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Diskussion um TikTok-Verbot für Jugendliche unter 16

25. Juni 2025 · Lesedauer 4 min

Ein in Australien beschlossenes pauschales Verbot von sozialen Medien für Kinder und jüngere Teenager hat in einigen Ländern eine Diskussion ausgelöst. Nach dem Amoklauf von Graz war das auch in Österreich der Fall. Denn laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verbringen auch österreichische Jugendliche im internationalen Vergleich besonders viel Zeit mit TikTok, Computerspielen und anderen digitalen Anwendungen.

Im Jahr 2022 war der Zugang zu digitalen Geräten fast flächendeckend: Durchschnittlich 96 Prozent der 15-Jährigen in der OECD hatten Zugang über einen Computer, Laptop oder Tablet von zu Hause aus. Im Durchschnitt besaßen 98 Prozent ein Smartphone mit Zugang zum Internet. Etwa 70 Prozent der Kinder im Alter von zehn Jahren haben bereits ein eigenes Smartphone, obwohl es große Länderunterschiede gibt. So sind es in der Türkei nur 29 und in Frankreich 40 Prozent der Kinder mit Handy, aber mehr als 90 Prozent in Lettland, Polen und in den nordischen Ländern in Europa.

Mit der zunehmenden Verbreitung des Zugangs zu digitalen Geräten zu Hause nimmt die Zeit, die Teenager mit digitalen Geräten verbringen, zu, so die OECD. So stieg beispielsweise der Anteil der 15-jährigen Jugendlichen, die 40 Stunden oder mehr außerhalb der Schule mit digitalen Geräten verbringen, von acht Prozent im Jahr 2012 auf 21 Prozent im Jahr 2018. Laut dem Report verbringt auch der Großteil der österreichischen Jugendlichen zwischen 40 und 60 Stunden in der digitalen Welt.

Der Report zeigt auch, dass die Mehrheit der 15-Jährigen in der OECD (60 Prozent) an Wochentagen mehr als zwei Stunden pro Tag verbringt. Dieser Anteil ist jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich und reicht von 24 Prozent in Japan bis zu über 80 Prozent in Estland. Österreich liegt im Durchschnitt.

Digitale Technologien und Medien bieten Kindern zwar zahlreiche Möglichkeiten, zu lernen, zu spielen, sich mit Freunden zu vernetzen und allmählich unabhängig zu werden. Aber die übermäßige Nutzung digitaler Technologien gibt laut OECD auch Anlass zur Sorge über negative Auswirkungen auf Gesundheit, Lernfähigkeit und Wohlbefinden. Die Folgen können Schlafmangel und Risiko von Übergewicht und Fettleibigkeit sein.

Ein pauschales Verbot von sozialen Medien bei Jugendlichen ist unter Expertinnen und Experten umstritten. "Nach deutschem Standard wäre das grenzwertig, was die Verhältnismäßigkeit angeht", sagt etwa der Medienrechtsexperte Stephan Dreyer vom Leibniz-Institut für Medienforschung. Kinderrechte, zu denen auch Teilhabe gehöre, müssten berücksichtigt werden.

Plattformen haben Verantwortung

Experte Dreyer sieht die Plattform-Anbieter in der Verantwortung und befürwortet Accounts, mit denen nur auf kinderfreundliche Inhalte zugegriffen werden kann und für alles andere eine Altersprüfung – etwa durch Abfrage eines Ausweises oder der Analyse biometrischer Merkmale – notwendig wäre. "Aus meiner Sicht wäre das technisch kein großes Problem."

Eine konsequente Altersprüfung befürwortet auch Isabel Brandhorst, die an der Uniklinik Tübingen zu Internetnutzungsstörungen forscht. Sie will sich aber nicht auf ein geeignetes Alter festlegen. Zu einer solchen Prüfung sind Plattformanbieter bisher nicht verpflichtet. So gilt es als einfach, das bisher von den Plattformen vorgegebene Mindestalter von 13 Jahren zu umgehen. Entsprechende Prüfungen könnten auch Eltern Rückendeckung geben, die Social Media in bestimmten Altersgruppen verbieten möchten.

Plattformen haben geschäftliche Interessen

Was die Plattformen angeht, ist Brandhorst skeptischer. "Ich bin pessimistisch, dass Anbieter die Anwendungen so gestalten, dass sie kinderfreundlich sind, weil sie dann nichts mehr daran verdienen", sagt sie mit Blick darauf, dass dann auch Zeitbeschränkungen und Werbeverbote eingeführt werden müssten.

Brandhorst sieht eher die Schulen in der Pflicht, Medienkompetenz zu lehren. "Viele Dinge, die Kinder und Jugendliche brauchen, um sich sicher im Netz zu bewegen, werden momentan flächenmäßig noch nicht vermittelt."

Studienlage bisher noch sehr dünn

Anne-Linda Camerini von der Universität Lugano ist gegen pauschale Verbote. "Wir wollen keine Angst machen und nicht tabuisieren und stigmatisieren." Durch Tabuisierungen könnten Angebote erst recht interessant werden und Verbote umgangen werden.

Die Experten betonen, dass es bisher – auch aus Datenschutzgründen – nur sehr wenig Forschung dazu gibt, welche Rolle soziale Medien dabei spielen, dass viele Kinder und Jugendliche psychische Probleme haben. Neben Folgen der Pandemie und weiteren Faktoren spiele etwa auch der Klimawandel eine Rolle für viele Kinder und Jugendliche, erklärt Brandhorst. "Aus meiner Sicht kann man nicht sagen, dass die globale Krise der psychischen Gesundheit ausschließlich auf die sozialen Medien zurückzuführen ist."

Zusammenfassung
  • Australien hat ein generelles Verbot von sozialen Medien für Kinder und jüngere Teenager eingeführt, was in Österreich eine Debatte über ein mögliches TikTok-Verbot für Jugendliche unter 16 ausgelöst hat.
  • Laut OECD-Report hatten 2022 durchschnittlich 96 Prozent der 15-Jährigen in der OECD Zugang zu digitalen Geräten und 98 Prozent ein Smartphone.
  • 70 Prozent der Kinder im Alter von zehn Jahren besitzen bereits ein eigenes Smartphone, wobei der Anteil in einigen Ländern wie Lettland und den nordischen Staaten über 90 Prozent liegt.
  • Der Anteil der 15-Jährigen, die 40 Stunden oder mehr pro Woche außerhalb der Schule mit digitalen Geräten verbringen, stieg von 8 Prozent im Jahr 2012 auf 21 Prozent im Jahr 2018; in Österreich sind es meist 40 bis 60 Stunden.
  • Experten sehen pauschale Verbote kritisch, fordern aber strengere Altersprüfungen auf Plattformen und mehr Medienkompetenzvermittlung in Schulen.