Fehlende Lohngleichheit
Wie finanzielle Abhängigkeit Frauen in Gewaltbeziehung hält
Im EU-Vergleich steht es schlecht um Österreichs Lohngleichheit. Denn Laut einer Studie der Statistik Austria von 2023 liegt Österreich EU-weit mit 18,3 Prozent am vorletzten Platz, was die Gleichbehandlung in der Bezahlung betrifft.
Zum Vergleich: Wirtschaftlich schwächere EU-Länder wie beispielsweise Bulgarien und Rumänien schneiden beim Gender Pay Gap besser ab als Österreich.
"Frauen und Männer sind gleich zu behandeln"
"Wir brauchen mehr Frauen in MINT-Berufen, mehr Männer in Care-Arbeit und wir brauchen eine Gesellschaft, die endlich akzeptiert, dass Männer und Frauen gleich zu behandeln sind", so die EU-Abgeordnete Anna Stürgkh (NEOS) im PULS 24-Interview. MINT-Berufe sind Tätigkeiten aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Die EU-Abgeordnete nennt aber auch ein persönliches Beispiel: "Der Kindergarten meiner Tochter ist um 16 Uhr zu Ende. Wie ich da Vollzeit arbeiten soll oder mein Mann, bzw. wir beide, das frage ich mich schon und da müssen wir ansetzen."
Finanzielle Abhängigkeit verstärkt Gewalt in Beziehungen
Erst kürzlich hatte sich die Bundesministerin für Frauen Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) in einer Pressekonferenz zum Thema "Nationale Finanzbildungsstrategie" zu den Aktionstagen "16 Tagen gegen Gewalt an Frauen" zu Wort gemeldet.
Laut der Ministerin soll finanzielle Abhängigkeit auch problematisch sein, wenn es um das Ausbrechen aus Gewaltbeziehungen geht. "Weil durch finanzielle Unabhängigkeit kann eine Frau zu jedem Zeitpunkt entscheiden, wann sie gehen will. Ohne ein gewaltvolles Leben weiterertragen zu müssen," so die Bundesministerin für Frauen.
Die Juristin in der Abteilung Frauen und Familie Melanie Kocsan-Göschl (Arbeiterkammer Wien) sieht das ähnlich. "Wir wissen, und das zeigt die Forschung auch ganz klar, wenn Frauen weniger verdienen, oder finanziell abhängig sind, dann steigt das Risiko partnerschaftlicher Gewalt", erklärt sie im Interview.
Video: 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen
Lohntransparenzrichtlinie als Mittel gegen Lohnungleichheit?
Die EU-Abgeordnete Elisabeth Grossmann (SPÖ) sieht hier die Lohntransparenzrichtlinie als geeignetes Mittel gegen die Lohnungleichheit. Die Richtline soll bis Juni 2026 umgesetzt werden und sieht ab einer Unternehmensgröße von 100 Mitarbeiter:innen eine Berichtspflicht für die Bezahlungslücke zwischen den Geschlechtern vor.
"Wenn sich durch die Richtlinie insgesamt dann auch in den anderen Branchen gehaltstechnisch etwas tut, dann sind auch die kleineren Unternehmen betroffen", so Grossmann.
- Mehr lesen: 16 Tage gegen Gewalt: Aktionszeitraum beginnt
Kocsan-Göschl sieht die Richtlinie weniger optimistisch: "Es ist nicht genug, denn es trägt überhaupt nicht der österreichischen KMU-Landschaft Rechnung." Die Richtlinie solle so gestaltet werden, dass sie auch unter 100 Mitarbeiter:innen die Gender-Pay-Gap-Berichtspflicht beinhaltet.
Es wird hier von den sogenannten KMU – das heißt, den kleinen und mittleren Unternehmen - gesprochen. Das sind Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeiter:innen. Im Jahr 2023 waren mehr als 99 Prozent der 600.000 heimischen Unternehmen in Österreich kleine und mittlere Unternehmen.
Die Tipps der Juristin bei Entgeltdiskriminierung:
- An den Betriebsrat wenden
- Von der Arbeiterkammer beraten lassen
- An Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden
- Als Mitglied an die Gewerkschaft wenden
"Für Frauen ist zuhause nur Schichtwechsel"
Kocsan-Göschl sieht das Problem außerdem in der Gesellschaft: "Es bräuchte wirklich auch diesen Wandel, wo man von dem Stereotypdenken wegkommt, wo Frauen die Care-Arbeit übernehmen. Und wie die Leiterin des Referats für Frauenarbeit der Arbeiterkammer Wien, Käthe Leichter, schon vor 100 Jahren gesagt hat: 'Für Frauen ist zuhause nur Schichtwechsel.' Und davon müssen wir wegkommen."
Video: "Österreich hat ein Problem mit Gewalt gegen Frauen"
Zusammenfassung
- Rund 50 Jahre soll es noch bis zur Lohngleichheit zwischen Mann und Frau dauern.
- Die finanzielle Abhängigkeit hält viele Frauen davon ab, sich von ihrem gewalttätigen Partner zu trennen.
- Anlässlich der Aktionstage "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" hat PULS 24 EU-Abgeordnete und eine Juristin im Gespräch zum Thema Lohnungleichheit und finanzielle Abhängigkeit interviewt.
- Die Ergebnisse.
