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Warum steigende Zinsen auch schlecht für Banken und Bürger sind

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Mit einer Serie von Zinserhöhung stemmt sich die EZB gegen die hohe Inflation. Während sich die einen über den Geldsegen freuen, hat die Medaille aber auch eine dunkle Kehrseite - für Normalbürger und Banken.

Nach einer langen Durststrecke feiern die Sparzinsen ein Comeback. Erst am Donnerstag hob die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzinssatz auf 3,5 Prozent an, Gespartes wirft also wieder etwas ab. Erwartet wird, dass die Zinsen in Zukunft noch weiter steigen.

"Wenn die Flut zurückgeht, sieht man, wer nackt badet", sagt ein amerikanisches Sprichwort. Jetzt, wo die Zinsen steigen, sieht man, wer sich finanziell übernommen hat. Dass die steigenden Zinsen für Kreditnehmer und Banken gefährlich werden können, zeigt der Kollaps von Geldhäusern in den USA und der Credit Suisse in der Schweiz. Die Branche ist in Sorge, die Aktienkurse von Banken sind in Turbulenzen geraten.

Was bedeuten steigenden Zinsen für Banken?

Die Zinswende hat auch für Geldhäuser zwei Seiten: Der Zinsüberschuss steigt. Die Differenz zwischen dem, was die Institute einerseits zum Beispiel für Kredite kassieren und andererseits ihren Kunden etwa als Sparzinsen zahlen, wird also größer.

Auf der anderen Seite mussten zum Beispiel die deutschen Sparkassen Milliardenabschreibungen auf Wertpapierbestände hinnehmen, was den Gewinn schmälerte. Denn der rasante Zinsanstieg führte zu Kursverlusten an den Märkten etwa für Staatsanleihen, die einen Großteil der Eigenanlagen der Sparkassen ausmachen. Die Folge: Hohe Abschreibungen auf festverzinsliche Wertpapiere.

Das ist kein Problem, solange die Anleihen bis zur Fälligkeit gehalten werden und sich Wertkorrekturen in den nächsten Jahren ausgleichen. Der Kollaps der amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) jedoch hat die Finanzwelt aufgeschreckt: Das auf Start-up-Finanzierung spezialisierte US-Institut hatte in der Niedrigzinsphase viel Geld etwa in US-Staatsanleihen mit langer Laufzeit investiert. Mit der Zinswende verloren viele der Wertpapiere erheblich an Wert. Zugleich war die SVB gezwungen, Anlegern höhere Zinsen zu bieten, damit diese ihre Gelder nicht abziehen - ein Spagat, der nicht gelang.

In dieser Woche ist die angeschlagene Schweizer Großbank Crédit Suisse unter Druck geraten, die Schweizer Zentralbank leiht ihr nun bis zu 50 Milliarden Franken (rund 51 Mrd. Euro).

Warum erhöht die EZB die Zinsen?

Die Notenbank stemmt sich gegen die hohe Inflation. Im Februar lagen die Verbraucherpreise im Euroraum um 8,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, in Österreich sogar bei 11 Prozent. Zwar schwächte sich der Preisauftrieb den vierten Monat in Folge ab, aber die Zielmarke der EZB ist weiterhin weit entfernt. Hauptziel der Notenbank sind stabile Preise und somit eine stabile Währung im Euroraum. Das sieht die EZB erreicht, wenn die Teuerung bei 2 Prozent liegt. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken.

Warum steigen die Sparzinsen nicht in gleichem Maße?

Viele Banken und Sparkassen bieten wieder Zinsen auf Tagesgeld und Festgeld, seit die EZB im Sommer 2022 die Nullzinsphase beendete - allerdings längst nicht alle. Nach Daten des Vergleichsportals Verivox zahlen 282 von insgesamt 661 ausgewerteten Instituten in Deutschland bisher keine Tagesgeldzinsen (Stand: 9. März). Vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken halten sich demnach noch zurück. "Die Regionalbanken spekulieren auf die Treue ihrer Kunden und lassen sich mit Zinserhöhungen Zeit", sagte Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Bei deutschlandweit verfügbaren Angeboten profitierten Sparer dagegen vom schärferen Konkurrenzkampf.

Was Sparer ebenfalls ärgert: Neukunden werden oft mit höheren Zinsen gelockt als Geldhäuser für bestehende Guthaben herausrücken. Das ist betriebswirtschaftlich verständlich: Sämtliche Einlagen plötzlich deutlich höher zu verzinsen, würde für die Institute teuer. Zudem verdienen sie im veränderten Zinsumfeld mit jedem neuen Kunden Geld.

Immerhin: Bankmanager versprachen zuletzt auch Bestandskunden steigende Sparzinsen. "Ich bin sicher, dass der Trend dieses Jahr deutlich nach oben geht, die Frage ist nur wie schnell", sagte etwa ING-Deutschland-Chef Nick Jue Anfang Februar. Commerzbank-Vize-Chefin Bettina Orlopp sprach Mitte Februar von einem Prozess: "Wir werden jetzt den Markt beobachten und natürlich auch an unsere Kunden Konditionen weitergeben."

Haben Sparer unter dem Strich nun wirklich mehr Geld?

Leider nein. Bei Inflationsraten von über 8 Prozent verpuffen selbst Festgeldzinsen von drei Prozent und mehr. Der Realzins - also der Zins abzüglich der Inflation - ist dann weiterhin negativ.

Welche Auswirkungen haben die steigenden Zinsen auf Kredite?

Die Zinsen zum Beispiel für Baufinanzierungen sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Die Höhe der Bauzinsen ist allerdings nicht direkt von EZB-Zinsentscheidungen abhängig, sondern orientiert sich an der Verzinsung von Bundesanleihen. Bereits vor den Zinserhöhungen der Notenbank sind die Bauzinsen gestiegen. Höhere Zinsen treffen vor allem diejenigen, die ein neues Darlehen brauchen oder eine Anschlussfinanzierung für einen Immobilienkredit. Bei laufenden Hypothekenkrediten ändert sich nichts an der Zinshöhe.

Die Zinsen für Ratenkredite haben sich in Deutschland nach Daten des Vergleichsportals Check24 mit durchschnittlich 6,35 Prozent im Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat fast verdoppelt.

ribbon Zusammenfassung
  • Mit einer Serie von Zinserhöhung stemmt sich die EZB gegen die hohe Inflation.
  • Während sich die einen über den Geldsegen freuen, hat die Medaille aber auch eine dunkle Kehrseite - für Normalbürger und Banken.

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