Martin Holzner/PULS 24

No more No Nut November

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Von wegen trockene Zahlen. PULS 24 Kolumnistin Theresa Lachner bringt zusammen, was zusammen gehört: Sex und Statistik.

4,9 mal pro Woche – so oft masturbieren Männer im Durchschnitt. Also außer vielleicht momentan, denn es ist No Nut November, und das heißt für alle Teilnehmenden: kein Sex, keine Pornos, keine Masturbation, und natürlich auch keine Orgasmen.

Keine Nüsse? Der Name der Challenge leitet sich aus dem englischen "to bust a nut" ab, eine umgangssprachliche Umschreibung für die männliche Ejakulation. Und es geht direkt weiter mit dem neuen Penisvokabular: die Idee stammt von Alexander Rhodes, einem Programmierer aus den USA, der 2011 auf Reddit die "NoFap"-Bewegung ins Leben gerufen hat.

Fap Fap Fap Fap Fap wie in... na, Sie können es sich jetzt wahrscheinlich schon denken.

Rhodes, der laut Eigenaussage aus gesundheitlichen Gründen seine Pornosucht kurieren wollte, proklamierte damals nicht nur, dass Abstinenz das Testosteronlevel heben würde, sondern gleich einen generell verbesserten Gesundheitszustand, mehr Erfolg beim anderen Geschlecht und natürlich auch im Beruf gleich mit.

Quasi der Selleriesaft unter den Internet-Heilsversprechen für Männer – und genauso schnell wissenschaftlich widerlegt. Selbstbefriedigung senkt nämlich nicht nur erwiesenermaßen das Prostatakrebsrisiko, setzt entspannende Endorphine frei und sorgt so für Stressabbau und für besseren Schlaf, verbrennt bis zu 150 Kalorien - sondern trägt auch zu besseren Sex mit anderen Menschen bei. Denn wer sich selbst regelmäßig Lust bereitet, hat ein besseres Verhältnis zum eigenen Körper, mehr Lust auf Sex mit anderen, kennt die eigenen Wünsche und Vorlieben und kann sie so auch einfacher kommunizieren.

Trotzdem wächst die Online-Community der teils radikalen Masturbationsgegner – inklusive (finanzieller) Unterstützung diverser fundamentalistischer Gruppierungen. Und die ach so lustigen Memes zum "No Nut November" bekommen ganz schnell einen ziemlich unguten Beigeschmack.

Zum "Death to Pornographers" wurde im Jahr 2018 aufgerufen, da diese dafür verantwortlich seien, Männer in Versuchung zu führen, zu masturbieren. Viele der Thesen der Masturbationsgegner stützen sich auf die von David Duke, einem prominenten Neonazi und Leiter der Knights of the Ku Klux Klan. Dieser proklamiert die Verschwörungstheorie, dass Pornografie ein jüdisches "Racheinstrument" gegen weiße Europäer sei – und weiße Männer, die Sex mit weißen Frauen haben, die einzig "reine" Form der Sexualität. Das gefällt auch den "Proud Boys", einer rechtsextremen Organisation aus den USA, die in Kanada als terroristisch eingestuft wird und behauptet, dass weiße Männer in der westlichen Kultur von Auslöschung bedroht seien.

Klar, dass deren kostbares Sperma unmöglich verschwendet werden darf – Masturbation ist laut Proud Boys-Statuten nämlich was für unmännliche Schwächlinge, und die durch Abstinenz kanalisierte maskuline Lebenskraft besser für Projekte wie den Sturm des Kapitols zu verwenden. How about no?

Zusammenfassend geschlechterübergreifend lässt sich sagen: Ultrakonservative an unsere Unterleibe zu lassen – einfach nie eine gute Idee.

Hier also eine bessere, Studentenfutter for Thought sozusagen: der New Nut November!

Wie wärs damit, anstatt rigider zu werden, einfach mal locker(er) lassen - und das wortwörtlich?

Denn hier ist noch ein neuer Begriff für Ihr Penisvokabular: der Death Grip. Der kann nämlich tatsächlich dafür verantwortlich sein, dass Männer, die viel masturbieren, desensibilisert werden für andere Sexualpraktiken, weil sie sich, pardon my deutsch, mit zu festem Griff einfach mal taubgewichst haben.

Die gute Nachricht ist: das ist reversibel – indem man das Setting variiert.

Weniger Druck, ein anderer Griff, eine andere Körperhaltung, schon die Atmung kann einen Riesenunterschied machen. Wer sonst viele Pornos konsumiert, könnte sich vielleicht mal an (Audio-) Erotika versuchen.
Und für die vollkommen antikonservative Eskalation: Gönnen Sie sich doch ein paar Sextoys. Penis-Sleeve statt Aluhut, Frenulum-Vibrator statt weißer Kutte, und dazu der friendly Reminder, dass sich Ihr G-Punkt aka die Prostata in Ihrem Hintern befindet und möglicherweise über einen Butt Plug freuen würde.

Make Self-Love Not War! Dann wird sogar der November besser.

Theresa Lachner ist systemische Sexualberaterin und Gründerin des größten deutschsprachigen Sexblogs LVSTPRINZIP sowie des gleichnamigen Podcasts und Buchs.

Quellen

https://www.vice.com/en/article/7xywwb/let-this-be-the-last-no-nut-november-nofap-meme-explained
https://www.europeanurology.com/article/S0302-2838(16)00377-8/fulltext

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  • Von wegen trockene Zahlen.
  • PULS 24 Kolumnistin Theresa Lachner bringt zusammen, was zusammen gehört: Sex und Statistik.