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Treichl: Europa soll nicht "auf Gedeih und Verderb von USA abhängig" sein

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Andreas Treichl, Ex-CEO der Erste Bank, spricht mit Finanzjournalist Niko Jilch im Podcast "Was Bitcoin bringt" über die Zukunft Europas, die Abhängigkeit von den USA und Migration als Schlüssel zum Erfolg.

Treichl appelliert dabei an den Zusammenhalt Europas und fordert ein selbstbewussteres Auftreten in Fragen der europäischen Sicherheit: "Wenn wir nicht in der Lage sind, europäische Konflikte innerhalb Europas zu lösen, dann werden wir immer von den Amerikanern abhängig sein." Dabei spricht er einerseits die Westbalkan-Krise in den 1990ern an, aber auch den Krieg in der Ukraine. In beiden Fällen sei man abhängig von der Unterstützung der USA, sagt er im Podcast "Was Bitcoin bringt" mit Finanzjournalist Niko Jilch. 

Dabei richte sich Treichls Kritik gar nicht an die NATO, gegen die er "überhaupt nichts" habe. Er wolle aber nicht, dass Europa "auf Gedeih und Verderb von den USA abhängig" ist. Um diese Entwicklung umzukehren, bräuchte es eine geschlossene EU. Egal ob in Wirtschaftsfragen oder bei außenpolitischen Themen - für Alleingänge sei "schlicht und einfach keine Zeit mehr", weil einzelne Mitgliedsstaaten sich selbst und die ganze Union dadurch schwächen würden, so der ehemalige Bankmanager. 

Den Rang einer internationalen Supermacht habe Europa ohnehin schon an China und die USA verloren. Sollte kein Umdenken stattfinden, müsse man sich laut Treichl damit abfinden, über Jahrzehnte "kein wesentlicher Schauplatz" mehr zu sein. Um diesen Trend umzukehren, müsse man jedoch "unfassbar viel tun". 

Grenze zu Russland wird bleiben

Auch wenn der Ausgang des Ukraine-Kriegs noch ungewiss ist; "eines wissen wir ganz sicher: Dass Europa auch noch in 50 Jahren und in 100 Jahren eine Grenze zu Russland haben wird. Die einzige Möglichkeit, dass das nicht der Fall sein wird, ist, wenn Russland in den nächsten 50 Jahren ganz Europa übernehmen wird", so Treichl. Wenn Europa diesen möglichen Konflikt nicht selbstständig lösen könne, sei man immer auf die Hilfe der USA angewiesen - das könne dazu führen, dass Konflikte in Europa eigentlich von den Supermächten China und USA geführt würden. "Das kann doch nicht unser Ziel sein in Europa", findet der Ex-Bankmanager. 

Migration: Schlüssel zum Erfolg für Europa

In der Migrationspolitik habe man als einzelner Staat laut Treichl "überhaupt keine Chance". Die Migrationsbewegung der letzten Jahre sei "ein Bruchteil von dem, was in puncto Migration wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren auf uns zukommen wird. Das können wir nur gemeinsam lösen in Europa".

Aufgrund zurückgehender Geburten und einer alternden Gesellschaft in vielen europäischen Ländern sei man darauf angewiesen, Menschen aus dem Ausland anzulocken, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. "Europa muss ein unfassbar attraktiver Standort werden für junge Menschen aus der ganzen Welt, die nach Europa kommen, weil sie hier nicht nur gerne leben wollen, weil es schön, angenehm und sicher ist – sondern weil sie auch hier Chancen haben, hier auch eine wirklich gute Arbeit zu finden", so Treichl. 

ribbon Zusammenfassung
  • Treichl appelliert dabei an den Zusammenhalt Europas und fordert ein selbstbewussteres Auftreten in Fragen der europäischen Sicherheit.
  • Den Rang einer internationalen Supermacht habe Europa ohnehin schon an China und die USA verloren. Sollte kein Umdenken stattfinden, müsse man sich laut Treichl damit abfinden, über Jahrzehnte "kein wesentlicher Schauplatz" mehr zu sein.
  • In der Migrationspolitik fordert Treichl Zusammenarbeit in der EU, weil man als einzelner Staat "überhaupt keine Chance" habe.