100.000 Unterschriften gegen Kraftwerksausbau im Kaunertal
Auf APA-Nachfrage konnte der WWF indes nicht sagen, wie viele der Unterschriften von Personen aus Tirol oder Österreich stammten. Da man die Petition gemeinsam mit dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein sowie weiteren Organisationen gemacht und man zudem einige Unterschriften analog erhalten habe, sei es sehr schwierig, die Zahl abzuschätzen. Da es sich jedoch um eine Petition gegen ein Bauprojekt in Tirol handle, gehe man davon aus, dass "die meisten aus Österreich" stammten.
"Die 100.000 Unterschriften sind ein Meilenstein für den Naturschutz und ein klares Zeichen gegen die Argumentation des überragenden öffentlichen Interesses", sagte WWF-Gewässerschutzexperte Frey vor Journalisten und neben der Tiwag-Zentrale. Das Projekt sei "nicht zukunftsfähig", gefährlich und zerstöre darüber hinaus sensible Natur. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) habe als Eigentümervertreter der Tiwag die Möglichkeit, das Projekt zu stoppen. Frey verwies auf "bessere Alternativen", die insbesondere im Kühtai bestünden. Neben dem WWF wurde die Aktion am Donnerstag von Global 2000 sowie von Vereinen wie WET, Naturfreunde, Naturschutzbund, Ötztaler Heimatverein, PAN, POW, Lebenswertes Kaunertal und vielen weiteren unterstützt.
Global 2000: Tiwag mit "Plänen aus letztem Jahrhundert"
Hannah Keller von Global 2000 erklärte indes im APA-Gespräch, dass die Klimakrise nicht gegen den Naturschutz ausgespielt werden dürfe: "Die Energiewende ist sehr wichtig, aber sie muss auch naturverträglich sein", forderte sie. "Mitten in einem Artensterben" müsse man daher das Projekt im Kaunertal stoppen: "Hochalpine Moore wie im Platzertal sind zudem zentrale CO2-Speicher und müssen schon deshalb besonders geschützt werden. Nicht geflutet." Darüber hinaus arbeite die Tiwag mit veralteten Plänen - "aus dem letzten Jahrhundert". Es sei ein Paradigmenwechsel in Richtung naturverträglicher Energiewende nötig, forderte Keller.
Anita Hofmann von der Bürgerinitiative Lebenswertes Kaunertal bekundete vor den rund 50 versammelten Personen die Hoffnung auf eine "große Feier", sobald das Tiwag-Projekt gestoppt sei: "Das sind wir den kommenden Generationen schuldig." Gefragt nach dem offensichtlichen Spagat zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energien sowie Umwelt- bzw. Naturschutz, plädierte Hofmann für "Energiesparen, die Nutzung von Sonnenenergie mithilfe von Photovoltaik sowie den Ausbau bestehender Anlagen".
Eine politische Reaktion auf die vorgelegte Petition kam unterdessen von den Tiroler Grünen. Diese appellierten an die Landesregierung, dass die 100.000 Unterschriften "nicht einfach ignoriert" werden könnten, wie Landessprecher und Klubobmann Gebi Mair in einer Aussendung mitteilte.
Heftig umstrittenes Vorhaben erneut zur UVP eingereicht
Ende März hatte die Tiwag das Projekt erneut zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingereicht. Viermal war dem landeseigenen Energieversorger zuvor ein Verbesserungsauftrag erteilt worden. Inzwischen wurde das Projekt in zwei Vorhaben geteilt. Der erste Projektteil, der zur UVP eingereicht wurde, betraf die Errichtung des Pumpspeichers Versetz sowie den Speicher Platzertal mit 42 Millionen Kubikmeter Wasser. Der zweite Projektteil lag vorerst nicht zur Prüfung auf. Dieser betraf unter anderem das Unterstufenkraftwerk Prutz 2, das Kraftwerk Imst 2 und Wasserableitungen aus dem Ötztal. Gegen dieses Vorhaben hatte es großen Widerstand gegeben. Letztlich stellte die Tiwag - auch nach politischem Druck durch Landeshauptmann Mattle - ebenjenes zurück.
Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk waren zum ersten Mal im Jahr 2009 eingereicht, die UVP erstmals 2012 gestellt worden. Sowohl frühere Landesregierungen als auch die aktuelle aus ÖVP und SPÖ bekannten sich bisher zum Kaunertaler Kraftwerksausbau. Die Tiwag betonte stets, am Kraftwerksprojekt führe kein Weg vorbei, um die in Tirol für 2050 anvisierte Energieautonomie zu erreichen.
Zusammenfassung
- Ein Umweltbündnis aus über 35 Organisationen hat 100.000 Unterschriften gegen den Ausbau des Kraftwerks Kaunertal gesammelt und diese auf dem Landhausplatz in Innsbruck übergeben.
- Das Projekt, zu dem die Tiwag nach mehreren Überarbeitungen Ende März erneut eine Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt hat, sieht im ersten Schritt einen Pumpspeicher mit 42 Millionen Kubikmeter Wasser vor.
- WWF, Global 2000 und weitere Initiativen kritisieren das Vorhaben als nicht zukunftsfähig und fordern naturverträgliche Alternativen, während die Tiroler Grünen appellieren, die Petition ernst zu nehmen.