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Boris Becker: "Europa ist mein Zuhause"

Heute, 08:34 · Lesedauer 3 min

Ex-Tennisstar Boris Becker (57), der von seiner Frau Lilian de Carvalho Monteiro sein fünftes Kind erwartet, ist mit seinem Leben in Mailand zufrieden. "Ich habe in Mailand gut gespielt; ich habe immer italienische Marken getragen. Meine Frau ist in Rom geboren. Und ein weiteres Kind in diesem Alter zu bekommen, gibt mir die Möglichkeit, mich mehr darum zu kümmern, als ich es in der Vergangenheit getan habe", so Becker im Interview mit der Tageszeitung "Corriere della Sera".

"Ich bin glücklich, in Europa zu leben. Ich war in Amerika, in England, aber Europa ist mein Zuhause. Wir leben in einer gefährlichen, unbeständigen Welt. Wo wird der nächste Krieg ausbrechen? Mit dem Internet und den sozialen Medien sind wir überall und jederzeit präsent: Diese Vernetzung hat eine viel aggressivere und radikalere Gesellschaft geschaffen - sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite. Die Menschen sind enttäuscht von den Regierungen. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist größer geworden, und das ist umso schlimmer, weil durch die sozialen Medien jeder alles mitbekommt. Wir brauchen kluge Führungspersönlichkeiten, um den Frieden zu bewahren", betonte Becker.

Der deutsche Ex-Tennisstar beklagte, dass die Generation junger Sportler, wenig Neugier für die Welt zeigt. "Wir erwarten von diesen jungen Leuten, dass sie reif und perfekt sind, doch in Wirklichkeit wollen sie nur in Ruhe gelassen werden - mit ihrem Team. Sie wissen nichts über Politik und oft nicht einmal über das Land, das sie im Sport vertreten. Ich hingegen bin überzeugt, dass man für eine lange Karriere auch andere Interessen pflegen muss: Tennis allein wird auf Dauer todlangweilig. Wenn du das Turnier in Wien zum sechsten Mal gewonnen hast - was ändert sich beim siebenten Sieg?", fragte Becker.

"Auch das Umfeld der Spieler sollte sie mit Themen anregen, die nicht nur Tennis betreffen. Stattdessen werden sie geradezu dazu ermutigt, ihr Gehirn nur fürs Tennis zu benutzen: Sie haben alles, müssen über nichts nachdenken. Und mit 30 oder 35, wenn kein Coach oder Team mehr da ist, das praktische Probleme löst, wissen sie nichts von der Welt. Dann stehen sie orientierungslos da - außerhalb ihrer Blase", meinte Becker.

Im Jänner 2022, als der Südtiroler Tennisstar Jannick Sinner noch von Riccardo Piatti trainiert wurde, stand Becker kurz davor, sein Coach zu werden. "Ich dachte, das sei ein Geheimnis ... Ich habe nie darüber gesprochen. Aber ja, es stimmt. Zwei Monate später stand das Urteil des Londoner Gerichts an. Ich sagte zu Jannik: Ich weiß nicht, wie das ausgehen wird, also kann ich mich nicht festlegen. Aber ich wollte ihn nicht ohne Unterstützung dastehen lassen, also nannte ich ihm ein paar Namen von Trainer - einer davon war Darren Cahill. Für mich der Beste", erklärte Becker.

"Ich war überzeugt, dass Jannik Sinner der Beste werden kann. Damals musste er noch am Aufschlag und an der Beinarbeit arbeiten, aber im Kopf war er schon außergewöhnlich. Heute befinde ich mich in einer anderen Lebensphase - die Familie wächst, ich habe ein neues Business aufgebaut. Ich möchte nicht mehr so viel unterwegs sein, und vielleicht wird mir die Rolle des Coaches allmählich zu eng", betonte Becker.

Boris Becker war im April 2022 in London zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er Insolvenzverwaltern Vermögenswerte verschwiegen hatte. Nach mehreren Monaten im Gefängnis wurde er im Dezember 2022 nach Deutschland abgeschoben. In seinem im September veröffentlichten Buch "Inside" setzt sich Becker mit seiner Haftzeit auseinander.

Zusammenfassung
  • Boris Becker (57) lebt aktuell mit seiner Frau Lilian de Carvalho Monteiro in Mailand und erwartet sein fünftes Kind.
  • Im Interview betont Becker, dass Europa nach Aufenthalten in Amerika und England sein Zuhause ist und äußert Sorgen über gesellschaftliche Entwicklungen wie soziale Medien und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich.
  • Er kritisiert die mangelnde Neugier junger Sportler auf Politik und Welt und berichtet, dass er 2022 beinahe Coach von Jannik Sinner geworden wäre, was durch sein eigenes Gerichtsverfahren verhindert wurde.