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Anschlag in Moskau für DSN möglicher "Trigger" in Österreich

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Der Anschlag in Moskau könnte für Dschihadisten in Österreich ein "Trigger" sein, warnt der Verfassungsschutz gegenüber PULS 24. Die Sicherheitsstufe sei weiterhin erhöht. Der IS-Ableger wird immer gefährlicher. Russland will unterdessen der Ukraine die Schuld zuschieben.

Über eine Ausreise in die Gebiete des Islamischen Staats in der Provinz Khorasan (ISPK) unterhielten sich schon jene drei Österreicher, die im Sommer 2023 wegen mutmaßlicher Anschlagspläne auf die Pride-Parade in Wien festgenommen wurden.

Wenige Monate später geriet der ISPK in Österreich wieder in die Schlagzeilen. In der Bundeshauptstadt sitzen derzeit zwei Tadschiken - und die Ehefrau von einem der beiden - in U-Haft, die in Anschlagspläne auf Stephansdom und Kölner Dom involviert gewesen sein sollen.

Auch diese mutmaßliche Terrorzelle soll Verbindungen zum ISPK aufweisen. Derzeit werden noch ihre Handys ausgewertet. Einer der beiden Tadschiken wurde aus Deutschland nach Wien ausgeliefert, wie PULS 24 berichtete. Er soll beim Ausspionieren des Stephansdoms beobachtet worden sein. 

ISPK bekennt sich zu Russlands 9/11

Auch, wenn Russland das bestreitet - und die Schuld der Ukraine in die Schuhe schieben will -, in Expert:innen- und Sicherheitskreisen hält man es für äußert wahrscheinlich, dass der ISPK für die mindestens 137 Toten bei dem Konzert in der Nähe von Moskau verantwortlich ist. 

Vier Verdächtige - es soll sich ebenfalls um Tadschiken handeln - wurden von Russland mittlerweile vor ein Gericht gezerrt. Sie wiesen mutmaßliche Folterspuren auf und sollen gestanden haben. 

Die Bekenner-Botschaften des Islamischen Staats nach dem Anschlag, der schon als Russlands 9/11 bezeichnet wird, beurteilen Expert:innen im Westen als authentisch. "Sehr schwer, die IS-Verbindung jetzt noch zu bezweifeln", ordnete etwa Terrorismusexperte Peter Neumann ein Video des IS ein, in dem Russland und der ISPK explizit erwähnt wurden. 

Russland sei von US-Geheimdiensten vor den Anschlagsplänen gewarnt worden - Wladimir Putin tat das - wohl aus politischen Gründen - als "Erpressung" ab.

"Kommando-Operationen"

Neumann verweist darauf, dass im IS nicht nur Märtyrer-Operationen Tradition hätten. Bei sogenannten "Kommando-Operationen" würde der IS die Formulierung verwenden, wonach sich die Kämpfer nach den Attentaten in ihre "Basen" zurückgezogen hätten. Diese Formulierung hätte der IS auch beim ersten Bekennerschreiben nach dem Anschlag in Moskau verwendet.

"Nicht jede Terroroperation des IS ist ein Selbstmordattentat. Dass Attentäter in Moskau fliehen konnten (und wollten), ist weder ungewöhnlich noch sollte es Grund für irgendwelche Zweifel sein", so Neumann. 

Die Gruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK), die aktuell der aktivste IS-Ableger ist, hat ihren Ursprung in Afghanistan. Khorasan steht für eine historische Region in Zentralasien, die Teile von Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan sowie vom Iran umfasste. In diesen Regionen wird derzeit hauptsächlich für Nachwuchs gesorgt. 

Russland als Feindbild

Der ISKP soll Zellen in Afghanistan, wo man sich im Konflikt mit den Taliban befindet, und Pakistan unterhalten und über erhebliche Kapazitäten für Operationen im Ausland verfügen. Der Gruppe dürfte es derzeit hauptsächlich um Anschläge im Ausland gehen.

Russland gilt dabei als besonderes Feindbild der Dschihadisten. Das hat unter anderem mit den historischen Verstrickungen Russlands in Afghanistan, mit dem brutalen Vorgehen gegen die muslimische Bevölkerungen in den Tschetschenien-Kriegen, aber auch mit der russischen Unterstützung für Diktator Bashar al-Assad in Syrien zu tun. 

Extremismus-Bedrohungslage: "ISPK neuer starker Player"

Der ISPK beschränkt sich bei potenziellen Zielen aber keinesfalls auf ein bestimmtes Gebiet. Anfang des Jahres verübten Terroristen ein Selbstmordattentat bei einer Gedenkfeier im Iran, im Jänner wurde in einer Kirche in Istanbul ein Mann erschossen. Und auch Europa gerät immer mehr ins Visier. 

Erhöhte Warnstufe in Österreich

Das haben auch die Behörden in Österreich am Schirm: Bereits seit Oktober 2023 gilt in Österreich "eine erhöhte Terrorwarnstufe– diese indiziert ein hohes Risiko". Wie PULS 24 seitens der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) am Montag mitgeteilt wurde, gelte dies nach wie vor, auch wenn es "keine Hinweise für eine konkrete Gefährdung" gebe.

Erst kürzlich berieten die österreichischen Behörden über die Sicherheitslage, auch dabei wurde schon vor den Gefahren, die vom ISPK ausgehen, gewarnt. "Die DSN nimmt das Risiko des ISKP sehr ernst", wurde PULS 24 am Montag wieder mitgeteilt.

Der österreichische Verfassungsschutz sieht im ISPK "seit Längerem eine bedeutende Rolle" - die Organisation habe nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan wieder an Bedeutung gewonnen und rufe nun zu Anschlägen in ganz Europa auf

Anschlag könnte "Trigger" sein

Die Organisation würde "bereits Anschläge mit einfachsten Mitteln" - also etwa mit Messern - als Erfolge verbuchen. Das sei "perfide" und eine "besondere Herausforderung" für die Sicherheitsbehörden, so die DSN gegenüber PULS 24. 

"Internationale Entwicklungen, Beobachtungen und Vorfälle" wie jener in Moskau würden "selbstverständlich in die laufende Gefährdungseinschätzung der DSN" einfließen. So setze man weiter auf verstärkte Polizeipräsenz bei neuralgischen Örtlichkeiten und Veranstaltungen - das betreffe momentan Osterveranstaltungen oder das jüdische Pessachfest. 

"Das Risiko des IS-Ableger ISKP basiert einerseits auf einer sehr jungen hochradikalisierten Szene in Österreich, welche vorwiegend Online-Propaganda konsumiert und für die auch der Terroranschlag von Moskau als Trigger wirken kann – anderseits auf dem Wiedererstarken des IS und von Al Qaida und deren Aufrufe, den Westen anzugreifen", so die DSN gegenüber PULS 24.

Festnahmen in Deutschland und Österreich

Erst in jüngster Vergangenheit nahmen deutsche und österreichische Behörden genau solche jungen mutmaßliche Islamisten fest, die im Internet im internationalen Austausch stehen. Vergangenen Dienstag wurden in Gera in Thüringen zwei Afghanen im Alter von 23 und 30 Jahren festgenommen. Sie sollen Spenden für den ISPK gesammelt haben und nach Koranverbrennungen in Schweden und Finnland dort Anschläge geplant haben.

Übers "Reagieren" auf Koranverbrennungen tauschten sich laut den Ermittlungsakten, die PULS 24 vorliegen, auch jene zwei Österreicher, die im Zusammenhand mit den Pride-Anschlagsplänen festgenommen wurden, in Chats mit einem Belgier und einem Ukrainer aus. Auch eine Reise nach Stockholm soll dabei besprochen worden sein. 

ribbon Zusammenfassung
  • Der Anschlag in Moskau könnte für Dschihadisten in Österreich ein "Trigger" sein, warnt der Verfassungsschutz gegenüber PULS 24.
  • Die Sicherheitsstufe sei weiterhin erhöht. Der IS-Ableger wird immer gefährlicher.
  • Auch in Österreich erfolgten bereits Festnahmen von verdächtigen mit ISPK-Verbindungen.
  • Russland will unterdessen der Ukraine die Schuld zuschieben.