Erdbeben in der Türkei: "Meine Söhne liegen noch in den Trümmern"

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"Es fühlte sich an wie die Apokalypse." Mehr als 2.000 Menschen sind in Syrien und der Türkei ums Leben gekommen. Wie Überlebenden das Erdbeben in Syrien und der Türkei erlebten, schildern sie in eigenen Worten.

Das Erdbeben der Stärke 7,8 erschütterte am frühen Montagmorgen Syrien und die Türkei. Ein Nachbeben ähnlicher Stärke traf die Länder gegen Montagmittag. Die Beben sind so stark, dass es eine Tsunami-Warnung für Italien gibt. Bisher sind die genauen Ausmaße noch nicht absehbar. Bisher wurden 2.300 Todesopfern geborgen, doch die Zahl steigt weiter. 

Ein Epizentrum lag nördlich von Gaziantep, der sechstgrößten Stadt in der Türkei. Nur 90 Kilometer entfernt liegt die syrische Grenze. 15 Gebäude sollen in Diyarbakir in der Südost-Türkei eingestürzt sein. 

"Ich wurde wiedergeboren"

Im Interview erzählt der Überlebende Osama Adellhamid davon, wie er und seine Familie das Erbeben erlebt haben. Er habe mit seiner Frau und den vier Kindern zu Hause geschlafen, als das Beben begann: "Wir haben das Erdbeben gespürt und sind sofort aufgewacht, weil es so stark war." Daraufhin hätten seine Frau und er die Kinder aus dem Haus gezogen und seien zum Hauseingang gerannt: "Als wir den Eingang erreichten, stürzte es (das Haus, Anm.) völlig auf uns ein. Gott hat uns gerettet. Eine Holztür ist auf uns gefallen und die hat uns gerettet."

Osama ist mit sichtbaren Verletzungen im Gesicht zu sehen. Auch seine Frau sowie drei Kinder erlitten Wunden am Kopf und im Gesicht, nur seine Tochter konnte unverletzt gerettet werden. Von den restlichen Bewohnern des Gebäudes habe keiner überlebt, erzählt Osama. "Ich wurde wiedergeboren."

Die Nachrichtenagentur Reuters sammelte ebenfalls Stimmen von Überlebenden. Eine Frau aus der Region berichtet, wie sie das Erdbeben erlebt hat: "Wir wurden geschüttelt wie in einer Wiege. Wir waren zu neunt zu Hause. Zwei Söhne von mir liegen noch in den Trümmern, ich warte auf sie." Sie hat einen gebrochenen Arm und mehrere Verletzungen im Gesicht. 

Online sind zahlreiche Aufnahmen von der Katastrophe zu finden. Ein Video des "Independent" zeigt eine Szene aus Diyarbakir, wo Einsatzkräfte verzweifelt nach Überlebenden suchen, die unter den Trümmern eingeschlossen sind.

Für den Syrer Abdul Salam al Mahmoud aus Atareb hat sich das Beben "wie die Apokalypse" angefühlt. Raed Fares vom "Syrischen Zivilschutz" erklärt, es sei ein "Wettlauf gegen die Zeit, um die Leben derer zu retten, die unter den Trümmern liegen."

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums seien in Atareb, eine Stadt nordwestlich von Syrien, etwa 430 Menschen bei dem Erdbeben ums Leben gekommen und mehr als 1.000 verletzt worden. Ein Sprecher der Vereinten Nationen gab an, dass im von Rebellen kontrollierten Nordwesten Syriens 255 Menschen gestorben seien. Es sei zu erwarten, dass die Zahl der Opfer im Nordwesten steigen werde, meint ein weiterer Sprecher des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. Insgesamt sollen in Syrien 850 Menschen bei dem Erdbeben gestorben und 2.300 verletzt worden sein.

"Wir brauchen die internationale Gemeinschaft", "noch immer liegen viele Familien unter den Trümmern", bittet ein Helfer der Weißhelme in Syrien. "Der Nordwesten Syriens ist jetzt ein Katastrophengebiet."

Das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert die Entsendung von Rettungskräften in die Türkei. Nach Angaben eines Sprechers der EU-Kommission in Brüssel wurden bis Montagmittag bereits mehr als zehn Such- und Rettungsteams mobilisiert, um die Ersthelfer zu unterstützen. Sie kommen aus Bulgarien, Kroatien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Ungarn, Malta und Tschechien. Die sei auch bereit, die Betroffenen in Syrien zu unterstützen, aus Syrien gebe es aber bisher keinen Antrag auf Hilfe.

Nach dem verheerenden Erbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion hat Russland beiden Ländern Hilfe zugesagt. In den kommenden Stunden sollen Rettungskräfte vom russischen Zivilschutz nach Syrien geflogen werden, wie der Kreml am Montag mitteilte. 

Meryam aus Kahramanmaraş erzählt: "Wir wachten von einem großen Lärm und starkem Schütteln auf. Gleich danach gab es zwei Nachbeben. Ich hatte solche Angst, dachte, es würde nie aufhören."

Im Laufe des weiteren Tages erschütterten heftige Nachbeben die Türkei. Unter anderem wurde ein Beben mit einer Stärke von 7,5 in der türkischen Provinz Kahramanmaras, registriert. Messung zeigten, dass die Epizentren der Erschütterung in den Gebieten Kahramanmaras und Gaziantep lagen. Vizepräsident Fuat Oktayes meinte, in diesen Gegenden wurden bis zu 900 Gebäude zerstört.

Schlimmstes Beben in der Türkei seit 1999

Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben.

 

ribbon Zusammenfassung
  • Nach aktuellen Stand sind beim Erdbeben in Syrien und der Türkei mehr als 2.000 Menschen ums Leben gekommen.
  • Wie die Überlebenden das Erdbeben erlebten, schildern sie in eigenen Worten.