Digitale Artenvielfalt - Austro-Forschung betritt die DiSSCo
"Wir müssen schneller und besser werden" in Bezug auf die Beschreibung der lebenden und unbelebten Natur, die der Mensch durch sein Handeln zunehmend unter Druck bringt, so DiSSCo-Direktor Dimitris Koureas vom Naturalis Biodiversity Center in Leiden (Niederlande). Schätzungen gehen davon aus, dass bisher nur rund zehn Prozent aller Arten auf der Erde wissenschaftlich beschrieben wurden. Den rund 2,1 bekannten Spezies steht eine Dunkelziffer von ungefähr 18 Millionen weiteren gegenüber.
Wie viele davon bereits in ausufernden Sammlungen, wie etwa im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien, mehr oder weniger unaufgearbeitet schlummern, ist vielfach unklar, hieß es bei einer Pressekonferenz im NHM anlässlich des österreichischen Beitritts zum europäischen digitalen Sammlungsverbund. Unterstützt wird der Austro-Beitrag aus Mitteln des Wissenschaftsministeriums, wie Ressortchefin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) am Donnerstag erklärte. Die heimischen Sammlungen an Museen, Hochschulen und vielen kleineren Institutionen seien "ein Teil des kulturellen Erbes". Und: Gemessen an der Kleinheit des Landes habe Österreich "viel zu bieten".
Es wurde diesbezüglich auch schon viel getan, betonten NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland, der Direktor des Hauses der Natur in Salzburg, Robert Lindner, und Ronald Maier, Vizerektor der Universität Wien. Bisher hat man rund 15 Mio. Objekte u.a. im Rahmen der einschlägigen österreichischen Initiative Open Scientific Collections Austria (OSCA) digital erfasst. Um den riesigen Rest mit hineinzunehmen, bräuchte es laut Presseunterlagen circa 250 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren. Daher geht es nun auch verstärkt an das Einwerben von Fördermitteln in Österreich und Europa.
Biodiversitätsschwund kämpft um politische Aufmerksamkeit
Klar sei, heutzutage lässt sich kaum eine einschlägige wissenschaftliche Frage anhand nur eines Objektes beantworten, sagte Lindner. Ohne diese Forschungsarbeit könne man auch keine evidenzbasierten Schutzmaßnahmen und Artenschutzabkommen, um die international in den vergangenen Jahren viel diskutiert wird, auf den Weg bringen, betonte Koureas. Auch wenn nun vom viel und kontrovers besprochenen europäischen "Green Deal" aktuell wenig zu hören ist, weil selbiger mehr oder weniger einem "Industrial Deal" weicht, sei die Problematik der rapiden Abnahme der Artenvielfalt zumindest politisch angekommen, meinte Vohland. Funktionierende Ökosysteme haben nicht nur eine "Pufferfunktion" bei Naturkatastrophen wie einem Hochwasser, "wir brauchen die Natur auch für unsere psychische Gesundheit". Um sie zu erhalten, oder zumindest ihr Schwinden zu verstehen und ins Blickfeld zu rücken, brauche es dementsprechend Investitionen in Forschungsinfrastrukturen wie OSCA und DiSSCo, so der Tenor.
(S E R V I C E - https://www.dissco.eu/; https://osca.science/; https://www.nhm.at/)
Zusammenfassung
- Österreich beteiligt sich am europäischen Netzwerk DiSSCo, um rund 56 Millionen naturwissenschaftliche Objekte aus heimischen Sammlungen digital zugänglich zu machen.
- Bisher wurden rund 15 Millionen dieser Objekte digitalisiert, für die vollständige Digitalisierung werden in den kommenden zehn Jahren etwa 250 Millionen Euro benötigt.
- Weltweit sind bisher erst rund zehn Prozent aller Arten wissenschaftlich beschrieben, während Schätzungen von 18 Millionen unentdeckten Spezies ausgehen.