen bereits irgendeine Form digitaler Gewalt erlebt hat - von Stalking und Belästigung bis hin zur Weitergabe intimer Bilder ohne Einwilligung", sagte die ÖVP-Europaabgeordnete Sophia Kircher. Eine 2024 in Kraft getretene EU-Richtlinie mache das nicht-einvernehmliche Teilen intimer oder manipulierter Bilder, Cyberstalking, Online-Belästigung und Anstiftung zu Hass in allen Mitgliedstaaten strafbar. "Gerade in Zeiten von Künstlicher Intelligenz und Deep Fakes ist das unerlässlich. Sie garantiert, dass Opfer unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu Schutz, Gerechtigkeit und Unterstützung haben", sagte Kircher.

Mädchen Wut nicht abtrainieren

Am Internationalen Tag werde sichtbar, wie tief Gewalt gegen Frauen in gesellschaftlichen Strukturen verankert sei, so der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP). Deshalb sei es wichtig, Prävention dort anzusetzen, wo Mädchen und Frauen lernen, ihren Gefühlen zu vertrauen, besonders jener Emotion, die ihnen am häufigsten abtrainiert wird: Wut. Von Mädchen werde vielfach erwartet, angepasst zu sein, Rücksicht zu nehmen und Konflikte zu vermeiden, betonte der ÖBVP in einer Aussendung. Weibliche Wut gelte oft als unangemessen oder übertrieben. Dabei sei Wut eine grundlegende menschliche Emotion und ein wichtiges inneres Warnsignal. Sie zeige, wenn etwas nicht stimme, Grenzen überschritten werden oder Gefahr bestehe. "Wird dieses Gefühl dauerhaft unterdrückt, kann das die Fähigkeit beeinträchtigen, Unstimmigkeiten wahrzunehmen, Grenzen zu setzen und Übergriffe frühzeitig zu erkennen", so der Verband.

In Wien wurde im Rahmen des Aktionszeitraums "16 Tage gegen Gewalt" vom 25. November bis 10. Dezember als symbolisches Zeichen am Wiener Rathaus die Fahne der Menschenrechtsorganisation "Terre des Femmes" und die White-Ribbon-Fahne gehisst. Auch die Wiener Linien machten mit. So wird des zum Beispiel während des Kampagnenzeitraums die Botschaft "Endstation für Gewalt!" prominent in den U3-Endstationen Ottakring und Simmering sichtbar. Die gleiche Aussage erscheint auch am 25. November als Botschaft auf den Abfahrtsmonitoren im Öffi-Netz. Auch im Handel werden in dieser Zeit wieder auf den Kassabons die wichtigsten Hilfsangebote abgedruckt. Die Initiative wird gemeinsam mit der Polizei unternommen, um Betroffene noch besser zu erreichen.

Frauen öfter Gewaltopfer im privaten Umfeld

Laut Innenministerium gab es 1. Jänner bis 15. November 2025 15 Morde an Frauen mit Bezug zu Gewalt in der Privatsphäre. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 22 Fälle. Frauen sind zu rund 66 Prozent Opfer von Tötungsdelikten im Haushalt oder im Kontext von Partnerschaft, wie eine vom Ministerium unterstützte Studie der Universität Graz unter Einbeziehung von Daten der Statistik Austria sowie internationaler Quellen zeigt.

(S E R V I C E - Hilfeangebote des Vereins AÖF: Die Frauen-Helpline gegen Gewalt 0800/222-555 steht rund um die Uhr, mehrsprachig, anonym und kostenlos allen Frauen, Angehörigen und Interessierten zur Verfügung: www.frauenhelpline.at ; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at . Die Polizei ist Ansprechpartner für Personen, die Gewalt wahrnehmen oder selbst Opfer von Gewalt sind. Der Polizei-Notruf ist unter der Nummer 133 jederzeit erreichbar. Die Kriminalprävention des Landeskriminalamt Wiens bietet darüber hinaus persönliche Beratungen unter der Hotline 0800/216346 an. Weitere Anlaufstellen für Gewaltopfer: Gewaltschutzzentrum Wien: https://www.gewaltschutzzentrum.at/wien/ 01/585-32-88 - 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 - Wiener Frauenhaus-Notruf 057722 - Österreichische Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Onlineberatung HelpChat "Halt der Gewalt" (tägl. 18-22 Uhr und jeden Fr. von 9-23 Uhr): https://haltdergewalt.at )

Zusammenfassung
  • Am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen wurde ein europaweites konsensbasiertes Sexualstrafrecht nach dem Prinzip 'Nur Ja heißt Ja' gefordert.
  • In Österreich wurden 2024 mehr als 1.300 Vergewaltigungen angezeigt, wobei die Dunkelziffer laut Frauenministerium höher liegt.
  • Eine neue EU-Richtlinie stellt das nicht-einvernehmliche Teilen intimer Bilder, Cyberstalking und Online-Belästigung in allen Mitgliedstaaten unter Strafe.
  • Zwischen 1. Jänner und 15. November 2025 wurden 15 Frauenmorde im privaten Umfeld registriert, im Vorjahr waren es 22 im gleichen Zeitraum.
  • Zahlreiche Aktionen wie das Hissen von Fahnen und Informationskampagnen in Wien sollen im Rahmen von '16 Tage gegen Gewalt' auf das Thema aufmerksam machen.